Année politique Suisse 1967 : Infrastructure, aménagement, environnement / Energie
Energiepolitik
Am Ende des Jahres 1966 hatte der Bundesrat einen Bericht über den Ausbau der schweizerischen
Elektrizitätsversorgung veröffentlicht, der den « direkten Sprung» von der Wasser- zur Atomkraft als Gegebenheit voraussetzte und einige energiepolitische Grundsätze formulierte, zugleich aber darauf hinwies, dass die bestehenden Gesetze eine wirksamere Energiepolitik des Bundes nicht erlaubten; von einem Antrag auf Erweiterung der Bundeskompetenzen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft nahm der Bericht jedoch Abstand
[1]. Er wurde am 2. März vom Nationalrat und am 4. Oktober vom Ständerat zur Kenntnis genommen
[2]. Bereits in der vorberatenden Kommission griff Nationalrat Grütter (soz., BE) die Frage der Bundeskompetenzen auf, indem er die Einführung einer ausgedehnteren Konzessionspflicht für Atomkraftwerke und Rohrleitungen postulierte, die dem Bundesrat vermehrten Einfluss auf die Entwicklung geben sollte. Als er damit nicht durchdrang, brachte er sein Postulat in eingeschränkter Fassung (koordinierende Kompetenzen auf dem Gebiet der Atomenergie) vor den Rat. Bundesrat Gnägi bekundete Interesse für den Vorstoss und kündigte für den Fall, dass eine freiwillige Koordination im Atomkraftwerkbau nicht zustande komme, einen entsprechenden Antrag an. Das Postulat wurde jedoch abgelehnt, da es ausser sozialdemokratischer nur BGB-Unterstützung erhielt
[3].
Die Elektrizitätswirtschaft nahm die vom Postulat Grütter verlangte Koordination in Zusammenarbeit mit den Grossbanken selber an die Hand; es wurde eine Arbeitsgruppe zur Aufstellung eines gestaffelten Programms für den Bau von Atomkraftwerken gebildet, um einerseits eine Überlastung des Kapitalmarktes, anderseits eine Überproduktion von Elektrizität zu vermeiden
[4]. Die Zunahme des Landesverbrauchs an elektrischer Energie, die im hydrographischen Jahr 1965/66 auf 2,4 % gesunken war, hob sich zwar 1966/67 wieder auf 3,9 %, blieb aber noch unter dem Durchschnitt der Jahre 1950-1965
[5]. Ein Zurückbleiben der Verbrauchszunahme hinter der Produktionssteigerung war auch im Ausland festzustellen
[6].
Wenn der erwähnte Bericht des Bundesrates den « Sprung » zur Atomkraft befürwortete, so bedeutete das nicht, dass der Bau weiterer Wasserkraftwerke schlechthin als überflüssig zu gelten habe. Auch Nationalrat Bächtold (LdU, BE), der Präsident des Schweizerischen Bundes für Naturschutz, der die Ära der Wasserkraftnutzung als « im Prinzip » abgeschlossen erklärte, hielt die Erstellung von « einigen wenigen » Speicherwerken noch für wünschbar
[7]. Ein nachdrückliches Plädoyer für die Wasserkraft veröffentlichte im Mai der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband, in welchem allerdings konkrete Angaben über den Umfang der noch zu bauenden Anlagen vermisst wurden; es wurde von der NZZ mit der Zurückhaltung des Anlagepublikums gegenüber Kraftwerkanleihen und obendrein mit dem im April erfolgten Baubeschluss für das schweizerisch-französische Grenzkraftwerk Emosson zwischen Martigny (VS) und Chamonix in Zusammenhang gebracht
[8]. Dieses Werk ist wohl die letzte Grossspeicheranlage, die auf Schweizerboden gebaut wird; im übrigen stand die Entwicklung im Zeichen der Atomenergie. Im März wurde von den BKW die Errichtung des Atomkraftwerkes Mühleberg beschlossen
[9], im Dezember folgte der Entscheid der NOK, auf der Beznau (AG) eine zweite Atomenergieanlage zu erstellen
[10]. Auf dem Gebiet der ölthermischen Energie wurde die Zentrale von Chavalon (VS) im Vollausbau eingeweiht
[11] und ebenso die Kleinanlage von Cornaux (NE)
[12]; neue Werke wurden aber nicht in Angriff genommen.
Die Diskussion um die schweizerische Energieversorgung wurde neu belebt durch die Erschwerung der Ölzufuhr und die Preissteigerungen für Erdölprodukte infolge des Nahostkrieges im Juni. Zur Verminderung der einseitigen Abhängigkeit vom Energieträger Öl, der 1967 etwa 72 % des gesamten schweizerischen Energieverbrauches deckte, wurde je nach Interessenlage die vermehrte Verwendung von Atomkraft, Wasserkraft oder Kohle empfohlen
[13]. Als konkretes Postulat stiess in diesem Zusammenhang der Vorschlag, den Wärmeanfall aus Atomkraftwerken für die Heizung von Städten zu benützen, auf Interesse
[14].
