Année politique Suisse 1967 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
Mietwesen
Während die erwähnten Bestrebungen die Wohnungsknappheit durch Belebung und Befreiung des Marktes zu überwinden trachteten, wurden von anderer Seite neue
Eingriffe des Staates in den Wohnungsmarkt gefordert. Dabei kam es zu zwei getrennten Vorstössen, von denen der eine von einem allgemeinen Recht auf Wohnung ausging, der andere dagegen nur eine Revision des Kündigungsrechts visierte. Im Januar lancierte das Mouvement populaire des familles eine Volksinitiative für das Recht auf Wohnung, die in einem Art. 34 sexies den Bund zu Massnahmen verpflichten will, durch die jedermann eine seinen Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu angemessenem Mietpreis erhielte; im Falle einer Wohnungsnot hätte der Bund zudem ungerechtfertigte Kündigungen und überhöhte Mietzinse zu verhindern. Die Kantone würden zur Mitwirkung herangezogen. Miturheber dieser Initiative waren verschiedene Organisationen der welschen Schweiz: die sozialistischen Parteien, die Sektionen der Partei der Arbeit, christlichsoziale Parteien, Gewerkschaften verschiedener Richtungen sowie eine Anzahl weiterer Vereinigungen. Die Tessiner Sozialisten und einige deutschschweizerische Sektionen des Schweizerischen Mieterverbandes gewährten der Aktion ihre Unterstützung. Im Oktober wurde die Initiative mit 83 526 gültigen Unterschriften eingereicht, von denen mehr als die Hälfte aus den welschen Kantonen stammte; grössere Kontingente lieferten noch der Berner Jura, Baselstadt und Zürich
[44]. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz und der Schweizerische Gewerkschaftsbund stellten sich nicht hinter die Initiative. Jene gab ihren Kantonalorganisationen freie Hand
[45], dieser distanzierte sich ausdrücklich und machte sich zum Hauptträger einer Eingabe an den Bundesrat, in welcher die Verankerung eines Kündigungsschutzes für Wohnungs- und Geschäftsmieter im OR postuliert wurde; diese Eingabe, die auch von der sozialdemokratischen Landespartei, vom Schweizerischen Verband für Wohnungswesen und vom Schweizerischen Mieterverband unterzeichnet war, wurde im Februar eingereicht
[46]. Sie berief sich auf ein vom Nationalrat 1962 überwiesenes Postulat Wüthrich (soz., BE); auf dieses hatte sich auch das JPD bezogen, als es gegen Ende 1966 die Kantonsregierungen um ihre Stellungnahme zu einer Überführung des Ende 1969 dahinfallenden Kündigungsschutzes ins ordentliche Recht, zu einer Vereinheitlichung der Kündigungstermine und zur Frage des Geschäftsmieterschutzes ersuchte
[47]. Namentlich die Volksinitiative, aber auch die Eingabe des Gewerkschaftsbundes erntete wegen ihres dirigistischen Gehalts scharfe Ablehnung in der liberalen Presse sowie in Unternehmer- und Gewerbekreisen
[48]; die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände stellte dagegen eine eigene Eingabe für die Beibehaltung eines gewissen Kündigungsschutzes in Aussicht
[49]. Als dann während der Dezembersession im Nationalrat zwei Postulate begründet wurden, die eine Verlängerung (Dafflon, PdA, GE), bzw. die Möglichkeit einer ausnahmsweisen befristeten Wiedereinführung des Mieterschutzes (Schmid, dem.-ev. ZH) wünschten, erklärte sich der Chef des JPD gegen eine Weiterführung der bereits viermal verlängerten Mietpreiskontrolle. Der Rat überwies das Postulat des Angestelltenvertreters Schmid, dasjenige Daflìons lehnte er mit 71: 50 Stimmen ab
[50]. Auf Neujahr 1968 wurden von den 1171 noch unter Mietzinsüberwachung stehenden Gemeinden 453 in die volle Wohnungsmarktfreiheit entlassen
[51].
[44] BBI, 1967, II, S. 1154 ff.; PS, 17. 21.1.67; NZ, 80, 18.2.67; 471, 12.10.67.
[45] Beschluss des Parteitags von Lausanne vom 22./23.10.66 (PS, 245, 24.10.66).
[46] PS, 63, 17.3.67; Tw, 40, 17.2.67. Die Veröffentlichung des Revisionsvorschlags in NZZ, 61, 6.1.67, war verfrüht (vgl. NZZ, 155, 13.1.67); der veröffentlichte Text entsprach aber im wesentlichen dem Inhalt der Eingabe. Unsere Darstellung in SPJ 1966, S. 96 f. ist demgemäss zu berichtigen. Vgl. auch NZZ, 132, 28.2.68.
[47] Tw, 46, 24.2.67. Vgl. auch ASW, 1962, S. 125.
[48] NZZ, 61, 6.1.67; 2286, 25.5.67; JdG, 38, 15.2.67; Bund, 67, 17.2.67; 282, 22.10.67 (Gewerblicher Informations- und Pressedienst); BN, 150, 11.4.67; GdL, 240, 14./15.10.67; Wirtschaftsförderung, Dokumentations- und Pressedienst, 5, 30.1.67; Bericht über Handel und Industrie der Schweiz im Jahre 1966... (Vorort), S. 206 f. (auch gegen Geschäftsmieterschutz).
[49] NZZ, 1847, 27.4.67; 2772, 25.6.67.
[50] NZZ, 5509, 21.12.67. Der Bundesrat war formell bereit, beide Postulate entgegenzunehmen.
[51] NZZ, 5531, 23.12.67.
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