Année politique Suisse 2013 : / Die Gesetzgebung in den Kantonen
Grundlagen der Staatsordnung
Auffällig ist die Erfolgsquote der migrationskritischen Anliegen, die im Berichtjahr in allen drei Fällen angenommen wurden (vgl. Tabelle Staatsordnung). Durch Ergreifen des fakultativen Referendums zum neuen Zuger Integrationsgesetz, welches auf der Basis einer von der SP initiierten Motion erarbeitet wurde, konnte die SVP Zug das neue Gesetz zu Fall bringen. Die Gesetzesvorlage, welche vom Parlament in der Schlussabstimmung noch mit 56 zu 19 Stimmen und abgesehen von der SVP-Fraktion deutlich befürwortet wurde, fand im Volk mit 45,6% Ja-Stimmen keine Mehrheit. Aufgrund eines Entscheids ihrer Basis wechselte die FDP im Abstimmungskampf auf die Gegnerseite (ZGZ, 19.3., 5.4., 3.9., 5.9., 16.9. und 23.9.13).
Mit 55,8% Zustimmung stiess auch die von der jungen SVP unter Führung von Grossrat Erich Hess (BE, svp) eingereichte Berner Volksinitiative „keine Einbürgerung von Verbrechern und Sozialhilfeempfängern“ auf Gehör. Mit Ausnahme der SVP beschlossen alle kantonalen Volksparteien die Nein-Parole zur Initiative. Die Mehrheit der Gegnerseite argumentierte, die Initiative führe zu unnötigen Konflikten mit dem Bundesrecht und gehe nicht über die bestehende Praxis hinaus. Letzteres stritten die Befürworter der Initiative klar ab (BZ, 6.11.13; Bund, 25.11.13).
Mit 65,4% Ja-Stimmen auf deutliche Zustimmung stiess darüber hinaus eine Tessiner Volksinitiative zum Vermummungsverbot im öffentlichen Raum (vgl. Teil I, 1b). Ob Burka- und Niqabträgerinnen im Tessin in Zukunft tatsächlich das Tragen der Kopfbedeckung verboten werden darf, entscheidet sich, sobald die Bundesversammlung über die Gewährleistung der kantonalen Verfassungsbestimmungen entscheidet. Umstritten ist ebenfalls die noch ausstehende Gewährleistung der durch Annahme der Einbürgerungs-Initiative bedingten Änderung der Berner Kantonsverfassung (siehe oben und Teil I, 1d). Der staatsrätliche Gegenvorschlag zur Tessiner Initiative, welcher ähnliche Bestimmungen in das kantonale Gesetz zur öffentlichen Ordnung integrieren und somit zusätzlich die Sicherheit an öffentlichen Veranstaltungen hochhalten wollte, stiess beim Volk ebenfalls auf deutliche Zustimmung (59,8%), scheiterte jedoch an der Stichfrage (BaZ, 27.3.13; NZZ, 16.5., 13.9., 23.9. und 24.9.13).
Im Tessin wurde mit 58.3% Nein-Stimmen ein revidierter Artikel im kantonalen Erwachsenenstrafrecht in der Referendumsabstimmung abgelehnt. Der Grosse Rat hatte beschlossen, in Ausnahmefällen Aufgaben des Aufsichtspersonals in Gefängnissen an private Sicherheitsfirmen zu delegieren. Die Bestimmung wurde wegen einer Zunahme inhaftierter ausländischer Staatsangehöriger und Asylsuchender als notwendig erachtet. Da bisweilen die regulär verfügbaren Haftplätze nicht ausreichten, wurden Inhaftierte auch ausserhalb von Gefängnissen untergebracht. Damit ging ein höherer Bedarf an Sicherheitspersonal einher, welcher nicht mit dem bestehenden Personal gedeckt werden konnte. Das Referendumskomitee sah durch die Privatisierung vor allem Probleme in Sicherheitsfragen, wollte staatliche Aufgaben nicht untergraben und führte letztlich auch arbeitsmarktliche Argumente auf (NZZ, 8.6.13; CdT, 26.8. und 17.9.13).
