Année politique Suisse 1966 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
Luftfahrt
Auf dem Gebiet der Luftfahrt wurde auf Ende des Jahres der Streit um die Rechtsstellung der Swissair entschieden. Die Eidg. Luftfahrtskommission erklärte die Swissair für ihren Linienverkehr konzessionspflichtig, und unter der Leitung des neuen Direktors W. Guldimann [78] arbeitete das Eidg. Luftamt die Konzession aus, was bis dahin auf Wunsch der Swissair unterblieben war. Das Konzessionsgesuch wurde eingereicht und vom VED sogleich bewilligt. Die Frage der in einer Konzession von Gesetzes wegen zu regelnden Rückkaufsmodalitäten, die der Swissair Bedenken bereitet hatten, wurde dahin entschieden, dass ein Rückkauf durch den Bund nur nach einer Revision des erst 1958 ins Luftfahrtgesetz aufgenommenen Art. 103, auf den sich das gemischtwirtschaftliche Statut der Swissair stützt, erfolgen kann [79].
Während die Swissair als nationale Luftverkehrsgesellschaft steigende Gewinne erzielt [80], hatte die gleichfalls gemischtwirtschaftlich organisierte Helikopterfluggesellschaft Heliswiss in den letzten Jahren hohe Kaskoschäden (Eigenschäden bei Unfällen) zu verzeichnen, die den Bund zu grösseren Zuwendungen veranlassten. Da das Parlament 1965 die Deckung eines solchen Schadens nicht mehr über die Nachtragskredite genehmigen wollte, unterbreitete ihm der Bundesrat im Februar 1966 eine auf 5 Jahre befristete Unterstützungsvorlage, durch welche die Heliswiss, die praktisch als nationale Gesellschaft anerkannt sei, wie seinerzeit die Swissair zum selbsttragenden Unternehmen gemacht werden solle [81]. Beide Räte gaben ihre Zustimmung [82].
Das Übergewicht, das Zürich und Genf als Flugverkehrsplätze besitzen, gibt im Bereich der übrigen schweizerischen Grossstädte Anlass zu Bemühungen, die Luftverbindungen der eigenen Region zu verbessern. In den Kantonen Waadt . und Bern zeitigten solche Bestrebungen, die insbesondere von Kreisen des Tourismus und der Industrie gefördert wurden, neue Flugplatzprojekte, da die bestehenden Anlagen für einen erweiterten Verkehr nicht zu genügen vermöchten. Gegen diese Projekte wandte sich vor allem die Bevölkerung der betroffenen Gegenden, wobei der Fluglärm und der Verlust an Kulturland geltend gemacht wurde; ausserdem wurde gegen die angestrebte staatliche Unterstützung die angespannte Finanzlage ins Feld geführt. In der Waadt wurde die vom Grossen Rat 1965 beschlossene und durch das fakultative Referendum angefochtene Staatsbeteiligung an einem Charterflugplatz bei Etagnières Ende Januar in der Volksabstimmung mit Zweidrittelmehr verworfen; eine Beeinträchtigung erfuhr die Vorlage auch durch die nachträgliche Veröffentlichung einer negativen Stellungnahme des Genfer Staatsrates Ruffieux, durch die das offizielle Argument, Genf befürworte eine Entlastung seines Flughafens vom Charterverkehr, entkräftet wurde [83]. Die waadtländischen Bemühungen um einen neuen Flugplatz wurden allerdings nicht aufgegeben [84]. Für das bernische Projekt eines Flughafens bei Rosshäusern für Linien- und Charterverkehr wurde im Juli an das VED ein Konzessionsgesuch eingereicht. Gegenkundgebungen veranlassten die Regierung, die sich dem Projekt gewogen zeigte, eine genaue Prüfung der Frage zuzusagen [85]. Auch in Baselstadt kam es zu einer erfolgreichen Referendumsbewegung; sie galt der Beteiligung des Kantons an einer Kapitalerhöhung der Balair, einer eng mit der Swissair verbundenen Gesellschaft, die neben dem Flugplatzdienst Charter- und Linienflüge übernommen hat und über die der Kanton eine bessere Berücksichtigung seiner Linienverkehrsbedürfnisse durch die Swissair erreichen sollte. Bei den Gegnern erregte namentlich ein vermehrtes Engagement des Staates in der Luftverkehrswirtschaft Bedenken [86].
