Année politique Suisse 2013 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Raumplanung
print
Raumplanungsgesetz (RPG)
Zwei Monate vor Abstimmungstermin eröffnete Umweltministerin Leuthard (cvp) die Kampagne zur Abstimmung zum revidierten Raumplanungsgesetz (RPG). Die Teilrevision gelangte zur Abstimmung, da der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) im Vorjahr das Referendum zu den beschlossenen Anpassungen ergriffen hatte. Von Seiten des Bundesrates hörte man zum Kampagnenauftakt ein klares Plädoyer der Umweltministerin zur Unterstützung des revidierten Raumplanungsgesetzes. Aufgrund der engen Platzverhältnisse sei es dringend nötig, haushälterischer mit der Ressource Boden umzugehen. Sollte die Teilversion des RPG abgelehnt werden, würde Pro Natura an ihrer Landschaftsinitiative festhalten. Vor den Folgen bei Annahme dieses Volksbegehrens warnte die Bundesrätin eingehend: Ein 20-jähriges Moratorium für Bauzonen würde jegliche Entwicklung behindern und darüber hinaus diejenigen Kantone bestrafen, welche bis anhin haushälterisch mit dem Boden umgegangen seien. Drei Tage später lancierten die Gegner der RPG-Teilrevision mit einem überparteilichen Komitee, das sich aus Wirtschaftsverbänden und Vertretern der CVP, FDP und SVP zusammensetzte, die Referendumskampagne. Zu den umstrittensten Änderungen des als indirekten Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative beschlossenen Raumplanungsgesetzes zählte ein Verbot der Baulandhortung, nach welchem der Umfang der Bauzonen den voraussichtlichen kantonalen Baulandbedarf der nächsten 15 Jahre nicht überschreiten darf. Die Rückzonungspflicht von überdimensionierten Bauzonen sowie die Möglichkeit zur Bauverpflichtung und die Einführung einer obligatorischen Mehrwertabgabe erachtete das Referendumskomitee als zu weit gehend. Man anerkenne einen gewissen Handlungsbedarf in der Raumplanung, akzeptiere die im Laufe der parlamentarischen Beratungen von linker Seite eingebrachten Forderungen jedoch nicht, da diese sogar über die in der Landschaftsinitiative enthaltenen Ansprüche hinaus gehen würden, liess der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) zu Beginn der Kampagne verlauten. Die Vorlage wirke sich insbesondere auf den Kanton Wallis negativ aus, wo ein Grossteil der Bevölkerung Boden besitze, sowie auf kleinere und mittlere Unternehmen, die strategische Baulandreserven verlieren würden. Darüber hinaus würden Mieterinnen und Mieter unter den Anpassungen leiden, da die Baulandverknappung und die Mehrwertabgabe die Bodenpreise in die Höhe schnellen lassen würden. Vertreter des Mieterverbandes taten dieses Argument jedoch als irreführend ab: Man habe die Auswirkungen auf Seiten der Mieter eingehend studiert und vertrete einhellig die Meinung, dass mit den Anpassungen das verdichtete Bauen gefördert werde, was aus Mietersicht positiv sei. Unterstützt wurde dieses Argument von der UVEK-Vorsteherin, welche verkündete, dass die Preise auf dem Wohnungsmarkt aufgrund der Wohnraumverdichtung sogar sinken könnten. Darüber hinaus regte sich an der Medienkonferenz des gegnerischen Komitees Widerstand von Seiten des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE): Die Gegner der Revision würden mit Quellenverweis auf das ARE mit veralteten und zum Teil manipulierten Zahlen operieren und den Umfang der nötigen Rückzonungen weit dramatischer darstellen, als dies tatsächlich der Fall sei. Über diese unerwünschte Störung der eigenen Pressekonferenz entsetzten sich die Gegner der Abstimmungsvorlage in einem Brief an die zuständige Bundesrätin. Der Sprecher des ARE rechtfertigte die spontane Reaktion eines Mitarbeiters damit, dass man lediglich den Eindruck habe verhindern wollen, es handle sich bei den präsentierten Zahlen um offizielle Angaben des Bundesamtes. Laut Angaben des SGV hätten bei Inkrafttreten der Revision dreizehn Kantone bedeutende Rückzonungen zu befürchten. Im UVEK hingegen erwartete man solche