Année politique Suisse 2013 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Wohnungsbau und -eigentum
Ein im Dezember 2011 gefällter Bundesgerichtsentscheid, nach dem der gesamte Gewinn aus der Veräusserung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken der Einkommens- und nicht teilweise auch der Grundstückgewinnsteuer unterliegt, bewegte Leo Müller (cvp, LU) zur Einreichung einer Motion. In seinem Anliegen forderte der Motionär die Rückkehr zur alten Praxis der Gewinnbesteuerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken. In ihrer Antwort zur Motion entgegnete Bundesrätin Widmer-Schlumpf (bdp), das Bundesgerichtsurteil beziehe sich lediglich auf Baulandreserven. Diese würden vollkommen der Einkommenssteuer unterliegen, da sie nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Kulturland zugeordnet würden, wie dem Entscheid des Bundesgerichts zu entnehmen sei. Eine privilegierte Besteuerung von Bauland würde zu einer zusätzlichen Ungleichbehandlung von Landwirten gegenüber anderen Selbständigerwerbenden führen. Trotz der ablehnenden Haltung des Bundesrates wurde die Motion in der Herbstsession mit 95 zu 86 Stimmen bei zehn Enthaltungen aus dem bürgerlichen Lager vom Nationalrat angenommen und an den Ständerat übergeben. Gegen das Anliegen hatten sich GLP, Grüne und SP mit einer Mehrheit aus den Reihen der FDP gestemmt [31].
In Form einer parlamentarischen Initiative forderte Leo Müller (cvp, LU) auf eidgenössischer Ebene den Übergang vom dualistischen zum monistischen Besteuerungssystem von Grundstückgewinnen. Konkret würde mit dieser Regelung der Wertzuwachs von Grundstücken des Geschäftsvermögens in jedem Fall der Grundstückgewinnsteuer unterliegen, ausser wenn die Gewinne aus wieder eingebrachten Abschreibungen erwachsen. Nach dem dualistischen Besteuerungssystem wird nur der Wertzuwachs von Privatliegenschaften der Grundstückgewinnsteuer unterzogen, während bei Wertzuwachs auf Geschäftsimmobilien von selbständig Erwerbenden die Einkommenssteuer, bzw. im Falle juristischer Personen die allgemeine Gewinnsteuer zur Anwendung kommt. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-NR) beantragte mit knappem Mehr von 13 zu 10 Stimmen bei zwei Enthaltungen, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Dass ein Wechsel hin zum monistischen System wie vom Initiant angenommen eine Vereinfachung der Grundstückgewinnbesteuerung darstellen könnte, wurde von der Mehrheit der Kommissionsmitglieder bezweifelt. Weiter wäre mit hohen Steuerausfällen bei Bund und Kantonen zu rechnen und insbesondere würden Gruppen mit grossen Wertzuwachsgewinnen bevorzugt. Letzteres stünde in Konflikt mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit. Eine starke bürgerliche Kommissionsminderheit stützte das Anliegen der Initiative, indem sie das geltende Besteuerungssystem als unnötig kompliziert kritisierte und in vorliegendem Ansuchen eine mögliche Vereinfachung sah, von der die Kantone allenfalls profitieren könnten. Darüber hinaus sollten die Folgen des Bundesgerichtsentscheides vom 11. Dezember 2011 (siehe oben) genau überdacht werden. Hierzu könne die parlamentarische Initiative beitragen. Ähnlich uneinig zeigte sich der Nationalrat, schloss sich aber schlussendlich mit 93 zu 82 Stimmen der Minderheit an und beantragte, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben. Während eine relativ geschlossene CVP und SVP mit Unterstützung der BDP erfolgreich den geschlossenen Fraktionen von GLP, Grünen und SP gegenüber traten, zeigte sich die FDP gespalten. Das Geschäft geht nun an die ständerätliche WAK [32].
 
[31] Mo. 12.3172: AB NR, 2013, S. 1408 f.
[32] Pa.Iv. 12.476: AB NR, 2013, S. 2164 ff.