Année politique Suisse 2013 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt / Natur- und Heimatschutz
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Biodiversität
Im April präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Genehmigung des Nagoya-Protokolls zum Zugang zu genetischen Ressourcen und zu dessen Umsetzung im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG). Als genetische Ressource zählt jegliches Material pflanzlichen, tierischen oder mikrobiellen Ursprungs, das einen tatsächlichen oder potentiellen Wert aufweist und in erster Linie in der Forschung, der Landwirtschaft, der Pharma- und Kosmetikindustrie sowie in der Biotechnologie eingesetzt wird. Das bis anhin von 92 Parteien unterzeichnete Protokoll, darunter die EU und 24 ihrer Mitgliedstaaten, definiert einerseits den Zugang zu genetischen Ressourcen und dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen sowie andererseits die ausgewogene und gerechte Aufteilung der aus der Nutzung erwachsenden Vorteile zwischen Nutzern und Ländern, welche die Ressourcen zur Verfügung stellen (sog. Access and Benefit-Sharing, ABS). Da es sich bei den Bereitstellerländern oftmals um Entwicklungsländer mit einer Vielzahl an genetischen Ressourcen handle, soll mit dem Abkommen die Biodiversität verstärkt geschützt werden. Die Umsetzung des Nagoya-Protokolls in der Schweiz erfordert punktuelle Änderungen des NHG. Zum einen soll eine Sorgfaltspflicht eingeführt werden, damit die Nutzer genetischer Ressourcen oder der daraus erwachsenden Vorteile die innerstaatlichen ABS-Vorschriften der Vertragspartei, welche die Ressource bereitstellt, einhalten. Dazu soll eine zentrale, beim BAFU angesiedelte Stelle geschaffen werden, welche die Einhaltung der Sorgfaltspflicht vor der Marktzulassung von Produkten mit genetischen Ressourcen überprüft. Auf der anderen Seite erhält die Schweiz mit der Umsetzung des Protokolls die Möglichkeit, Bedingungen zur Nutzung der eigenen genetischen Ressourcen festzulegen. Dies soll über Anpassungen der Straf- und Vollzugsbestimmungen des NHG erfolgen. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft ausführt, würde sich die Ratifizierung des Protokolls für die Schweizer Forschung und Wirtschaft langfristig positiv auswirken. Darüber hinaus sei das Protokoll von grosser Bedeutung für die Garantie der Ernährungssicherheit, für die Erhaltung der Gesundheit sowie für die Anpassung an den Klimawandel. Die Genehmigung des Protokolls erhöhe zudem die Rechtssicherheit; eine Nicht-Ratifikation könnte hingegen zu einer Zunahme der an die Schweiz gerichteten Vorwürfe der „Biopiraterie“ führen. In einer vorgängig durchgeführten Vernehmlassung hatten sich neun von zehn Stellungnehmenden für die Ratifizierung ausgesprochen. Dem Ständerat, der das Geschäft in der Wintersession als Erstrat behandelte, lag ein Minderheitsantrag Theiler (fdp, LU) auf Nichteintreten vor. Die Kommissionsminderheit sah einen Handlungsbedarf für die Schweiz in diesem Bereich schlichtweg als nicht gegeben. Der Rat entschied sich mit 30 zu 9 Stimmen schliesslich für Eintreten. Für Diskussionsstoff in der Detailberatung sorgten die von der Kommissionsmehrheit eingebrachten Anträge zur Einschränkung des Geltungsbereichs der anzuwendenden Sorgfalt, um eine gerechte und ausgewogene Verteilung der Vorteile zu gewährleisten. Der Ständerat folgte schlussendlich mit knapper Überzahl der Kommissionsmehrheit, womit er sich unter anderem dafür aussprach, genetische Ressourcen einer Nicht-Vertragspartei nicht der Sorgfaltspflicht zu unterstellen. Mit äusserst knappem Mehr stellte er sich allerdings gegen den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, pathogene Organismen und Schädlinge von der Sorgfaltspflicht auszunehmen. Die Annahme einer solchen Einschränkung der Sorgfaltsplicht hätte nach Aussage von Bundesrätin Leuthard (cvp) zu einem klaren Widerspruch mit dem Nagoya-Protokoll geführt. Nur der bundesrätliche Entwurf würde es – entgegen dem Antrag der Pharmaindustrie, wie die Umweltministerin betonte – in einem beispielsweise durch eine Pandemie herbeigeführten Krisenfall erlauben, die Situation primär auf internationaler Ebene und insbesondere durch die WHO zu regulieren. In der Gesamtabstimmung wurde das Geschäft mit 30 zu 11 Stimmen gebilligt und in entsprechend abgeänderter Form an den Nationalrat verwiesen, welcher die Vorlage 2013 noch nicht beriet [34].