Die allgemeine Teuerung gab auch im Energiesektor Anlass zu gewissen
Tarifanpassungen, die zu politischen Auseinandersetzungen führten. So kam es in Genf infolge finanzieller Schwierigkeiten der gemischt kantonal-kommunalen Services industriels, die den Kanton mit Wasser, Gas und Elektrizität beliefern, zu Spannungen zwischen dem Stadtparlament und der Kantonsregierung. Die Stadtvertretung verweigerte dem Budget der Services industriels für 1968 die Genehmigung, da es nur etwa einen Viertel der gesetzlich vorgeschriebenen Ablieferungssumme enthielt, wodurch die Stadt zu einer Steuererhöhung gedrängt worden wäre. Die Kantonsregierung behalf sich damit, dass sie die Services industriels durch den Grossen Rat von ihren Abschreibungsvorschriften dispensierte und damit zur Erfüllung ihrer Pflicht gegenüber der Stadt instand setzte; im übrigen kündigte sie eine Tariferhöhung an. Gegen eine solche regte sich jedoch Opposition seitens der Linksparteien und der Vigilants, die sich vor allem gegen die Beibehaltung von Vorzugstarifen für Grossbezüger wandte; von bürgerlichen Kreisen der Stadt wurde namentlich eine stärkere Heranziehung der wachsenden Vorortgemeinden zur Finanzierung der Investitionen verlangt
[15].
[1] BBI, 1966, II, S. 932 If.; vgl. dazu SPJ 1966, S. 69 ff.
[2] NR: NZZ, 885, 2.3.67; StR: Sten. Bull. StR, 1967, S. 304 ff.
[3] Mit 68 : 55 Stimmen (NZZ, 885, 2.3.67).
[4] Erklärung Bachmanns (rad., AG) vom 4.10.67 im StR (Sten. Bull. StR, 1967, S. 307); NBZ, 133, 10./11.6.67; NZZ, 4143, 4.10.67; 4284, 12.10.67.
[5] Bulletin des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins, 58/1967, S. 1193 f. Die durchschnittliche Zunahme von 1950-1965 betrug 5,3 % für die Sommer- und 5,9 % für die Winterhalbjahre.
[7] NZZ, 479, 4.2.67. Da die Produktion von Atomkraftwerken dem wechselnden Bedarf nur beschränkt angepasst werden kann, besteht die Bedeutung der Speicherwerke hauptsächlich in ihrer Eignung zur Deckung von Bedarfsspitzen.
[8] « Stellungnahme und Thesen des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes zum Ausbau der Schweizer Wasserkräfte» in Wasser- und Energiewirtschaft, 59/1967, S. 93 if. Vgl. dazu NZ, 231, 24.5.67; NZZ, 2239, 23.5.67. Zum Kraftwerk Emosson, an dem die Electricité de France mit 50 %, Motor-Columbus und ATEL mit je 25 % beteiligt sind, vgl. NZZ, 1864, 28.4.67; 3033, 14.7.67; TdL, 145, 25.5.67.
[9] Bund, 95, 13.3.67; 96, 14.3.67; das VED erteilte am 21.3. die erste Teilbaubewilligung (NZZ, 1296, 26.3.67).
[10] NZZ, 5452, 17.12.67.
[11] TdG, 240, 13.10.67; NZZ, 4314, 13.10.67.
[12] TdL, 161, 10.6.67; GdL, 134, 12.6.67.
[13] GdL, 134, 12.6.67; NZZ, 3087, 18.7.67; 3192, 28.7.67; 4143, 4.10.67. Zur Versorgungslage vgl. JdG, 160, 12.7.67; NZZ, 3669, 6.9.67; Wirtschafts-Notizen der Schweizerischen Bankgesellschaft, Juli/August 1967, S. 3 f. Zum Anteil des Öls am Energieverbrauch vgl. NZZ, 203, 31. 3. 68.
[14] Kleine Anfrage StR Choisy (lib., GE) (GdL, 142, 21.6.67; 217, 16./17.9.67).
[15] JdG, 34, 10.2.67; 269, 17.11.67; TdG, 203, 30.8.67; 241, 14./15.10.67; 248, 23.10.67; 275, 23.11.67. Im Conseil municipal von Genf hatte ein sozialistischer Vorstoss gegen eine Tariferhöhung ohne Reorganisation der Services industriels Erfolg, im Grossen Rat nicht (TdG, 284, 4.12.67; 287, 7.12.67; PS, 283, 7.12.67).
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