aufgrund des anhaltenden Bevölkerungswachstums nur für vier bis sechs Kantone. Trotz dieser Unklarheiten bezüglich der Auswirkungen formierten sich in 24 Kantonen kantonale Unterstützungskomitees zum revidierten RPG, darunter auch je ein Komitee aus dem Ober- und Unterwallis sowie ein Komitee aus dem tourismusstarken Bündnerland. Angeführt wurde letzteres unter anderem von Nationalrätin Silva Semadeni (sp, GR), Mitträgerin der Landschaftsinitiative. Der Kanton Graubünden hätte mit Inkrafttreten der Revision nichts zu befürchten, da er mit den vor 10 Jahren unternommenen Änderungen des kantonalen Richtplans die bundesrechtlichen Neuerungen bereits grösstenteils umgesetzt habe, liess das kantonale Komitee verlauten. Äusserst kritisch stand der Kanton Wallis der Vorlage zur Revision des Raumplanungsgesetzes gegenüber. Mit Ausnahme der Grünen empfahlen im Tourismuskanton alle Kantonalparteien die Nein-Parole. Die Grünen begründeten ihr Ja mit dem Argument, man bleibe den Prinzipien des Natur- und Landschaftsschutzes treu, und kritisierten gleichzeitig das Nein der Walliser SP als opportunistisch: die Sozialdemokraten würden befürchten, mit einer Zustimmung zum revidierten RPG ihren Erfolg bei den anstehenden kantonalen Parlamentswahlen zu gefährden (vgl. dazu auch Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente)). Auch der Staatsrat kritisierte die RPG-Revision an seiner Medienkonferenz aufs Schärfste. Das revidierte Gesetz sei auf den Bergkanton mit seiner speziellen Wohn- und Grundeigentumsstruktur schlichtweg nicht anwendbar. Insbesondere die Umsetzung der Rückzonungspflicht würde aufgrund unpräziser Ausgestaltung im RPG zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Darüber hinaus sei die Rückzonungspflicht das falsche Mittel zur Bekämpfung der Zersiedelung, liess Staatsrat Jean-Michel Cina (VS, cvp) verlauten. Er erzürnte sich ebenfalls über die Kompetenzverlagerung an den Bund, da sie zu wenig Raum für regionale Besonderheiten lasse. Trotz seiner positiven Stellungnahme im Vernehmlassungsverfahren äusserte auch der Waadtländer Regierungsrat im Verlaufe der Kampagne mit einem Brief an den Bundesrat Bedenken zur Ausgereiftheit der neuen Bestimmungen. Bundesrätin Leuthard (cvp) antwortete persönlich auf die Fragen und Forderungen des Waadtlandes. In ihrer schriftlichen Rückmeldung entkräftete sie die Befürchtungen, dass mit Inkrafttreten der Übergangsbestimmungen grosse urbane Projekte im Kanton blockiert würden, wie die Waadtländer Regierung in ihrem Schreiben vermutet hatte. Neben dem SGV beschlossen FDP und SVP sowie gewichtige Wirtschaftsverbände wie der Hauseigentümerverband (HEV) und Economiesuisse die Nein-Parole zur Revision. Die Ja-Parole zum revidierten Gesetz gaben neben dem Mieterverband auch der Bauernverband (SBV), der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA), diverse Heimatschutz- und Umweltorganisationen und der Tourismusverband (STV) heraus. Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) beförderte mit Ausnahme des Kantons Wallis ein einhelliges Ja. Von den Parteien empfahlen die Grünen, SP, CVP, BDP, GLP und EVP das revidierte RPG zur Annahme. Höchst umstritten war die Parolenfassung bei der CVP Schweiz. Der Parteivorstand beantragte mit Stichentscheid des Präsidenten Christophe Darbellay seinen Delegierten, die Revision wegen ihrer Auswirkungen auf den Kanton Wallis abzulehnen. Zur Befürwortung der Revision mahnte eindringlich die eigene Bundesrätin und UVEK-Vorsteherin, deren Empfehlung die Parteimehrheit an der Delegiertenversammlung schlussendlich mit 170 zu 89 Stimmen folgte. Gegen die Revision stimmten eine geschlossene Walliser CVP-Sektion mit Unterstützung von Genfer und Tessiner Parteikollegen. Ein Antrag auf Stimmfreigabe scheiterte mit beinahe Zweidrittelmehrheit. Im Gegensatz dazu beschloss die Junge CVP an ihrer Delegiertenversammlung, die RPG-Revision nicht zu unterstützen. Wie auch bei der FDP wichen eine Vielzahl