Année politique Suisse 2013 : Grundlagen der Staatsordnung / Föderativer Aufbau / Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
Der neue
Nationale
Finanzausgleich (NFA), in Kraft seit 2007, gilt als wichtiges Instrument für einen funktionierenden Föderalismus. Er setzt sich zusammen aus dem Ressourcenausgleich, dem Lastenausgleich und dem Härteausgleich. Die Anfang Juli präsentierten provisorischen Zahlen für 2014, die Ende Oktober offizialisiert wurden, zeigten keine Veränderungen hinsichtlich der Namen der Geber- und Nehmerkantone. Wie schon im Berichtjahr werden die Kantone Zürich, Zug, Genf, Schwyz, Basel-Stadt, Waadt, Nidwalden, Basel-Landschaft und Schaffhausen mehr in den Finanzausgleich einzahlen, als dass sie daraus erhalten. Der Kanton Zürich wird mit CHF 367 Mio. rund 16 Mio. weniger bezahlen müssen als 2013. Pro Kopf bezahlt allerdings der Kanton Zug mit CHF 2 500 auch 2014 wieder am meisten. Die 17 restlichen Kantone wurden erneut als Nettoempfänger ausgewiesen, wobei der Kanton Bern mit CHF 1,23 Mrd. den höchsten Beitrag erhalten wird, rund CHF 68 Mio. mehr als 2013. Relativ zur Bevölkerungszahl erhalten 2014 allerdings die Kantone Uri, Jura, Glarus, Wallis und Freiburg noch mehr Geld als der Kanton Bern. Weil sich die Unterschiede zwischen den Nettozahlern und den Nettoempfängern in den letzten Jahren leicht akzentuiert hatten, monierten die Geberkantone auch 2013 das System. Die schwierige budgetäre Situation – praktisch alle Kantone mussten Defizite von insgesamt rund CHF 765 Mio. budgetieren – befeuerte die Debatte zusätzlich. Neu war, dass sich die Geberkantone unter der Führung der Zürcher Finanzdirektorin Ursula Gut (fdp) in ihrem Protest zu koordinieren begannen. Sie kritisierten die Nehmerkantone teilweise harsch, betonten, dass sie mit ihrer Solidarität langsam am Ende seien, reichten ein Manifest mit sechs zentralen Forderungen für nötige Reformen ein und schalteten eine Webseite unter dem Titel „fairer NFA“ auf. Verlangt wurde unter anderem die Abschaffung der Solidarhaftung oder die Einrichtung einer neutralen Zone bzw. die Hilfe für lediglich sehr schwache Kantone. Zusätzlichen Zündstoff erhielt die Diskussion durch die Debatte über die falsch bezahlten Krankenkassenprämien (vgl. Kapitel 7c). So drohte etwa der Kanton Genf – Nettozahler und Kanton mit zu viel bezahlten Krankenkassenprämien – offen mit einem Boykott des NFA, falls die Prämien nicht zurückerstattet würden. Vor der Diskussion um die Transferzahlungen trat jedoch häufig in den Hintergrund, dass der Hauptzahler im Finanzausgleich der Bund selber ist. Mit CHF 3,2 Mrd. kommt er für rund zwei Drittel der Zahlungen auf. Am Horizont zeichnete sich zudem die aufgrund des Drucks aus der EU mutmassliche Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien für Spezialgesellschaften ab, was voraussichtlich zu neuen Kompensationen im Finanzausgleich führen wird (vgl. auch die Diskussion zur Unternehmenssteuerreform III im Kapitel 5)
[8].
