Année politique Suisse 2013 : Wirtschaft / Landwirtschaft / Tierische Produktion
Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) folgte Ende April einem Entscheid der EU und suspendierte die Bewilligung dreier Pflanzenschutzmittel, welche laut diversen Studien einen gesundheitsschädigenden Effekt auf Bienen haben können. Bei den sogenannten
Neonicotinoiden handelt es sich um synthetisch hergestellte Produkte des Schweizer Agrokonzerns Syngenta und des deutschen Pharmaproduzenten Bayer, die zum Beizen von Saatgut verwendet werden und als Nervengift wirken. Laut Peter Neumann, Experte für Bienengesundheit an der Universität Bern, gebe es starke Hinweise dafür, dass bereits kleinste Mengen bei Wildbienen eine reduzierte Fruchtbarkeit und bei Honigbienen eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit verursachen können. Der Bewilligungsstopp soll zwei Jahre lang gelten, damit die Forschung Zeit hat, um die tatsächlichen Wirkungen zu untersuchen und allfällige Massnahmen zu treffen
[20].
In der Sommersession überwiesen
die Räte zwei Motionen an den Bundesrat, welche den Schutz der Bienen weiter vorantreiben sollen. Die Motion der WBK-NR verlangt die Entwicklung eines nachhaltigen Umgangs mit Pflanzenschutzmitteln: In Zusammenarbeit mit betroffenen Akteuren wie z.B. dem BLW, dem Schweizerischen Bauernverband (SBV), Imkerverbänden oder Forschungsstellen soll bis 2023 der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wesentlich reduziert werden. Im Nationalrat beantragte eine Minderheit Pieren (svp, BE) die Ablehnung der Motion: Man anerkannte zwar die Wichtigkeit von Bienen für das Ökosystem, wies aber auf diverse Studien – darunter auch auf einen Prüfbericht des Bundes von 2012 – hin, welche keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und dem Bienensterben nachweisen konnten. Der Landwirtschaft würde durch eine Reduktion oder gar ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln massiv geschadet. Die Motion wurde dennoch deutlich angenommen: Lediglich eine knappe Mehrheit der SVP-Fraktion sowie die Hälfte der FDP-Fraktion unterstützten die Kommissionsminderheit. Im Ständerat war das Anliegen unbestritten. Die zweite Motion, eingereicht von der UREK-NR, beauftragt den Bundesrat mit dem Vorantreiben der Forschungsarbeiten zur Gesundheit der Bienen. Unter Berücksichtigung bereits bestehender Instrumente soll ein nationaler Massnahmenplan erarbeitet werden mit dem Ziel, bis 2015 die Forschung zu den Ursachen des Bienensterbens zu intensivieren und darauf aufbauend Strategien und Massnahmen dagegen zu entwickeln. Die Motion stiess auf keinerlei Widerstand in den beiden Kammern
[21].
In den Medien waren das Bienensterben und dessen mögliche Ursachen ebenfalls intensiv diskutierte Themen: Die grossen Schweizer Tageszeitungen begleiteten das Entstehen des Neonicotinoid-Verbots in der EU und der Schweiz mit Einschätzungen und Stellungnahmen sowohl von Seiten der betroffenen Konzerne als auch von Seiten der Imker- und Naturschutzverbände. Während Letztere die Verbote als Etappensiege auf dem Weg hin zu einem generell reduzierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln feierten (siehe oben), betonten Syngenta und Bayer vergeblich die Uneinigkeit unter Forschern zu den Wirkungen von Pestiziden auf das Bienensterben. Auch in der Gesellschaft breitete sich die Sorge um den Fortbestand der Bienen aus, wie ein Bericht des Tages-Anzeigers im Juni verdeutlichte: In der deutschen und rätoromanischen Schweiz besuchten 900 Personen Imkerkurse. Dies stelle gegenüber anderen Jahren beinahe eine Verdoppelung der Teilnehmenden dar. Prinzipiell sei dies zwar ein positiver Trend, da sich ein Grossteil der aktiven Imker bereits im Pensionsalter befände. Experten mahnten dennoch zur Vorsicht: Es sei nicht klar, wie nachhaltig dieses plötzliche Interesse an der Imkerei sei; man müsse damit rechnen, dass aufgrund des hohen Aufwands viele Privatpersonen nach kurzer Zeit wieder aufgeben würden. Ausserdem entstünden durch diesen Trend weitere Gefahren: Neue Imker meldeten ihre Völker selten bei den lokalen Bienenzüchtervereinen an, was es schwierig mache, im Falle eines Krankheitsausbruchs die Verbreitung zu unterbinden. Da die Mehrheit der Neueinsteigenden in städtischen Gebieten lebten, sei die Population von Bienen in diesen Gegenden ausserdem zu hoch, was wiederum die Anfälligkeit für Krankheiten begünstige. Zum prämierten Schweizer Dokumentarfilm „More Than Honey“ siehe unten, Teil I, 8b (Kulturpolitik)
[22].
[20]
AZ, 6.2. und 7.2.13;
NZZ, 30.4.13.
[21] Mo. 13.3367 und Mo. 13.3372:
AB NR, 2013, S. 1063 ff.;
AB SR, 2013, S. 876 f., 947; vgl.
SPJ 2012, S. 197.
[22]
AZ, 6.2. und 7.2.13; Presse vom 30.4.13;
SGT, 22.5.13;
LT und
NZZ, 11.6.13;
TA, 18.6.13; Presse vom 20.6.13;
SoZ, 30.6.13.
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