von kantonalen CVP-Sektionen vom Beschluss ihrer Mutterpartei ab. Im Gegensatz zur eigenen Partei unterstützten darüber hinaus die FDP Frauen die Teilrevision (zu den parteiinternen Diskussionen vgl. Teil IIIa). Neben dem im Dezember des Vorjahres von links-grüner Seite initiierten nationalen Pro-Komitee bildete sich im Laufe der Kampagne auf eidgenössischer Ebene noch ein weiteres, bürgerliches Komitee zur Unterstützung der Revision mit National- und Ständeräten der BDP, CVP, FDP, GLP und SVP sowie weiteren bürgerlichen Kantonalpolitikern. Das Ergreifen des Referendums durch den SGV stiess bei diesen Vertretern auf Unverständnis. Zum einen beschuldigten sie den SGV, im Hinblick auf die nur bedingt zurückgezogene Landschaftsinitiative, die ein zwanzigjähriges Bauzonenmoratorium fordert, mit dem Feuer zu spielen. Zum anderen sahen sie in der geplanten Verdichtung der Stadt- und Dorfkerne auch eindeutige Vorteile für die KMU. Die Zersiedelung begünstige den Bau von grossen Einkaufzentren am Stadtrand, wobei das Kleingewerbe als grosser Verlierer dastehen würde. Die Intensität der Kampagne äusserte sich auch in einer Vielzahl von Zeitungsinseraten. Insgesamt verzeichnete die Analyse der Année Politique Suisse während den letzten acht Wochen vor der Abstimmung 1261 Inserate in über 50 untersuchten Tages- und Wochenzeitungen. Dies entsprach über 60% aller gesammelten Inserate zu den drei im März zur Abstimmung gelangten Vorlagen. Die Gegner- und Befürworterschaft zeigten sich auf dem Inseratemarkt zur RPG-Revision ähnlich präsent [4].
Das Abstimmungsergebnis vom 3. März fiel mit 62,9% Ja-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 46,5% klar zu Gunsten der RPG-Revision aus. Einzig der Kanton Wallis stand mit einer äusserst tiefen Zustimmungsrate von 19,6% geschlossen und deutlich für ein Nein ein. Gegen die Vorlage stellten sich darüber hinaus mit Gros-de-Vaud und Aigle zwei Bezirke im Kanton Waadt, das nördliche Tessin, das Obersimmental im Kanton Bern und die Bernina-Region im Bündnerland. Alle anderen Bezirke sprachen sich mehrheitlich für die Revision aus. Auch die Kantone Jura (62,8%), Neuenburg (67,7%) und Schaffhausen (63,2%), welche mit Annahme des Gesetzes ebenfalls mit Auszonungen rechnen müssen (siehe unten), stimmten mit relativ deutlichem Mehr für das revidierte Gesetz. Deutliche Zustimmungswerte über 70% fanden sich grösstenteils im stark zersiedelten Mittelland und in den Bezirken rund um die deutschsprachigen urbanen Zentren. Die klarste Befürwortung fand sich in den Bezirken Solothurn und Zürich-Stadt mit einem Ja-Anteil von 80,3%, resp. 80,1%. Das Abstimmungsergebnis sei ein „Meilenstein in der Siedlungsentwicklung“, interpretierte Bundesrätin Leuthard (cvp) das Resultat. Von Seiten des Referendumskomitees liess man verlauten, man fordere nun eine massvolle Umsetzung des RPGs, welche regionalen Gegebenheiten Rechnung trage. Trotz der Abstimmungsniederlage wertete die SVP das deutliche Bekenntnis gegen die fortschreitende Zersiedelung als positives Zeichen – und zwar für die eigene Masseneinwanderungsinitiative. Der Landschaftsschutz liege der Bevölkerung offensichtlich am Herzen, liess SVP-Präsident Brunner verlauten. In der Abstimmungskampagne zur Volksinitiative werde man daher bewusst auf diese Thematik setzen, um auch ökologisch sensibilisierte Stimmbürgerinnen und Stimmbürger anzusprechen. Ähnliche Schlüsse zogen auch die Urheber der Ecopop-Initiative. Gleich nach dem Volksentscheid plädierte die Walliser Regierung auf eine früheste Inkraftsetzung des revidierten RPG per 1.1.2015. Darüber hinaus verlangte der Kanton ein Treffen mit dem Gesamtbundesrat sowie den Einbezug bei der Umsetzung der neuen Gesetzesbestimmungen [5].
BRG Raumplanungsgesetz. Teilrevision
Abstimmung vom 3. März 2013

Beteiligung: 46,5%
Ja: 1 476 942 (62,9%)
Nein: 871 514 (37,1%)

Parolen:
Ja: SP(1*), CVP(6*), GPS, BDP, GLP, EVP, FDP Frauen; MV, Travail.Suisse, SBV, SIA, STV, WWF.
