Année politique Suisse 1967 : Partis, associations et groupes d'interêt
Associations et autres groupes d'interêt
Accord réservé et prudent des associations patronales aux politiques conjoncturelle, financière et scientifique de la Confédération — L'artisanat postule pour lui-même une image moderne et exemplaire de l'entrepreneur — Les associations paysannes défendent leur politique des prix en dépit de crises de structures — Les syndicats sont affaiblis par le recul de leurs effectifs; absence d'unité sur les mesures à prendre pour remédier à ce mal.
Am vierten Aargauer Parlamentariertag auf der Lenzburg wies W. Jucker vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund darauf hin, dass die Verbände den Parteien in dreifacher Beziehung überlegen seien. Sie besässen einen höheren Integrationsgrad, bedeutend mehr Mitglieder und infolgedessen auch mehr Geld, und sie seien auf Bundesebene zentral organisiert
[1]. Umso schwieriger, könnte man einwenden, ist es indessen, ihre Einwirkung auf die Politik zu ermessen. Die Verbände geizen zwar nicht mit offenen Stellungnahmen zu den politischen Landesfragen (Jahresversammlungen, Jahresberichte und Pressecommuniqués der leitenden Verbandsinstanzen). Aber die Kanäle ihres wirklichen Einflusses sind der Öffentlichkeit so wenig bekannt, dass die folgende Übersicht über die Verbandspolitik mit dem Eisblock im Meere zu vergleichen ist, von dem man nur den kleinsten Teil erkennen kann. In der kommenden Darstellung müssen wir dieses Sichtbare erst noch auf wenige Grundzüge reduzieren, da die wichtigsten Verbandsentschliessungen in den einzelnen Sachgebieten unserer Chronik zur Sprache kommen.
Unternehmer
Wir beginnen unsere Übersicht mit den Unternehmerverbänden. Der
Schweizerische Handels- und Industrieverein lud zu seiner Delegiertenversammlung am 16. September in Zürich erstmals Pressevertreter ein, doch nur nach einem recht strengen Auswahlprinzip
[2]. Der Präsident, H.R. Schwarzenbach, griff in seinem Referat die aktuellen Fragen der schweizerischen Politik
[3] auf und kam dabei zu ähnlichen Schlüssen wie die Zürcher Handelskammer in ihrem Jahresbericht
[4].
Dem beschränkteren Aufgabenkreis entsprechend, ist auch das Spektrum der von den Arbeitgebern angeschnittenen Fragen etwas kleiner. Ihre Delegiertenversammlung fand am 28. Juni in Zürich statt. Der bisherige Zentralpräsident, A. Dubois (Saurer Arbon), trat nach 20jähriger Tätigkeit zurück und wurde durch den Basler Industriellen J.E. Haefely ersetzt
[5]. Noch enger ist naturgemäss der Interessenkreis der Schweizerischen Bank iervereinigung, der sich an der Jahresversammlung am 23. September in Bern vorwiegend mit der Revision des Nationalbankgesetzes befasste
[6]. Je mehr der Gewerbler sich heute bemüht, seinen Betrieb nach Grundsätzen der Unternehmungsführung zu gestalten, desto eher dürfen wir auch das Gewerbe in die grosse Gruppe der Unternehmerverbände einbeziehen.
Es war nicht von ungefähr, dass der
Gewerbekongress vom 9./10. Mai in Interlaken unter dem Motto «Auf dem Wege zum allgemeinen Unternehmertum» stand
[7]. Nach dem Hauptreferat des Direktors, Nationalrat O. Fischer, muss das Gewerbe bewusst Unternehmerpolitik betreiben. Als eines ihrer Mittel nannte der Redner die von ihm erfolgreich geförderte gewerbliche Unternehmerschulung, in deren Mittelpunkt die theoretische Weiterbildung in betriebswirtschaftlich-unternehmerischen Fächern stehen soll. Fischer wandte sich gegen die staatsinterventionistische, strukturerhaltende Gewerbepolitik der dreissiger Jahre, möchte er doch das Gewerbe ganz auf Selbsthilfe und auf die Abwehr gegen den überbordenden Staatsapparat verpflichten. So lehnten es z.B. die Detaillisten als aussichtslos ab, die Preisbindung der zweiten Hand, die nach anfänglichem Widerstand stillschweigend fallen gelassen worden war, mit gesetzlichen Massnahmen zu reaktivieren
[8].
