Année politique Suisse 2013 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Luftfahrt
Am 9. Oktober des Berichtjahres richtete der Bundesrat seine Botschaft zur Genehmigung des
Übereinkommens über die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen mit Bezug auf die internationale Zivilluftfahrt sowie des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen an die Bundesversammlung. Das internationale Abkommen, welches das internationale Strafrechtsregime an die heutigen Sicherheitsbedürfnisse der Zivilluftfahrt anpassen will, um insbesondere zur Terrorismusprävention und -bekämpfung neue Mittel zur Verfügung zu stellen, wurde bereits 2010 in Beijing verabschiedet. Das Abkommen ist mit dem geltenden Schweizer Recht vereinbar und bedingt keine Änderung von geltenden Gesetzen. Der Bundesrat beantragte der Bundesversammlung, dem Abkommen zuzustimmen. Der Nationalrat entscheidet in der Frühlingssession 2014 darüber
[34].
Die Fluggesellschaft
Swiss verbuchte ein weiteres Rekordjahr: Sie beförderte mit fast 16 Mio. Passagieren 2013 mehr Reisende als je zuvor. Nachdem der Gewinn der Swiss im Vorjahr um 31% eingebrochen war, konnte er 2013 wieder um 24% gesteigert werden
[35].
Der im September des Vorjahres unterzeichnete Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz zur Beilegung des langjährigen
deutsch-schweizerischen Fluglärmstreits wurde im Berichtjahr von beiden Parlamentskammern diskutiert und angenommen. Der Vertrag limitiert mit einer Sperrzeit von 18 bis 6.30 Uhr die Nordanflüge zum Flughafen Zürich, lässt aber den gekrümmten Nordanflug über Schweizer Gebiet zu und sorgt für Rechtssicherheit, was für die weitere Entwicklung des Flughafens von grosser Bedeutung ist. In Deutschland wurde die Ratifikation des Vertrags 2012 ausgesetzt, die Schweiz lehnte geforderte Nachverhandlungen aber kategorisch ab. Bei einem Besuch in Bern Ende Februar erklärte Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, dem Abkommen in seiner derzeitigen Form könne von deutscher Seite nicht zugestimmt werden. Grund dafür war die unterschiedliche Auslegung des Vertrags: Während die Süddeutschen davon ausgingen, dass der Vertrag jährlich noch maximal 85 000 Anflüge über deutsches Gebiet zulasse, nannte der Bundesrat die Zahl von bis zu 110 000 Anflügen. Kretschmann betonte, dass eine rasche einseitige Ratifizierung seitens der Schweiz das Problem nicht löse. Als Erstrat debattierte der Ständerat am 7. März über den Vertrag. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) des Ständerates empfahl den Vertrag einstimmig zur Ratifizierung, er sei wichtig für die Rechtssicherheit und damit für die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens, der Volkswirtschaft der Region und des ganzen Landes. Eine Ablehnung des Vertrages enthalte zudem das Risiko, dass Deutschland einseitig wesentlich restriktivere Regelungen verfüge. Auch die Aussenpolitische Kommission des Ständerates empfahl die Ratifizierung einstimmig mit dem Ziel, einen langen Streit mit dem Nachbarland beizulegen. Bei den Standesvertretern hielt sich die Begeisterung für den Vertrag in engen Grenzen. Es wurde in den Voten klar ausgedrückt, dass der Vertrag ein saurer Apfel sei, in den man beissen müsse, um noch restriktivere Regelungen zu verhindern. Einige Votanten beschwerten sich über Erpressung, nannten den Vertrag einen Knebelvertrag oder wiesen darauf hin, dass eine Schonung gerade des dünnstbesiedelten Gebietes rund um den Flughafen absurd sei. Trotzdem wurde zur Annahme des Vertrages aufgefordert. Einzig Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) stellte klar, dass sie dem Vertrag nicht zustimmen könne, solange die innerschweizerische Verteilung des Fluglärms nicht geregelt sei. Auch in anderen Voten wurde gesagt, dass die eigentliche Schwierigkeit nicht in der Ratifizierung des Vertrages liege, sondern in seiner Umsetzung, in der es darum gehen werde, die Lärmbelastung fair auf die umliegenden Gebiete zu verteilen. Der Ständerat nahm den Entwurf mit 40 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Gleichentags wurde die Schweizer Klage gegen die einseitigen Restriktionen von Deutschland vom höchsten Gericht der Europäischen Union, dem Europäischen Gerichtshofs EuGH, abgewiesen. Der Rechtsweg gegen die einseitigen Verfügungen war für die Schweiz damit ausgeschöpft. Der Nationalrat debattierte am 5. Juni über den Staatsvertrag. Während der Mehrheitsantrag Eintreten beantragte, forderte eine Minderheit Rickli (svp, ZH) die Sistierung der Vorlage, bis die offenen Fragen bezüglich Lärmverteilung innerschweizerisch geklärt seien, und eine Minderheit Hardegger (sp, ZH) forderte die Rückweisung an die Kommission verbunden mit dem Auftrag, Fragen zu Sicherheit, Lärmbelastung und SIL-Verfahren (Sachplan Infrastruktur Luftfahrt) zu klären. Nach engagierter Debatte trat der Nationalrat schliesslich auf die Vorlage ein, die Minderheitsanträge wurden gegen den grösseren Teil der Fraktionen von Grünen, SP und SVP abgelehnt. Ein Einzelantrag Walter (svp, TG) wollte in den Bundesbeschluss aufnehmen, dass der Bundesrat bei der Umsetzung des Staatsvertrages auf eine angemessene regionale Verteilung der An- und Abflüge achten müsse. Nachdem verschiedentlich darauf hingewiesen worden war, dass der Antrag formaljuristisch falsch sei, zog ihn der Antragsteller zurück. Der Nationalrat nahm den Entwurf schliesslich mit 110 zu 66 Stimmen bei 8 Enthaltungen an. Die Fraktion der Grünen stimmte einstimmig gegen den Entwurf, die Fraktion der SP lehnte grossmehrheitlich ab und von der Fraktion der SVP war eine knappe Minderheit gegen die Vorlage. In der Schlussabstimmung vom 21. Juni entschied der Ständerat einstimmig und der Nationalrat mit 106 zu 76 Stimmen bei 8 Enthaltungen zugunsten des Bundesbeschlusses über den Staatsvertrag. Die Zustimmung der Bundesversammlung zum Staatsvertrag zog empörte Reaktionen vieler betroffener Regionen und Organisationen nach sich. Es zeigte sich, dass bei einem Inkrafttreten des Vertrages äusserst zähe innerschweizerische Verhandlungen zu erwarten sind. Der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer hielt im August in seiner Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/die Grünen fest, dass es das Ziel der Bundesregierung bleibe, mit dem Staatsvertrag den langjährigen Konflikt positiv zu lösen. Noch offene Fragen könnten mit einer Protokollerklärung völkerrechtlich verbindlich geregelt werden, ohne dass der Vertrag angetastet werden müsste. Einen Zeitpunkt für die Ratifizierung des Vertrags von Deutscher Seite nannte Ramsauer aber nicht
[36].
