Année politique Suisse 1967 : Politique sociale / Population et travail
Arbeitsrecht
Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts trat die seit Jahren vorbereitete Revision der Artikel über den Dienstvertrag im OR ins Stadium der parlamentarischen Beratung. Auf Grund der Arbeiten einer 1957 vom JPD eingesetzten Expertenkommission sowie eines ausgedehnten Vernehmlassungsverfahrens hatte Prof. W. Hug einen Text redigiert, der im Spätsommer vom Bundesrat vorgelegt wurde. Die Vorbereitung der Revision stand im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des eidgenössischen Arbeitsgesetzes; sie bildet zu dieser das privatrechtliche Gegenstück. Der Entwurf des Bundesrates brachte einerseits eine Kodifikation des bestehenden Arbeitsvertragsrechts, anderseits aber auch eine Neugestaltung entsprechend den veränderten Verhältnissen und Auffassungen, was symbolisch in der Ersetzung der im deutschen Text bisher noch verwendeten Begriffe Dienstvertrag, Dienstherr und Dienstpflichtiger durch Arbeitsvertrag, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Ausdruck kam; zugleich wurde die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern aufgegeben. Inhaltliche Neuerungen betrafen hauptsächlich den Einzelarbeitsvertrag. So wurde für die Personalfürsorgeeinrichtungen die Möglichkeit vorgesehen, die einem Arbeitnehmer aus eigenen Beiträgen und aus Zuwendungen des Arbeitgebers zustehenden Mittel beim Stellenwechsel auf die Fürsorgeeinrichtung des neuen Arbeitgebers zu übertragen; langjährigen Arbeitnehmern wurde als allfälliger Ersatz für Fürsorgeleistungen der Anspruch auf eine Abgangsentschädigung zuerkannt. Ganz allgemein wurde der Arbeitgeber verpflichtet, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen. Spezielle Neuregelungen sicherten den Lohnanspruch des Arbeitnehmers in besonderen Fällen und den wöchentlichen arbeitsfreien Tag, milderten das Konkurrenzverbot für aus dem Betrieb ausgetretene Arbeitnehmer und verstärkten die Stellung des Arbeitnehmers bei einer Betriebsübertragung sowie den Kündigungsschutz. Eine Präzisierung erfuhr das Vertragsverhältnis des Heimarbeiters
[1].
Die Vorlage fand eine günstige Aufnahme
[2]; von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmerseite wurden allerdings Vorbehalte angemeldet
[3]. Die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände wünschte in einer Eingabe an die parlamentarischen Kommissionen verschiedene Änderungen, namentlich eine höhere Abgangsentschädigung
[4]. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Kongress des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbandes die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Arbeitsverhältnis verlangte
[5].
Von gewerkschaftlicher Seite wurde im übrigen der Gedanke einer Privilegierung der Organisierten in den Gesamtarbeitsverträgen weiterverfolgt. Ein neues Aktionsprogramm des Christlichen Metallarbeiter-Verbandes enthielt neben der allgemeinen Forderung nach einer wirtschaftlichen Besserstellung das Postulat einer Gewährung bezahlten Urlaubs für den Besuch gewerkschaftlicher Bildungskurse
[6]. Die Frage des bezahlten Bildungsurlaubs wurde auch vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund aufgegriffen
[7]. Am Kongress des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbandes schlug dessen Zentralpräsident, Nationalrat Wüthrich (soz., BE), vor, derartige Urlaube mit Hilfe einer paritätischen Kasse der Vertragspartner für gemeinsame Aufgaben zu finanzieren; der Kongress unterstützte die Idee einer solchen Kasse, die ganz allgemein die Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie die Einrichtung eines gemeinsamen Gesundheitsdienstes ermöglichen sollte
[8]. Arbeitsrechtliche Postulate anderer Arbeitnehmerverbände bezogen sich auf das Mitbestimmungsrecht im Betrieb, dessen schrittweise Einführung der Schweizerische Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter verlangte
[9], auf den Ausbau der Arbeitsgerichtsbarkeit in allen Kantonen, den der Landesverband freier Schweizer Arbeiter zur Durchsetzung der Bestimmungen des Arbeitsgesetzes für erforderlich erklärte
[10], sowie auf die Gleichstellung der Frau in Lohn- und Aufstiegsbedingungen, die vom Verband der christlichen Angestellten befürwortet wurde
[11]. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund unternahm einen Vorstoss für den Übergang zur 45-Stunden-Woche, den das Arbeitsgesetz für die Zeit nach Neujahr 1968 unter Vorbehalt der Arbeitsmarktlage dem Ermessen des Bundesrates anheimstellt; Nationalrat Wüthrich reichte im September eine entsprechende Interpellation ein, die jedoch vom Bundesrat nicht vor Jahresende beantwortet wurde
[12].
[1] BBl, 1967, II, S. 241 ff. Vgl. auch Zusammenfassung in Bund, 243, 6.9.67.
[2] NZ, 411, 6.9.67; Bund, 243, 6.9.67; Ostschw., 207, 6.9.67; GdL, 208, 6.9.67; BN, 382, 9./10.9.67.
[3] Wirtschaftsförderung, Dokumentations- und Pressedienst, 37, 11.9.67; Gewerkschaftskorrespondenz, 33, 7.9.67.
[4] NZZ, 4867, 15.11.67; 5201, 3.12.67. Vgl. auch das Postulat von StR Borel (unten S. 113).
[5] PS, 244, 23.10.67. Der Christliche Metallarbeiter-Verband postulierte den stufenweisen Übergang von Stundenlöhnen zu Monatslöhnen (NZZ, 2341, 29.5.67.)
[6] NZ, 239, 29.5.67; NZZ, 2341, 29.5.67; Vat., 122, 30.5.67.
[7] Vgl. Gewerkschaftskorrespondenz, 39, 19.10.67, und PS, 281, 5.12.67, wo auf die gesetzliche Verankerung des Bildungsurlaubs in Frankreich und auf die Université ouvrière in Genf hingewiesen wird, für deren Besuch die Stadt Lohnausfallentschädigung ausrichtet.
[8] NZZ, 4412, 19.10.67; 4429, 20.10.67; Gewerkschaftskorrespondenz, 40, 26.10.67. Vgl. ferner den Sektionsvorschlag, gewerkschaftliche Bildungskurse aus einem auch von den Nichtorganisierten zu entrichtenden Berufsbeitrag zu finanzieren. S. auch unten, S. 157 f.
[11] NZZ, 4845, 13.11.67.
[12] NZZ, 3045, 14.7.67; Tw, 224, 25.9.67; 231, 3.10.67. Das Echo von Arbeitgeberseite lautete eindeutig negativ (Schweizerische Arbeitgeber-Zeitung, 62/1967, S. 582).
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