Entgegen der communis opinio, man habe es beim verbandsmässig organisierten Unternehmertum mit einem kompakten politischen Block zu tun, ergeben die Verbandsverlautbarungen in der Regel eine differenzierte Stellungnahme. So erklärte sich der Handels- und Industrieverein mit dem bereinigten Revisionsentwurf des Nationalbankgesetzes einverstanden, während die Bankiers selbst die Verfassungsmässigkeit der geplanten Gesetzesrevision in Zweifel zogen, ganz offensichtlich weil sie aus materiellen Gründen die Vorlage ablehnten. Der Präsident des Gewerbeverbandes, Nationalrat U. Meyer-Boller, bestritt überhaupt die Möglichkeit, die Konjunktur durch eine Manipulation der Kreditmenge zu steuern, ja er lehnte die Tauglichkeit der abstrakten monetären Konjunkturtheorie schlechthin ab
[9]. Die Kreise aus Handel und Industrie bejahten die Notwendigkeit, dem Bund neue Einnahmen zu verschaffen, während das Gewerbe nach wie vor einer Beschränkung der Bundeseinnahmen das Wort redete, um die Staatsintervention in möglichst engen Grenzen zu halten. Während die Industrie, im Hinblick auf eine staatliche Förderung der Forschung, an der neuen Hochschulvorlage direkt interessiert ist, erblickte das Gewerbe darin eine Schmälerung seiner eigenen Bedürfnisse auf dem Gebiete der beruflichen Bildung. Zu seiner Enquête über den Stand der industriellen Forschung in der Schweiz bemerkte der Vorort mit Genugtuung, die Haltung der schweizerischen Industrie gegenüber statistischen Erhebungen habe sich im positiven Sinne merklich geändert
[10].
Landwirtschaft
Die bäuerlichen Interessenverbände standen dieses Jahr infolge ihrer Preisforderungen und der katastrophalen Lage auf dem Milch- und Buttermarkt in starker Anfechtung
[11]. Sie bemühten sich aber, die gegen sie gerichteten Angriffe zurückzuweisen. So beklagte der Schweizerische Bauernverband, dass es an den heute « unerlässlichen, zielbewussten Produktionslenkungsmassnahmen » fehle. Ferner wies er auf weitere Preissteigerungen der für die Landwirtschaftsbetriebe unerlässlichen Produktionsmittel, welche die bäuerliche Ertragsrechnung allzusehr belasteten. In diesem Sinne wurde im Hinblick auf die 7. Revision der AHV und die daraus zu erwartende Belastung der Selbständigen gefordert, man müsse den bisherigen Grundsatz der Prämiengleichheit durchbrechen, da sonst das Solidaritätsprinzip überfordert werde. Man empfahl eine mit steigendem Einkommen degressive Beitragsskala. Der Innerschweizer Bauernverband beschwerte sich über den Butterstreik, den er im Hinblick auf die Schädigung des Volksganzen mit dem Generalstreik von 1918 verglich
[12]. Anlässlich der eidgenössischen Wahlen
[13] bewiesen die Bauern, dass sie trotz ihrem zahlenmässigen Rückgang ihre Interessenvertretung in den Räten leicht erhöhen konnten. Der Landwirtschaftliche Klub der Bundesversammlung ist von etwa 80 auf 87 Mitglieder angewachsen
[14].