Die Entwicklung des Flugwesens hat in verschiedener Hinsicht die Lärmfrage aktualisiert. Gegenüber Sport- und Gebirgsfliegerei melden sich die Ruhebedürfnisse der Anwohner und der Touristen [87]. Die bevorstehende Verwendung von Überschallflugzeugen im Luftverkehr liess warnende Stimmen laut werden [88]. In einem allgemeinen Bericht über die Lärmbekämpfung hat der Bundesrat eine entsprechende Revision des Luftfahrtgesetzes in Aussicht gestellt [89].
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P.G.
 
[78] Bund, 90, 5./6.3.66; NZZ, 113, 14.3.66.
[79] Tat, 295, 15.12.66; NZZ, 5523 u. 5531, 20.12.66; 5591, 27.12.66; Bund, 496, 20.12.66. Vgl. auch ASW, 1965, S. 122 f.
[80]Jahresbericht der Litra, 1965/66, S. 52.
[81] BBl, 1966, I, S. 101 ff. Die Bundeshilfe besteht in der Vergütung bisheriger Schäden, in Beiträgen an die Schadenversicherung sowie in Mitteln zur Deckung künftiger Risiken und zur Durchführung von Flottenumstellungen.
[82] NZZ, 1166, 17.3.66 (N R); 2512, 7.6.66 (StR).
[83] GdL, 125, 1.6.65; 3, 5.1.66; 18, 22./23.1.66; 20, 25.1.66, 21, 26.1.66; 25, 31.1.66; TdL, 13, 13.1.66; 16, 16.1.66; 22, 22.1.66; TdG, 20, 25.1.66 (Veröffentlichung der genferischen Gegenargumente); 22, 27.1.66; BN, 41, 27.1.66. Die Verwerfung erfolgte mit 60 150: 29 752 Stimmen.
[84] Sie konzentrierten sich hauptsächlich auf die Rhoneebene, wo die Autobahnführung eine Verlegung des Flugplatzes von Montreux-Rennaz erfordert; da das neue Projekt jedoch ein Naturschutzgebiet tangiert, erregte es die Opposition von Naturschutzkreisen (GdL, 54, 5./6.3.66; 167, 20.7.66; 172, 26.7.66.; TdG, 57, 9.3.66; TdL, 146, 26.5.66).
[85] Bund, 233, 18./19.6.66; 259, 6.7.66; 313, 13./14.8.66; 356, 13.9.66; 430, 3.11.66; 442, 12./13.11.66; 483, 12.12.66; NBZ, 251, 27.10.66. Die Flugplatzfrage spielte auch im Wahlkampf um das Berner Stadtpräsidium eine Rolle, wobei der siegreiche sozialdemokratische Kandidat eine zurückhaltendere Stellung einnahm (Bund, 400, 13.10.66; vgl. dazu oben S. 23). Vgl. auch ARNOLD MEYER, Städteflughafen Bern — Kriterien zu seiner wirtschaftlichen Beurteilung, Bern 1966.
[86] BN, 168, 22.4.66 (Grossratsbeschluss); 362, 27./28.8.66; 382, 9.9.66; NZ, 407, 4.9.66; 409, 5.9.66; 413, 7.9.66; 420, 12.9.66. Die Verwerfung erfolgte mit 9717: 6495 Stimmen.
[87] Vgl. den Streit zwischen der Gemeinde Muri (BE) und dem Eidg. Luftamt (Bund, 76, 23.2.66; 96, 9.3.66; 459, 24.11.66) und die Auseinandersetzung zwischen Tourismus und Schweizer Alpenklub über die Gebirgsfliegerei sowie das Postulat der Ruhezonen (GdL, 263, 10.11.66; NZZ, 4845, 11.11.66; 5033, 22.11.66).
[88] Vgl. offenen Brief der Association internationale contre le bruit an die Regierungen (Bund, 295, 1.8.66) und Stellungnahme Prof. K. Oftingers in BN, 504, 26./27.11.66.
[89] BBI, 1966, I, S. 629 f. Vgl. auch unten S. 101.