Année politique Suisse 2013 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Ersatzwahlen
Die Tessiner Regierung war im Berichtjahr gleich zwei Mal aufgrund von Personalwechseln bei der Lega im Fokus der Presse. Weil der Tessiner Staatsrat im Proporzverfahren gewählt wird, finden beim Ausscheiden von amtierenden Exekutivmitgliedern keine Ersatzwahlen statt. Es gilt stattdessen das Prinzip des Nachrückens. Im Frühjahr 2011 hatte die Lega einen zweiten Staatsratssitz erobert. Seither setzte sich die Tessiner Regierung aus 2 Lega-Vertretern und je einem FDP-, CVP- und SP-Mitglied zusammen. Weil im Berichtsjahr der bereits seit 1995 amtierende Lega-Regierungsrat Marco Borradori im April zum Stadtpräsidenten von Lugano gewählt wurde (siehe unten), rückte der Grossrat Michele Barra nach. Barras Amtsantritt lasteten jedoch Makel an. Auf der einen Seite war er lediglich der dritte Ersatzmann, weil Nationalrat Lorenzo Quadri aufgrund des ebenfalls im April eroberten Exekutivsitzes in Lugano verzichtete (siehe unten) und der zweite Ersatzmann und Lega-Präsident Giuliano Bignasca verstorben war (siehe unten und Kapitel IIIa). Auf der anderen Seite war Barra kurz vor Amtsantritt von der Polizei mit zu viel Alkohol am Steuer erwischt worden, was sogar innerhalb der Lega zu Diskussionen geführt hatte. Barra nahm das Amt jedoch an und wurde – nach einer öffentlichen Entschuldigung und trotz Rücktrittsforderungen der Linken – von den bürgerlichen Parteien wohlwollend aufgenommen. Letztlich müsse Barra an seinen künftigen Taten gemessen werden. Solche zu zeigen, blieb Barra allerdings verwehrt. Eine angebliche Erpressung im Rotlichtmilieu sowie eine Chemotherapie aufgrund eines Lungenkrebses setzten ihm stark zu. Er verstarb am 20. Oktober. Die Lega musste also erneut einen Ersatzmann stellen. Allerdings fand sich nun niemand mehr auf der Fünfer-Regierungsliste der Lega, der nachrutschen hätte können. Das Gesetz sieht vor, dass keine Neuwahlen stattfinden, sondern dass die jeweilige Partei ein Parteimitglied auf den Sitz hieven darf. Damit kam es im Kanton Tessin zur eigenartigen Situation, dass ein Exekutivmitglied bestimmt wurde, dass nicht einmal indirekt vom Volk gewählt war. Die Lega entschied sich für Claudio Zali, den ehemaligen Präsidenten des Tessiner Strafgerichts und Leghisten der ersten Stunde, der als amtierender Strafrichter sozusagen die Gewalten wechselte. Ob Zali im Amt legitimiert werden wird, wird sich erst bei den nächsten kantonalen Erneuerungswahlen im April 2015 weisen
[17].