Année politique Suisse 2012 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kirchen und religionspolitische Fragen
Für zahlreiche Schlagzeilen sorgte auch in diesem Jahr der konservative
Bischof Vitus Huonder. Zu Beginn des Berichtjahres wurde ihm vorgeworfen, er verschärfe den aktuellen Priestermangel anstatt diesen zu bekämpfen. Diese Vorwürfe rührten daher, dass der Bischof zwei ehemaligen Priesteramtskandidaten nicht die kirchliche Beauftragung als Laientheologen erteilen wollte. Im Februar errichtete Bischof Huonder zwei Personalpfarreien, was ebenfalls grosse Kritik hervorrief. Personalpfarreien vereinigen ihre Mitglieder – anders als territoriale Pfarreien – aufgrund gemeinsamer Sprache, Bedürfnisse oder Nationalität. Mit diesem Schritt wurden die Traditionalisten aufgewertet und die Angst von einer „Kirche in der Kirche“ geschürt. Für die grösste Empörung schliesslich sorgte ein Hirtenbrief Huonders in welchem er forderte, dass Geschiedene, welche wieder heiraten, von den Sakramenten ausgeschlossen werden sollten. Viele Seelsorger warfen dem Bischof mangelnde Barmherzigkeit vor und konnten diese Forderung nicht unterstützen, weshalb sie darauf verzichteten, den Hirtenbrief in der Messe vorzulesen
[18].
Im September des Berichtjahres wurde eine schweizerische
„Pfarrei-Initiative“ lanciert. Diese sollte deutlich machen, wo die katholische Kirche tatsächlich steht und wo sie hinwill. Die Pfarrei-Initiative richtete sich in erster Linie an die Bischöfe, welche dadurch zu Reformen und Gesprächen gezwungen werden sollten. Mit dem Text sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass die seelsorgerische Praxis in den Pfarreien längst nicht mehr den offiziellen Vorgaben der Kirche entspräche. So wurde beispielsweise betont, dass die Kommunion mit allen geteilt werde – egal, ob geschieden oder homosexuell. Ausserdem werde und solle zukünftig weiterhin die Predigt auch von theologisch gebildeten Frauen gehalten werden können. In kürzester Zeit kamen über 200 Unterschriften zustande, was den Druck auf die Bischöfe in der Schweiz erhöhen sollte. Obwohl sich die Initianten im November des Berichtjahres mit drei Schweizer Bischöfen zur Aussprache trafen, blieben die Fronten bis zum Ende des Berichtjahres verhärtet
[19].
Im August des Berichtjahres bestätigte das Bundesgericht die
Möglichkeit eines Teilaustritts aus der Kirche. Ein Austritt aus der Landeskirche ohne gleichzeitige Abkehr von der katholischen Weltkirche ist weiterhin möglich. Somit kann der katholische Glauben beibehalten werden auch wenn keine Kirchensteuern mehr bezahlt werden. Begründet wurde dieser Entscheid dadurch, dass andernfalls das Grundrecht der Religionsfreiheit verletzt würde. Die Schweizer Bischofskonferenz verzichtete darauf, eine einheitliche Regelung zu beschliessen, wie mit den partiellen Austritten umzugehen sei. Dies solle jedem Bistum selber überlassen bleiben
[20].
[18]
TA, 11.1., 28.2., 6.3., 10.3.12.;
NZZ, 28.2.12;
BaZ, 5.3., 3.4.12
; NLZ, 9.3.12
; SoZ, 11.3.12.
[19]
NZZ, 18.9., 27.11.12.;
NLZ, 19.9., 29.11.12;
TA, 22.12. und 24.12.12.
[20]
BaZ, 7.8.12;
NZZ, 4.8.12;
WW, 9.8.12;
SGT, 24.8., 7.9.12.
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