Année politique Suisse 2013 : / Die Gesetzgebung in den Kantonen
Infrastruktur
Mit 56,4% sprach sich die Bündner Stimmbevölkerung für eine von SP und Umweltverbänden lancierte Verfassungsinitiative „Ja zu sauberem Strom ohne Kohlekraftwerk“ aus. In der Verfassung soll ein Bekenntnis gegen Kohlekraftwerke verankert werden. Die Initianten wollten zudem gewährleisten, dass der Kanton im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür sorgt, dass kein Unternehmen, an denen sich der Kanton beteiligt, Investitionen in Kohlekraft tätigt. Das relativ allgemein formulierte Begehren zielte offensichtlich gegen die in Planung stehenden Kohlekraftwerksinvestitionen, die der Energiekonzern Repower unter anderem im italienischen Saline Joniche tätigen wollte. Der von Regierung und Parlament vorgelegte Gegenentwurf, der zukünftige Investitionen in Kohlekraft nur dann gänzlich verbieten wollte, wenn der CO2-Ausstoss gegenüber dem heutigen Stand der Technik nicht wesentlich reduziert werden konnte, stiess in der Abstimmung auf noch deutlichere Zustimmung (60,4%). Die Stichfrage fiel jedoch mit 24 659 zu 24 522 Stimmen auch nach Nachzählung äusserst knapp zugunsten des Volksanliegens aus. Ende November präsentierte der Regierungsrat in seiner Eignerstrategie die Erwartungen an Repower, nämlich den geordneten und verbindlichen Ausstieg aus dem Kohlekraftwerkprojekt Saline Joniche. Repower gab daraufhin seinen Ausstieg aus dem Projekt bis spätestens Ende 2015 bekannt (NZZ, 8.2.13; SoS, 12.2., 3.8., 10.8., 22.8., 23.9., 29.11. und 17.12.13).
Um gegen die vom Regierungsrat vorgesehene 6,5%-ige Erhöhung der Tarife für den öffentlichen Verkehr vorzugehen, hatte der Verein Avivo (Association de défense et de détente de tous les retraité(e)s et des futur(e)s retraité(e)s) eine Gesetzesinitiative lanciert, mit welcher der Genfer Regierung die Kompetenz zur Tariferhöhung abgesprochen werden soll. Laut diesen Bestimmungen soll das Parlament künftig über Tarife des öffentlichen Verkehrs beschliessen, womit die Beschlüsse dem fakultativen Referendum unterstehen würden. Gleichzeitig verbanden die Initianten mit ihrem Anliegen eigene, konkrete Tarifbestimmungen mit reduzierten Preisen für IV-Bezüger, Rentner und Junioren bis zu ihrer Volljährigkeit. Im Parlament stiess das Volksanliegen auf keinen einzigen Befürworter. Den 75 Nein-Stimmen standen lediglich 13 Enthaltungen gegenüber. Die Behörden vertraten die Ansicht, die vorgeschlagenen Tarifreduktionen benachteiligten verschiedene Personengruppen, darunter junge Erwachsene und Besitzer eines Halbtax-Abonnements. Des Weiteren sei es dem Parlament bereits zum aktuellen Zeitpunkt möglich, in die Tarifpolitik der Regierung einzugreifen, was dieses kürzlich auch getan hätte. Die Behörden warnten ebenfalls vor einer Verschlechterung der Situation für Reisende von ausserhalb, da die von der Initiative vorgeschlagenen Alterskategorien von den in der übrigen Schweiz geltenden Bestimmungen abweichen würden. Darüber hinaus würde die Initiative beim Kanton jährlich Mindereinnahmen von mindestens CHF 24 Mio. verursachen, was den jährlichen Betriebskosten der TPG-Linien 3, 7 und 28 entspreche. Die Mehrheit der Bevölkerung entschied anders: Im März legten 55,8% der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ein Ja in die Urne. Unter den Parteien fand das Volksanliegen Unterstützung bei PST-POP und MCG. Noch im selben Monat jedoch annullierte der Genfer Gerichtshof die Abstimmung aufgrund einer Einsprache der Piratenpartei. Diese hatte zu Recht beanstandet, dass der dem Volk zur Abstimmung unterbreitete Initiativtext nicht identisch gewesen sei mit dem Text auf dem Unterschriftenbogen. Im Folgenden gelangte Avivo an das Bundesgericht, welches den Genfer Gerichtsentscheid im November stützte. Die Volksabstimmung muss somit wiederholt werden (TG, 30.1., 31.1., 11.2., 16.2., 1.3. und 4.3.13; LT, 30.3.13; Bundesgerichtsentscheid (BGer 1C_457/2013) vom 26.11.13).