Arbeitnehmer
In den Arbeitnehmerkreisen gaben die Schwierigkeiten in der Nachwuchsrekrutierung ähnlich wie im vergangenen Jahre am meisten zu reden. Wenn 1967 auch nicht alle Verbände davon in gleicher Weise betroffen wurden
[15], so ist doch der allgemeine Trend — mit Ausnahme der Angestelltenverbände
[16] — seit mehreren Jahren rückläufig
[17]. Dass diese Erscheinung international ist, beweist eine Studie von Hartmut Schellhoss über « Apathie und Legitimität, Das Problem der neuen Gewerkschaft »
[18]. Je mehr die Gewerkschaften zum allgemeinen Ordnungsfaktor aufsteigen, je mehr sie ihren ursprünglich klassenkämpferischen Charakter ablegen, desto weniger betrachten es die jungen Arbeiter als notwendig, ihnen noch beizutreten. Denn sie werden der Vorteile, welche die Gewerkschaften in ihrem Interesse aushandeln, auch ohne Beitritt (und Mitgliederbeitrag!) teilhaftig. Die Reaktion vieler Gewerkschaften auf diese Entwicklung ist verständlich, aber, wie die Erfahrung zeigt, nicht immer erfolgversprechend. So wurde am Luzerner Kongress des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbandes erneut ein Berufsbeitrag der Nichtorganisierten gefordert
[19]. An der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie im Juni 1967, die dem Thema « Die Gewerkschaften in ihrer Umwelt » gewidmet war, bekannte sich der Solothurner Regierungsrat W. Ritschard, früher Gewerkschaftsfunktionär, ébenfalls zum Prinzip, für die Organisierten sollten Vorzugsbedingungen ausgehandelt werden
[20]. Der erste Versuch, einen « Friedensrappen » bei Nichtorganisierten einzukassieren, verhinderte indessen anfangs 1968 die Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrages in der Bekleidungsindustrie
[21]. Es ist daher begreiflich, dass Nationalrat A. Heil an der Feier zum 60jährigen Jubiläum des Christlichnationalen Gewerkschaftsbundes im Mai 1967 bezweifelte, ob man die mangelnde Solidarität der Arbeitnehmer dadurch kompensieren solle, Staat und Arbeitgeber in die Rolle von « Mitgliedertreibern » zu drängen
[22]. In diesem Sinne lehnte auch der Kongress des Schweizerischen Eisenbahnerverbandes alle Anträge ab, welche die Mitgliedschaft zur Gewerkschaft obligatorisch erklären wollten
[23].
Nach Heil sollten die Gewerkschaften endlich davon Kenntnis nehmen, dass sich der Arbeiter zum Wohlstandsbürger gewandelt habe; sie hätten sich deshalb in vermehrtem Masse den Selbsthilfeeinrichtungen und den Bildungs- und Förderungsinstitutionen zu widmen. So möchte der Landesverband freier Schweizer Arbeiter vermehrtes Gewicht auf Kulturpolitik und den Ausbau der Arbeitsgerichtsbarkeit legen
[24]. In dieser Richtung gingen auch die Vorschläge des Präsidenten des SMUV, Nationalrat Wüthrich: Schaffung von Kassen zur Weiterbildung und zum Ausbau des Gesundheitsdienstes. Freilich soll auch hier wieder indirekt das Solidaritätsprinzip für die Nichtorganisierten verwirklicht werden (die Gesamtheit aller und nicht nur der organisierten Arbeiter hätten ein halbes oder ganzes Lohnprozent an diese paritätisch gedachte Kasse abzuliefern)
[25]. Würde aber die Gewerkschaft nicht gerade dann an Anziehungskraft gewinnen, wenn sie solche Dienstleistungen ausschliesslich ihren Mitgliedern zukommen liesse? Ob freilich der Gewerkschafter, bei dem mehr und mehr die Konsumentenhaltung in den Vordergrund tritt, heute schon zu den hiezu nötigen finanziellen Opfern bereit wäre, kann bezweifelt werden. Lehnte doch die Jahresversammlung des Schweizerischen VPOD (Verband des Personals öffentlicher Dienste) den Antrag des Vorstandes ab, die Mitgliederbeiträge automatisch an die Teuerung anzupassen
[26]. Die Gewerkschaften sind für ihre Mitglieder heute eben vor allem insofern interessant, als sie deren Forderungen nach Erhöhung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen gegenüber den Arbeitgebern und dem Staat so nachdrücklich als möglich vertreten
[27].