Nein: SVP(3*), FDP(8*), JCVP; Economiesuisse, HEV, SGV.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Ergebnisse der Vox-Analyse zur Abstimmung über die Änderung des Raumplanungsgesetzes zeigten, dass das deutliche Ja unter anderem durch CVP- und SP-Sympathisanten zu Stande gekommen war, welche der Parolenfassung ihrer präferierten Partei mit 72%, resp. 81% Zustimmung relativ geschlossen gefolgt waren. Im Gegensatz dazu sprachen sich die FDP- und SVP-Anhängerschaft weniger deutlich gegen die Teilrevision aus. Von den ca. 30 befragten Sympathisanten der Grünen und der GLP brachten alle ihre Zustimmung zum revidierten RPG zum Ausdruck. Neben der Parteiidentifikation erwiesen sich insbesondere die Wertvorstellungen zu Umweltschutz und Wirtschaft als massgebend. Während Personen mit Präferenz für Umweltschutz der Vorlage in 78% der Fälle zustimmten, kristallisierte sich bei den Personen mit Präferenz für Wirtschaftswachstum eine ablehnende Haltung gegenüber dem Anliegen heraus (37% Zustimmung). Die Analyse der zentralen Argumente für den Stimmentscheid ergab, dass sich ungefähr drei Viertel der RPG-Befürwortenden erhofft hatten, mit der Revision die Zersiedelung zu Gunsten der Natur zu bremsen. 42% der Gegner des Anliegens gaben an, die Raumplanung sei keine eidgenössische Aufgabe. Insgesamt 17% der befragten Gegner führten persönliche Gründe für ihren Stimmentscheid an. In dieser Gruppe befanden sich Personen aus dem Kanton Wallis, Wohneigentumsbesitzer und Besitzer von Bauland. Zur Frage, ob die RPG-Revision eine flexiblere Lösung biete als das von der Landschaftsinitiative verlangte 20-jährige Bauzonenmoratorium, waren sich weder Gegner noch Befürworter ausreichend im Klaren. Insgesamt wurde dies von 54% der Befragten bejaht und von 23% abgelehnt, wobei sich die Antwortmuster der Revisionsgegner und -befürworter nicht merklich unterschieden. Beinahe ein Viertel der interviewten Personen konnte diese Frage nicht beantworten. Daraus schlossen die Autoren der Studie, dass viele Personen nicht ausreichend über das Volksbegehren, welches schliesslich zur Erarbeitung der vorgelegten Revisionsvorlage geführt hatte und das bei Ablehnung der Revision zur Abstimmung gekommen wäre, informiert gewesen waren [6].
Nach Annahme der RPG-Teilrevision durch das Volk wurde der Rückzug der Landschaftsinitiative wirksam. Pro Natura hatte das Festhalten an ihrem Anliegen an den Ausgang der Volksabstimmung zur Revision des Raumplanungsgesetzes geknüpft, die dem Volksanliegen als indirekter Gegenvorschlag gegenübergestellt worden war (siehe oben) [7].
Nach erfolgreicher Differenzbereinigung beschloss das Parlament im Berichtsjahr eine weitere Änderung des Raumplanungsgesetzes, welche die Haltung von Sport- und Freizeitpferden in der Landwirtschaftszone erleichtern soll. Dies erfolgte in Umsetzung einer im Jahre 2004 eingereichten parlamentarischen Initiative Darbellay (cvp, VS) und diente unter anderem dazu, Landwirten die Haltung von fremden Pferden zu ermöglichen. Das landwirtschaftliche Gewerbe solle zudem die Möglichkeit erhalten, zum Zwecke der Pferdehaltung auf dem eigenen Betrieb einen Hartplatz zu errichten. Umstritten war in den Räten insbesondere, ob es den Kantonen erlaubt sein soll, einschränkende Bestimmungen zum Bauen ausserhalb der Bauzone zu erlassen. Der Ständerat lenkte schlussendlich ein und beschloss im Sinne des Nationalrates, auf diese Möglichkeit zu verzichten [8].
