Année politique Suisse 1966 : Politique sociale / Assurances sociales
 
Kranken- und Unfallversicherung
Eine entsprechende Konjunkturrevision erfuhr auch das Gesetz über die Kranken- und Unfallversicherung, indem der versicherte Maximalverdienst in der obligatorischen Unfallversicherung um 40 % erhöht wurde; dadurch wurde der Anteil der männlichen Versicherten, die den Maximalverdienst erreichen, von über 20 % auf etwa 3 % gesenkt [30]. Die Genehmigung durch die eidgenössischen Räte war unbestritten, doch wurden im Nationalrat weitere Begehren angemeldet [31]. Ein Postulat, das für die Unfallversicherung eine Ausdehnung des Obligatoriums sowie eine Erweiterung der Leistungen anregte, wurde überwiesen [32]. Weiter ging eine Eingabe des Christlichnationalen Gewerkschaftsbundes an das EDI, welche die « grosse Revision » der Krankenversicherung forderte. Als deren Hauptpunkte wurden angeführt : eidgenössisches Versicherungsobligatorium (in der Krankenpflegeversicherung für Arbeitnehmer mit niedrigen und mittleren Einkommen, in der Krankengeldversicherung für alle Arbeitnehmer), Tarifhoheit des Bundes, die im vertragslosen Zustand nicht an die Kantone delegiert werden dürfte, Familienprinzip (Begünstigung von Kassen, welche Ehefrauen und Kinder mitversichern) sowie Erweiterung der Leistungen (Krankenpflegeversicherung: unbefristete Kostendeckung auch bei Heilanstaltsaufenthalt, Aufhebung der Franchise, Beschränkung des Selbstbehalts auf ambulante Behandlung Volljähriger; Krankengeldversicherung: 80prozentige Lohnvergütung während maximal zwei Jahren, Übernahme der Hälfte der Prämien durch die Arbeitgeber) [33]. Demgegenüber begnügte sich der Kongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes mit der Erklärung, die jüngste Revision der Krankenversicherung sei völlig ungenügend gewesen, und fügte ihr die Forderung nach einer Mutterschaftsversicherung bei [34]. Zugleich wandte er sich gegen die Anträge der Kommission Stocker, die Subventionierung der Kassen nach deren Vermögenslage abzustufen, die Ausrichtung von Beiträgen an gut situierte Versicherte abzubauen und die Zuwendungen an die Nichtbetriebsunfallversicherung einzustellen [35].
Unmittelbarer wurde das Krankenversicherungswesen von der Tatsache betroffen, dass während des ganzen Jahres in den Kantonen Zürich, Freiburg, Baselstadt und Baselland der vertragslose Zustand zwischen Ärzten und Kassen herrschte und dass anstelle des Kantons Zug, in welchem ein neuer Vertrag in Kraft trat, Ob- und Nidwalden zur Gruppe der vertragslosen Kantone hinzukamen [36]. Dies gab Anlass zu Aufforderungen an den Bundesrat, in einer Verordnung die von den Ärzten den Kassen zu liefernden Angaben festzustellen [37]. Bundesrat Tschudi appellierte im Juni an die uneinigen Partner, sich an den Arbeitsverträgen ein Beispiel zu nehmen, und kündigte für den Fall eines Scheiterns der laufenden Verhandlungen ein Vernehmlassungsverfahren über einen Verordnungsentwurf an [38]. Im Kanton Zürich führten solche Verhandlungen im November zu einem Misserfolg [39].
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P.G.
 
[30] BBI, 1966, I, S. 368 ff.
[31] Beratung im NR am 8.6. (Sten. Bull. NR, 1966, S. 334 ff.), im StR am 22.9.1966 (Sten. Bull. StR, 1966, S. 246 f.)
[32] Postulat Müller (soz., BE) im NR (NZZ, 2779, 24.6.66).
[33] Vat., 238, 13.10.66.
[34] PS, 240, 18.10.66.
[35] Vgl. Allgemeine Überprüfung der Bundessubventionen, Bericht der vom Bundesrat eingesetzten Expertengruppe, Bern 1966, S. 78 ff. Vgl. oben S. 58 f.
[36] NZZ, 88, 9.1.67; ferner NZZ, 908, 2.3.66 (Ob- und Nidwalden); 3251, 29.7.66 (Zug).
[37] Erklärung des Präsidenten des Konkordats der schweizerischen Krankenkassen, F. von Schröder (NZZ, 2716, 20.6.66); Interpellation Berger (soz., ZH) und überwiesenes Postulat Trottmann (k.-chr., AG) im NR (NZZ, 2877, 30.6.66). Der Zürcher Regierungsrat hatte bereits im April 1965 ein entsprechendes Begehren an den Bundesrat gerichtet (NZZ, 5579, 24.12.66).
[38] Tw, 142, 20.6.66; NZZ, 2716, 20.6.66; 2877, 30.6.66.
[39] NZZ, 4861, 11.11.66; 4894, 14.11.66; 4918, 15.11.66; 4926, 16.11.66.