Année politique Suisse 1968 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Freisinnige Partei
Auch der Freisinn setzte sich an seiner Delegiertenversammlung in Montreux im Mai mit den gegenüber den Bundesratsparteien erhobenen Vorwürfen auseinander. Der Fraktionspräsident, Nationalrat A. Weber (UR), wünschte seiner Partei mehr Profil. Nach den Worten des Generalsekretärs H.-R. Leuenberger sollte das Image der Partei durch eine klare politische Haltung und durch eine zukunftsorientierte Programmatik verbessert werden. Der Reformantrieb manifestierte sich insbesondere im Willen, konstruktive Mitarbeit bei der Totalrevision der Bundesverfassung zu leisten. Richard Reich, der Präsident der für die Totalrevision eingesetzten Kommission, unterstrich die Notwendigkeit einer eidgenössischen Auslegeordnung
[12]. Von allen schweizerischen Parteien befasste sich die freisinnige Parteimiliz wohl am intensivsten mit dieser Frage. Verschiedene kantonale Parteien widmeten der Totalrevision besondere Tagungen
[13]. Bemerkenswert war vor allem der Versuch, die Parteimitglieder durch Beantwortung von Fragebogen zu aktivieren
[14]. Zeigten die meisten Antworten im allgemeinen eine deutliche Zurückhaltung, so lassen sich doch auch einige recht progressive Vorschläge registrieren. Wir denken dabei auch an die Gruppe der Genfer Jeunes radicaux, die in einer zur Feier ihres 50. Geburtstags herausgegebenen Broschüre die Partei aufmunterte, « de retrouver l'intransigeance de ses origines et, du même coup, son audience »
[15]. Als Entgegenkommen gegenüber den Jungen darf wohl auch die Wahl des jugendlichen, erst 42jährigen Genfer Staatsrates Henri Schmitt zum neuen Parteipräsidenten gewertet werden.
In den Verhandlungen der Delegiertenversammlung, die dem Thema der schweizerischen Aussenpolitik gewidmet waren, zeigte sich der Freisinn allerdings mehr von seiner konservativen Seite. Seine Abgeordneten wurden mit dem Beitritt der Schweiz zur UNO (Nationalrat Freymond), zur EWG (Botschafter Jolies) und der Aktivierung des aussenpolitischen Bewusstseins konfrontiert. Die abschliessende Resolution war grossenteils auf Bewahren und Abwarten abgestimmt, ähnlich wie die Jahresberichte, die « diskussionslos und oppositionslos genehmigt wurden»
[16]. Das veranlasste den Berichterstatter der «Feuille d'Avis de Lausanne » zur folgenden scharfen Bemerkung: «Entre habitués des hémicycles on cultivait de fraternelles généralités, . . . que les profanes de la politique ne comprennent fout simplement pas. L'étonnant au moment où craquent tant de charpentes, c'est la paix totale qui baigne le » sommet « de notre plus grande formation politique»
[17].
[12] NZZ, 318, 27.5.68; 332, 31.5.68; NZ, 239, 7.5.68; TdL, 147, 26.5.68; TdG, 123, 27.5.68.
[13] NZZ, 733, 26.11.68; NZ, 547, 25.11.68 (Aargau); TdL, 331, 26.11.68; GdL, 282, 2.12.68 (Waadt); NZZ, 616, 7.10.68 (Zürich); 614, 4.10.68 (St. Gallen).
[14] Vgl. Umfrage der Zürcher (NZZ, 629, 11.I 1.68) und der Waadtländer (TdL, 331, 26.11.68).
[15] Jeunesse radicale progressiste, Genève 1918-1968, Manifeste de la jeunesse radicale progressiste..., Novembre 1968, S. 17; vgl. PS, 277, 30.11.68; NZ, 594, 23.12.68.
[17] Feuille d'avis de Lausanne, 122, 27.5.68.
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