Auch 2013 gab es wie bereits in den Vorjahren einige Vorstösse, die auf eine
Änderung der Organisation des Finanzausgleichs zielten. Die im Vorjahr vom Ständerat abgelehnte Schwyzer Standesinitiative wurde 2013 vom Nationalrat sistiert, bis der für Frühling 2014 erwartete zweite Wirksamkeitsbericht zum NFA vorliegt. Der Schwyzer Vorschlag sieht eine neutrale Zone vor: Ressourcenschwache, aber über genügend Eigenmittel verfügende Kantone, sollten keine Gelder erhalten. Für die Interessen der Geberkantone und vor allem für eine verbesserte Wirksamkeit des NFA will sich auch eine Ende 2013 eingereichte Standesinitiative des Kantons Nidwalden einsetzen. Eine noch nicht behandelte Motion Pezzatti (fdp, ZG) verlangt Mindestanforderungen für den Erhalt von NFA-Geldern und den Zwang der Empfängerkantone zu einem rigideren Finanzhaushalt. Der Bundesrat empfiehlt die Motion zur Ablehnung. Der NFA könne nur funktionieren, wenn die Mittel ohne Zweckbindung ausgerichtet würden. Die kantonale Finanzpolitik müsse autonom bleiben. Zwei bereits 2011 eingereichte Motionen Carobbio (sp, TI) und Fluri (fdp, SO) wurden im Berichtsjahr abgeschrieben. Erstere hätte eine progressive Gestaltung der Ausgleichsbeiträge der ressourcenstarken Kantone verlangt während zweitere die Städte in die Evaluation des NFA einbeziehen wollte. Zwei Ende 2012 bzw. im März 2013 eingereichte Motionen Gössi (fdp, SZ) und Aeschi (svp, ZG), die unter anderem eine Neuberechnung des Ressourcenindex unter Berücksichtigung der tatsächlichen Ressourcenstärke (z.B. unter Berücksichtigung von Einnahmequellen, Bundessubventionen und Lebenskosten) verlangen, wurden 2013 hingegen noch nicht behandelt. Ende Jahr räumte der Bund Fehlanreize beim NFA ein, die mit dem neuen Wirksamkeitsbericht im Frühjahr 2014 erörtert werden würden. Geprüft werde insbesondere die Solidarhaftung
[9].
Mitte Mai wurde der Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin (cvp) als Nachfolger von Christian Wanner (SO, fdp) zum Präsidenten der
Finanzdirektorenkonferenz (FDK) gewählt. Mit Hegglin steht neu ein Vertreter eines reichen NFA-Geberkantons an der Spitze des Gremiums. Er wolle sich für einen fairen Finanzausgleich einsetzen, gab Hegglin zu Protokoll. Der Zuger Magistrat war 2012 als starker Kritiker des grössten Empfängerkantons Bern aufgefallen: Die Angestellten gingen im Hauptstadtkanton mit 63 in Pension, was die anderen Kantone berappen müssten. Der vielfach kritisierte Kanton Bern selber verwies auf den Umstand, dass er zwar in absoluten Zahlen am meisten vom NFA profitiere, pro Kopf aber nur an sechster Stelle liege (siehe oben). Zudem lud die Finanzdirektorin des Kantons Bern, Beatrice Simon (bdp), die Finanzdirektoren zweier potenter Geberkantone – Peter Hegglin (ZG) und Kaspar Michel (SZ) – nach Bern ein, um sie für die Strukturprobleme des Hauptstadtkantons zu sensibilisieren
[10].
Die eidgenössische Finanzverwaltung erstellte auf Anfrage der NZZ am Sonntag eine Liste, die Aufschluss über die von den Kantonen erhaltenen
Subventionen gab und eine interessante Ergänzung zur Diskussion rund um den Finanzausgleich bot. Rund CHF 35 Mrd. schüttete die öffentliche Hand im Jahr 2012 an die Kantone aus, etwa für Strassen, Universitäten, Landwirtschaftsbetriebe oder Lawinenverbauungen. Als grösster Nutzniesser zeigte sich dabei der Kanton Graubünden, in den im Jahr 2011 pro Kopf CHF 3 183 flossen. Auf den Plätzen zwei und drei folgten die Kantone Uri (CHF 2 659 pro Kopf) und Jura (CHF 2 562 pro Kopf). Relativ gesehen am wenigsten Subventionen erhielten die Kantone Aargau (CHF 817 pro Kopf) und Basel-Landschaft (CHF 908 pro Kopf)
[11].
[8]
NZZ, 17.1. und 18.1.13;
NLZ, 26.1.13; Presse vom 3.7.13;
LT, 2.9.13;
NZZ, 9.10.13; Presse vom 31.10.13;
NZZ, 14.11.13;
SGT, 20.12.13.
[9] St.Iv. 11.320 (Schwyz):
AB NR, 2013, S. 1740; Mo 13.3170 (Pezzatti); Mo. 11.3262 (Carobbio); Mo. 11.3504 (Fluri); Mo.12.3890 (Gössi); Mo. 13.3095 (Aeschi ); vgl.
SPJ 2012, S. 74;
SGT, 23.3.13;
NZZ, 23.4.13;
NLZ, 15.5.13;
NZZ, 17.5.13;
NLZ, 25.5.13;
NZZ, 19.12.13;
LZ, 27.12.13;
SGT und
LZ, 28.12.13.
[10]
TA, 23.3.13;
NLZ, 15.5.13;
NZZ, 17.5.13; Presse vom 25.5.13; NZZ, 4.7.13; AZ, 5.7.13.
[11]
NZZS, 1.12.13; Presse vom 2.12.13;
BaZ, 3.12.13;
SN, 19.12.13.
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