Ende August eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Revision der Raumplanungsverordnung, zum Erlass der neuen technischen Bauzonenrichtlinien sowie zur Ergänzung des Leitfadens für die kantonale Richtplanung. Die Änderungen erfolgten in erster Linie in Reaktion auf die Annahme des revidierten RPG bei der Volksabstimmung vom Frühjahr sowie in Umsetzung der parlamentarischen Initiative Darbellay (cvp, VS) betreffend Lockerung der Bestimmungen zur Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone (siehe oben). Die Reduktion der Bauzonen auf maximal den Bedarf der nächsten 15 Jahre soll laut bundesrätlichem Entwurf auf kantonaler statt auf lokaler Ebene umgesetzt werden. Im Falle einer Auslastungsquote von unter 95% wären die Kantone verpflichtet, Rückzonungen vorzunehmen. Zeitgleich publizierte das Bundesamt für Raumentwicklung erste offizielle, provisorische Zahlen zur Auslastung der Bauzonen in den Kantonen. Gemäss der Bauzonen-Statistik 2012 des ARE wird die Auslastung in den Kantonen Jura, Neuenburg, Schaffhausen und Wallis in 15 Jahren voraussichtlich weniger als 95% ausmachen, womit insbesondere diese Kantone Rückzonungen zu befürchten hätten. Die Auslastungsziffern beruhten auf einer Schätzung der Bevölkerungsentwicklung des Bundesamts für Statistik (BFS), wobei das Szenario „hoch“ gewählt worden war (9 Mio. Einwohner im Jahr 2027). Bei einem mittleren Bevölkerungswachstum müssten mehr als 10 Kantone mit Rückzonungen rechnen. Ferner sollen laut der Vernehmlassungsvorlage bis zur Anpassung der kantonalen Richtpläne und im Sinne eines Bauzonenmoratoriums neue Einzonungen durch entsprechende Auszonungen kompensiert werden, wobei für öffentliche Gebäude sowie Vorhaben von kantonaler Bedeutung Ausnahmen gelten. Betreffend Höhe der finanziellen Entschädigung bei Rückzonungen verzichtete der Bundesrat auf die Festlegung von Kennwerten. In ihren Vernehmlassungsantworten äusserten gewichtige Stellungnehmer grundsätzliche Vorbehalte zum Verordnungsentwurf des Bundesrates. Die kantonalen Baudirektoren beanstandeten die Missachtung der kantonalen Zuständigkeiten in der Raumplanung, den hohen bürokratischen Aufwand sowie die auf dem Bevölkerungsszenario des BFS beruhende Bauzonen-Statistik. Die Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK) forderte, Kantone müssten auf eigene Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung zurückgreifen können. Auf der anderen Seite hatte die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz im Vorfeld bei mindestens der Hälfte der Kantone Rückzonungsbedarf geortet und kritisierte entsprechend die Wahl des Bevölkerungs-Szenarios durch das zuständige Bundesamt. Gewichtige Vertreter wie die SVP, Economiesuisse und der Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (SIA) lehnten die Vorlage komplett ab. Sie missbilligten unter anderem die fehlende Berücksichtigung wirtschaftlicher Überlegungen, die Überregulierung sowie den mangelnden Praxisbezug. Auch die Fachorganisationen für Pferdezucht und Pferdesport überzeugte der Verordnungsentwurf nicht. Sie bezweifelten, ob die vorgesehenen Bestimmungen die heutige Praxis tatsächlich erleichtern würden. Das urbane Genf zeigte sich als einer der wenigen Kantone mit der geplanten Umsetzung zufrieden und stellte sich hinter eine stärkere Zentralisierung der Umsetzungskontrolle durch den Bund [9].
 
[4] BRG 10.019: Presse vom 8.1.13; AZ, 10.1.13; NZZ, 11.1., 19.1., 6.2., 7.2., 19.2. und 27.9.13; SoS, 12.1. und 23.1.13; SO, 13.1.13; NF, 19.1. und 21.1.13; TA, 2.2.13; WB, 7.2. und 21.1.13; SGT, 11.2.13; 24H, 22.2.13; Lit. Bühlmann; vgl. SPJ 2012, S. 246 f.
[5] BRG 10.019: BBl, 2013, S. 3129 ff.; Presse vom 4.3.13; TA, 5.3.13; 24H und WB, 13.3.13. Zu den Volksinitiativen der SVP und Ecopop zur Steuerung der Zuwanderung, siehe unten, Teil I, 7a (Evolution de la population) und Teil I, 7d (Politique à l’égard des étrangers)
[6] BRG 10.019: Lit. Milic/Vatter; vgl. SPJ 2012, S. 246 f.
[7] BRG 10.018: BBl, 2013, S. 5798; vgl. SPJ 2012, S. 247 f.
[8] Pa.Iv. 04.472: AB SR, 2013, S. 232 und 363; AB NR, 2013, S. 533; vgl. SPJ 2009, S. 117.
[9] BRG 10.019 und Pa.Iv. 04.472: BBl, 2013, S. 6752; Medienmitteilung ARE vom 28.8.13; NZZ und TA, 29.8.13; NZZ 20.11.13; TA, 29.11.13; TG, 30.11.13; vgl. SPJ 2008, S. 175.