Im Berichtsjahr legte der Bundesrat seine Botschaft zur Ratifizierung des Zusatzprotokolls von Nagoya/Kuala Lumpur über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit vor. Das Zusatzprotokoll konkretisiert zum einen zu treffende Massnahmen bei Biodiversitätsschäden, die durch genetisch veränderte Organismen entstanden sind. Zum anderen regelt es die Zuständigkeiten betreffend Durchführung der im Schadensfall zu treffenden Massnahmen und der dabei anfallenden Kosten. In seiner Botschaft hält der Bundesrat fest, dass sich das Zusatzprotokoll mit der umfassenden schweizerischen Gentechnikgesetzgebung im Einklang befinde. Das Parlament beriet sich im Berichtsjahr noch nicht über die Vorlage [35].
Ein im Berichtsjahr eingereichtes Postulat Vogler (csp, OW) verlangte vom Bundesrat die Erarbeitung einer Strategie zur Eindämmung von invasiven gebietsfremden Arten. Diese soll aufzeigen, mit welchen Massnahmen so verursachte Schäden an der Biodiversität verhindert werden könnten und ob es dazu Anpassungen der bestehenden Gesetzesgrundlagen bedarf. In seiner Antwort wies der Bundesrat auf bestehende Bestrebungen des BAFU hin, die im Rahmen der im Vorjahr verabschiedeten Strategie Biodiversität Schweiz gefassten Ziele in Zusammenarbeit mit den betroffenen Bundesstellen und Kantonen zu konkretisieren. In diesem Zusammenhang sollen auch Massnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung invasiver Arten mit Schadenspotential auf ihre Effizienz und Wirksamkeit sowie bestehende rechtliche Grundlagen auf ihre Aktualität hin geprüft werden. In diesem Sinne beantragte der Bundesrat die Annahme des Postulats. Der Nationalrat stützte dieses Ersuchen in der Herbstsession [36].
Eine vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag des BAFU, des Schweizer Vogelschutzes, der Vogelwarte Sempach und des Forums Biodiversität durchgeführte Studie zur Bedeutung der Biodiversität in der Schweiz zeigte eine hohe Bereitschaft in der Bevölkerung, sich für den Erhalt der Biodiversität einzusetzen. Die Ergebnisse der 1 005 Befragungen erwachsener Personen aus der ganzen Schweiz zeigten jedoch auch, dass der Zustand der inländischen Biodiversität überschätzt wird. Obwohl mittlerweile ein Drittel der einheimischen Arten in unterschiedlichem Grade bedroht ist, vertraten knapp drei Viertel der befragten Personen die Ansicht, der Biodiversität in der Schweiz gehe es gut bis sehr gut [37].
 
[34] BRG 13.034: BBl, 2013, S. 3009 ff., 3057 f., 3059 ff. und 3063 ff.; AB SR, 2013, S. 1042 ff.; Medienmitteilung BR, BAFU und UVEK vom 10.4.13; vgl. SPJ 2011, S. 287.
[35] BRG 13.062: BBl, 2013, S. 6685 ff., 6697 und 6699 ff.
[36] Po. 13.3636: AB NR, 2013, S. 1748.
[37] Medienmitteilung BAFU vom 2.12.13; Lit. Bieri et al.