Aufgrund eines Bundesratsbeschlusses aus dem Jahre 1997, der die Kantone verpflichtet, Kriegsflugplätze im Alpenraum zu liquidieren, beschloss der Obwaldner Kantonsrat einen Kredit für den Kauf militärischer Liegenschaften auf dem Flugplatz Kägiswil (Obwalden) und dem angrenzenden, ehemaligen Nach- und Rückschublager. Die so erworbenen Parzellen sollten zum einen der Renaturierung und darauffolgenden Weiterveräusserung an die Landwirte dienen, um so den Kulturlandverlust aufgrund des Hochwasserschutzes bei der Sarneraa zu kompensieren. Zum anderen sollten sie zur Einrichtung des zentralen Logistikzentrums des Zivilschutzes genutzt werden. Ein Bürgerkomitee bestehend aus Privatpiloten ergriff gegen diesen Beschluss erfolgreich das Finanzreferendum, um damit den Flugplatz zu erhalten. Mit 37,6% Ja-Stimmen zum Kreditbeschluss stellte sich die Obwaldner Bevölkerung überaus deutlich hinter das Bürgerkomitee. Nach der Abstimmung setzte sich die Regierung mit den zuständigen Stellen auf allen föderalen Ebenen sowie mit den Flugplatzbetreibern zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Abstimmungsgewinner streben eine Aufnahme des Flugplatzes in den Sachplan Infrastruktur des Bundes (SIL) an, womit der Flugplatz dauerhaft weiterbetrieben werden könnte. Getrübt wurde der Abstimmungserfolg im Sommer durch die Serie von drei Flugzeugunfällen (OWZ, 14.1., 6.2., 20.2., 22.2, 23.2., 4.3. und 25.9.13; LZ, 4.3. und 25.9.13).
Mit 60,3% Ja-Stimmen stützte die Baselbieter Stimmbevölkerung im März die nichtformulierte Volksinitiative „Ja zu Wildenstein und Schloss Bottmingen“. SVP, FDP, CVP und SP unterstützten das Volksanliegen; die letzten drei Parteien stellten sich damit gegen ihre Fraktionsmehrheiten im Landrat. Mit ihrem Entscheid forderten die Stimmberechtigten den dauerhaften Erhalt der Kulturgüter durch den Kanton und stellten sich gegen eine mögliche Aufteilung von Hofgut und Schloss Wildenstein. Ein breit abgestütztes Komitee hatte das Volksbegehren lanciert, nachdem unklare Formulierungen im Rahmen der Debatte zum Entlastungspaket 12/15 Befürchtungen zuliessen, der Kanton wolle die Güter veräussern. Regierung und Parlament stellten dem Volksanliegen einen Gegenvorschlag gegenüber, welcher das Einbringen der Schlösser in Trägerschaften erlaubt, eine Veräusserung der Schlösser jedoch verhindert hätte. Für Wildenstein wurde eine Lösung in Zusammenarbeit mit der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BKLB) und der Christof Merian Stiftung bereits in Aussicht gestellt, die jedoch die Aufteilung von Hofgut und Schloss Wildenstein sowie den Verkauf des Hofgutes bedingt hätte. Nach Annahme der Volksinitiative und äusserst knapper Ablehnung des Gegenvorschlags (49,9%) liess das Initiativkomitee verlauten, das nichtformulierte Anliegen lasse sich so umsetzen, dass einem Engagement der BKLB in Form einer Stiftung nichts entgegenstehen würde. Die BKLB zog ihr Angebot jedoch zurück (BaZ, 12.1., 30.1.13; BLZ, 8.2.13; BLZ und BaZ, 4.3.13; BLZ, 7.3.13; BaZ, 27.4.13; BLZ, 18.9., 13.12. und 14.12.13).
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