Zwei inhaltlich praktisch identische Postulate Häberli-Koller (cvp, TG) im Ständerat und Walter (svp, TG) im Nationalrat, beide eingereicht am 12. Juni, fordern den Bundesrat auf, in einem Bericht aufzuzeigen, wie der Staatsvertrag bezüglich des Betriebs des Flughafens Zürich umgesetzt werden soll. Insbesondere die faire und angemessene Abwicklung der An- und Abflüge müsse sichergestellt werden. Begründet wurden die beiden Postulate mit der grossen Unsicherheit der Regionen darüber, wie stark sie von neuen Anflugregimes betroffen sein würden. Die Klarheit über die
Umsetzung des Staatsvertrags sei eine Notwendigkeit zur Führung einer innerschweizerischen Debatte. Der Bundesrat erklärte sich einverstanden mit dem Anliegen und beantragte die Annahme. Beide Kammern nahmen die Postulate im September des Berichtjahres an
[37].
Im Juni machte der Bundesrat seine Entscheide zum
Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) publik: Wegen des blockierten Staatsvertrags mit Deutschland etappierte die Regierung das Sachplanverfahren für den Flughafen Zürich. Die Verlängerungen der Pisten 28 und 32 wurden zwar zur Vororientierung erwähnt, aber nicht festgesetzt, obschon sie durch die Reduktion der Pistenquerungen für die Sicherheit relevant sind. Hingegen entschied der Bundesrat, dass neu Südstarts auch bei Nebel und Bise möglich seien. Die Stadt Zürich sowie verschiedene Fluglärmorganisationen rechnen mit bis zu tausend Starts pro Jahr über den Süden und bekundeten ihre Empörung darüber. Der SIL ist nicht anfechtbar, allerdings lassen sich weitere Schritte, die auf dem SIL basieren, gerichtlich anfechten
[38].
Auch zwischen Frankreich und der Schweiz entbrannte ein Flughafenstreit: Frankreich gab im Frühsommer bekannt, dass Fluggesellschaften per 1. Juli auch für Flüge ab dem Schweizer Sektor des
EuroAirports Basel-Mülhausen die innerfranzösischen Abgaben „Taxe d'aviation civile“ und „Taxe de solidarité“ entrichten müssten. Diese Nachricht stiess bei den Fluggesellschaften sowie in der Basler Regierung, im Bundesamt für Zivilluftfahrt und im Verkehrsdepartement auf Widerstand; das Vorhaben Frankreichs wurde als „unfreundlicher Akt“ bezeichnet, welcher gegen den binationalen Charakter des Flughafens und gegen den Staatsvertrag zum Flughafen verstosse. Am 21. Juni gab das Französische Transportministerium überraschend bekannt, dass es bereit sei, die Abgaben doch nicht in Kraft zu setzen
[39].
Bezüglich
Passagieraufkommen war 2013 ein Rekordjahr für die Landesflughäfen: Eine Hochrechnung bezifferte das Wachstum des Passagieraufkommens auf dem Flughafen Basel-Mülhausen auf rund 10%, jenes von Genf-Cointrin auf rund 3,9% und jenes von Zürich-Kloten noch auf rund 0,2%. 2012 hatten 24,8 Mio. Passagiere den Flughafen Zürich-Kloten frequentiert, in Genf waren es 13,9 Mio. und in Basel 5,3 Mio. Die Anzahl der Flugbewegungen wuchs wegen höherer Auslastung weniger stark an als die Passagierzahlen
[40].
[34] BRG 13.082:
BBI, 2013, S. 8543 ff.
[36] BRG 12.099:
BBI, 2013, S. 533;
AB SR, 2013, S. 61 ff., 650;
AB NR, 2013, S. 808ff., 1214;
NZZ, 23.2., 8.3. und 22.5.13;
TA, 15.8.13; vgl.
SPJ 2012, S. 242f.
[37] Po. 13.3421:
AB SR, 2013, S. 901; Po. 13.3426:
AB NR, 2013, S. 1747.
[38]
AZ, 18.6.14;
NZZ, 27.6.13.
[39]
BaZ, 14.6. und 22.6.13.
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