Année politique Suisse 2013 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Wahlen in kantonale Regierungen
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Appenzell Innerrhoden
Nach 29 Jahren im Amt trat Carlo Schmid (cvp) als Landammann zurück. Schmid war bereits 1980 in den Ständerat gewählt worden und hatte von 1984 bis 2007 das Doppelmandat aus kantonalem Regierungspräsident und Kantonsvertreter inne gehabt. Von 1992 bis 1994 präsidierte er zudem die CVP Schweiz. Die Landsgemeinde hatte Ende April die Aufgabe, einen neuen regierenden Landammann zu bestimmen und einen Nachfolger für Carlo Schmid als Erziehungsdirektor zu wählen. Üblicherweise wechseln sich im Kanton Appenzell Innerrhoden die Vorsteher des Erziehungsdepartements und des Volkswirtschaftsdepartements als regierender und stillstehender Landammann ab. Allerdings war offen, ob der aktuell stillstehende Landammann Daniel Fässler, momentan Innerrhoder Ständerat, regierender Landammann werden sollte. Möglich wäre auch, dass der neu gewählte Kandidat gleich als regierender Landammann eingesetzt wird. Zwei Kandidaten stellten sich der Wahl in die Exekutivbehörde: Der amtierende Grossratspräsident Josef Schmid wurde von der CVP und dem kantonalen Bauernverband portiert. Auch die SVP unterstützte Schmid. Roland Inauen, Kurator des Museums Appenzell, Leiter des kantonalen Kulturamtes und Kantonsgerichtspräsident wurde von der Arbeitnehmervereinigung Appenzell vorgeschlagen und von der Gruppe für Innerrhoden (GFI) unterstützt. Der Abgang des politischen Urgesteins Schmid wurde von einigem, für Innerrhoder Verhältnisse eher seltenen politischen Wirbel überschattet, der unter anderem die Machtfülle in der politischen Elite des Kantons zum Inhalt hatte. Die Standeskommission – die Regierung des Kantons Appenzell Innerrhoden – und allen voran der regierende Landammann Schmid sowie sein Stellvertreter, der Stillstehende Landammann Daniel Fässler, wurden vom ehemaligen, 2010 zurückgetretene Säckelmeister (Finanzminister) Sepp Moser hart angegriffen. Moser warf dem Gremium Günstlingswirtschaft, Kompetenzüberschreitung, Intransparenz und Geheimnistuerei vor. Wichtige Entscheide würden vom Landammann im Alleingang ohne Kontrolle von aussen gefällt. Der Landammann habe eine fast absolutistische Machtfülle. Moser forderte eine Erneuerung der Strukturen und schlug als möglichen Schritt in einer Einzelinitiative eine Amtszeitbeschränkung auf zwölf Jahre vor. Innerhalb des Kantons schien die Aufregung allerdings bedeutend kleiner, als dies in den ausserkantonalen Medien dargestellt wurde. Einzig die im Kanton Appenzell Innerrhoden schwache SP forderte eine Abwahl Fässlers und forderte in einer Resolution eine Aufarbeitung der Vorwürfe von Moser. In allen anderen Gruppierungen und Parteien war Fässler jedoch unbestritten. Die Initiative von alt-Säckelmeister Moser für eine Amtszeitbeschränkung fand neben der SP nur noch bei der GFI Gehör, fand im Berichtsjahr aber keine Mehrheit.
Die Landsgemeinde am 28. April hatte keine Lust auf Veränderungen. Trotz angekratztem Image wurde als regierender Landammann Daniel Fässler gewählt. Die beiden neuen Kandidaten konnten lediglich vereinzelte Stimmen auf sich vereinen, was nicht überraschend war, wurde doch an einer Landsgemeinde noch nie ein amtierender Regierungsrat abgewählt. Auch die weiteren fünf Mitglieder der Standeskommission wurden bestätigt. Wesentlich knapper war das Resultat für den freien Regierungssitz. Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schmid und Inauen musste schliesslich ausgezählt werden. Das rund dreiviertelstündige Prozedere, bei dem alle Stimmberechtigten den Ring über einen von zwei Ausgängen verlassen müssen, brachte schliesslich einen hauchdünnen Vorsprung von 33 Stimmen (bei total 3919 Stimmen) für Roland Inauen, der damit stillstehender Landammann wurde, sein Amt als Gerichtspräsident jedoch abgeben musste. Keine Chance hatte die Initiative Moser, die mit grosser Mehrheit abgelehnt wurde. In einem Ende Juni veröffentlichten Untersuchungsbericht des Grossen Rates wurde ein eigentlicher Schlussstrich unter die Affäre Moser gezogen. Die mit den Vorfällen betraute Kommission konnte keine erheblichen Mängel am politischen System Innerrhodens feststellen. Man müsse nun wieder Vertrauen und allenfalls eine verbesserte Gesprächskultur schaffen [9].
 
[9] SGT, 13.3.13; NZZ, 26.3 und 27.3.13; APZ, 4.4., 19.4. und 22.4.13; NZZ, 23.4. und 25.4.13; SGT, 25.4.13; APZ, 27.4.13; APZ und SGT, 29.4.13; NZZ, 25.6.13.