Année politique Suisse 1967 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Freisinn
Der Parteitag der Freisinnigen vom 20. Mai, der unter dem Präsidium von Nationalrat P. Glasson, Bulle (FR), in Brunnen (SZ) abgehalten würde, diente zwar ebenfalls der Wahlvorbereitung. Das Wahlmanifest, « das in wenigen Minuten vertrauensvoll gutgeheissen wurde » [11], provozierte keine Diskussion [12]. Die Tagung glich mehr der üblichen traditionellen Heerschau, an der die Prominenzen über aktuelle Fragen sprechen [13]. Der Lausanner Stadtpräsident, Nationalrat G.A. Chevallaz, rückte zum Vizepräsidenten auf. Am 9. September veranstaltete der Freisinn in Liestal noch eine besondere Wahlkundgebung, an der 1500 Personen teilnahmen [14]. Im Gegensatz zu Brunnen wurden hier nicht politische Einzelprobleme, sondern grundsätzliche Fragen zur Sprache gebracht, die Zukunft des Liberalismus (Ständerat K. Obrecht, SO), das Verhältnis der Gewalten zueinander (Bundesrat Celio) und die Stellung des Freisinns in der politischen Willensbildung des Landes (Nationalrat A. Schaller, BS).
Das Wahlmanifest des Freisinns geht von der Frage aus, wie unsere Institutionen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dynamik besser angepasst werden könnten. Die Antworten erscheinen recht konventionell. Sie lassen manches in der Schwebe, denn das Bekenntnis zur bewährten Tradition des liberalen Gedankengutes in der Dynamik unserer Zeit lässt vieles offen, was profilierter umschrieben werden müsste. Ausgangspunkt und Ziel der freisinnigen Politik soll der Einzelmensch sein, dem ein möglichst grosses Mass an Freiheit einzuräumen ist, in der Hoffnung, dass er sich ihrer als möglichst aktiver Staatsbürger würdig erweise. Die politischen Mittel haben sich diesem Idealziel anzupassen, z.B. im Ausgleich zwischen staatlichen und privaten Massnahmen, in der sozialpolitischen Zurückhaltung des Staates usw. In seinem Referat in Brunnen lehnte Bundesrat Celio z.B. jede starre Planung ab, verlangte aber eine Gesamtschau der Politik der kommenden Jahre und entsprechende Richtlinien. Die aussenpolitischen Fragen, der Beitritt der Schweiz zur UNO und zur EWG, erscheinen zu einem klaren Ja oder Nein noch nicht reif [15]. Der Freisinn bekannte sich erneut zur Tradition der Staatspartei, « die weder ihrem Herkommen, ihrer Wesensart, ihrer Struktur nach noch auf Grund ihrer staatspolitischen Konzeption in der Lage ist, eine Oppositionsrolle zu spielen. » [16].
 
[11] Bund, 151, 21.5.67.
[12] Ebenda; NZZ, 2223, 22.5.67.
[13] So befassten sich in Brunnen alt Bundesrat Streuli mit der Landesplanung, Bundesrat Schaffner mit der Kennedy-Runde und Bundesrat Celio mit der Zukunft der Schweiz.
[14] NZZ, 3755, 11.9.67.
[15] Vgl. SPJ 1966, S. 149.
[16] Bund, 151, 21.5.67.