Als zweitletzter Kanton beschloss Zug, die lokalen und kantonalen Exekutivämter künftig per Majorzwahl zu vergeben (vgl. Teil I, 1e). Die von der CVP und FDP des Kantons Zug lancierte Verfassungsinitiative „Ja zu Personenwahlen“ wurde von der kantonalen Stimmbevölkerung im September nach umkämpfter Kampagne mit 62,8% Zustimmung unerwartet deutlich angenommen. Sowohl Regierung als auch Parlament hatten das Anliegen der Mitte-Parteien im Vorfeld der Abstimmung mehrheitlich unterstützt. Neben CVP und FDP fasste auch die GLP die Ja-Parole. SVP, SP und ALG stellten sich gegen das Anliegen. Während die Befürworter mit notwendiger Modernisierung und erhöhter Transparenz argumentierten, warfen die Gegner den Mitteparteien vor, man erhoffe sich vom Anliegen in erster Linie die Stabilisierung oder gar Erhöhung der eigenen Wähleranteile. Darüber hinaus führe Majorz zum Ausschluss grosser Minderheiten und zur „Amerikanisierung“ der Zuger Politik: Geld würde im Wahlkampf eine gewichtigere Rolle spielen und eine politische Kultur der Konfrontation und Opposition im Parlament würde verstärkt. Die Befürworter des Majorz hingegen waren der Ansicht, die Mehrheitswahl begünstige die Wahl von leistungsfähigen und starken Persönlichkeiten – unabhängig von ihrer parteipolitischen Orientierung, was auch der zunehmend partei-ungebundenen Wählerschaft entspreche (ZGZ, 4.5., 11.5., 13.5., 14.5. und 10.6.13).
Mit 46,9% Ja-Stimmen beerdigte die Urner Stimmbevölkerung im September ein dem obligatorischen Referendum unterstelltes Gesetz über die Gemeindefusion im Kanton Uri. Ja sagten die Urnerinnen und Urner hingegen zu einer entsprechenden Anpassung der Kantonsverfassung. Dort werden die bestehenden Gemeinden neu nicht mehr namentlich aufgeführt, womit künftige Gemeindefusionen ohne Verfassungsänderung und demzufolge ohne zwingende Volksabstimmung vollzogen werden können. Das Gesetz hätte die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen schaffen wollen, um Gemeindefusionen im Kanton zu erleichtern und zu fördern. Ein dem Gesetz beigelegter Fusionsplan hätte eine gezielte Reduktion der bis anhin 20 Gemeinden auf 5 finanziell ähnlich starke Gemeinden vorgesehen. Die SVP stellte sich als einzige Partei gegen das Gesetz und warnte vor Zentralismus, der Entmündigung und Benachteiligung insbesondere von kleineren Gemeinden sowie vor unklaren Auswirkungen für den Finanz- und Lastenausgleich. Darüber hinaus seien die geplanten finanziellen Anreize zur Fusion in der Höhe von insgesamt 10 Mio. CHF unnötig und überrissen, das Geld werde für andere bald anfallende Grossinvestitionen (Kantonsspital, regionales Gesamtverkehrskonzept, etc.) dringender benötigt. Auf der anderen Seite argumentierten die Befürworter erfolglos, der rasante Bevölkerungsrückgang erfordere die Fusion von Gemeinden, um deren Autonomie und Handlungsfähigkeit zu erhalten. Mit dem Fusionsplan, der flexibel anpassbar sei, würde zudem verhindert, dass sich das finanzielle Gefälle zwischen starken und schwachen Gemeinden noch weiter verstärke (URZ, 24.8., 4.9., 7.9., 23.9. und 26.9.13).
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