[2] BN, 394, 18.9.67; NZZ, 3910, 20.9.67.
[3] Die Anfrage einer nicht eingeladenen Zeitung wurde laut Lb, 271, 20.11.67, dahin beantwortet, die Einladung richte sich nur an persönlich bekannte Vertreter der Tagespresse ausgesprochen bürgerlicher Observanz.
[5] Schweizerische Arbeitgeber-Zeitung, 62/1967, S. 537, 551 f.; NZZ, 5051, 24.11.67.
[8] Tat, 42, 20.2.67; Vat., 48, 27.2.67; Bund, 153, 24.5.67.
[9] NZZ, 2053, 10.5.67; vgl. oben, S. 55 f.
[10] NZZ, 4420, 20.10.67; vgl. oben, S. 63 f., 119 u. 124 f.
[11] Wir entnehmen diese Angaben dem in Druckfahnen vorliegenden 70. Jahresbericht des Schweizerischen Bauernverbandes, Brugg 1968; vgl. oben, S. 67 ff.
[13] In der NBZ (263, 10.11.67) wurde zwar beklagt, dass trotz ihrer Aufforderung, vor allem Bauern zu wählen (NBZ, 236, 10.10.67) die Berner Delegation im Nationalrat nur mehr zwei Bauern zähle.
[14] NZZ, 4158, 4.10.67; 5364, 12.12.67.
[15] Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund verzeichnete einen Mitgliederrückgang von 1060 Mitgliedern (von 92 696 Ende 1966 auf 91 636 Ende 1967). Der Christliche Metallarbeiterverband kennt dagegen weniger Nachwuchssorgen. Das Durchschnittsalter seiner Mitglieder liegt unter 30 Jahren (NZ, 240, 29.5.67). Der Schweizerische Gewerkschaftsbund verlor im Laufe des Jahres 1967 2995 Mitglieder. (Mitteilungen der Gewerkschaftssekretariate.)
[16] Die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände zählte Ende 1967 124 789 Mitglieder, 2422 mehr als im Vorjahr und über 20 000 mehr als 1960 (Mitteilung von Dr. E. Schmid von der VSA).
[17] Drei Verbände erreichten ihr Maximum im Jahre 1963: der SGB mit 451 102, der CNG mit 93 397 und der Landesverband freier Schweizer Arbeiter mit 18 723. Für den Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter liegt der Höhepunkt von 14 991 Mitgliedern im Jahre 1964.
[19] Tw, 245/46, 19./20.10.67; NZZ, 4429, 20.10.67.
[20] NZ, 276, 19.6.67; Lb, 166, 20.7.67.
[23] Tw, 129, 6.6.67; NZZ, 2425, 8.6.67.
[24] NZZ, 1917, 2.5.67; NZ, 328, 19.7.67. Vgl. auch oben, S. 108.
[25] Tw, 245/46, 19./20.10.67; NZZ, 4412, 19.10.67. Vgl. auch oben. S. 108.
[26] PS, 137, 19.6.67; NZZ, 2565, 12.6.67; TdG, 136, 13.6.67.
[27] Vgl. z.B. die Lohn- und Ferienforderungen des Föderativverbandes des Personals öffentlicher Verwaltungen und Betriebe kurz vor den Nationalratswahlen; Tw, 243, 17.10.67; NZZ, 4365, 17.10.67. Vgl. auch oben. S. 108 ff.
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