Année politique Suisse 1968 : Economie / Agriculture / Tierische Produktion
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Milch
Der bereits 1967 aufgetürmte Butterberg warf seine Schatten auf die Milchpolitik des Jahres 1968 [45]. Von den kurzfristigen Massnahmen zu dessen Abbau versprach die erneute Verbilligungsaktion für eingesottene und Kochbutter am meisten Erfolg. Sie dürfte den Steuerpflichtigen weitere 30 Mio Fr. kosten. Der behördlichen Preissenkung von Mitte Januar, die durch Indiskretion vorzeitig bekannt wurde, war eine Baisse-Offensive von Coop und Migros vorausgegange [46]. Zur Entlastung des inländischen Marktes wurden auf importierten Milchprodukten Preiszuschläge erhoben. Die EWG, Österreich und Dänemark reduzierten zudem nach Verhandlungen ihre Exportsubventionen für gewisse Käsesorten [47]. Die daraus resultierenden Preiserhöhungen begegneten bei den Grossverteilerorganisationen und beim Landesring einer energischen, aber erfolglosen Kritik [48]. Umgekehrt wurde zwar der Export von Schweizer Käse nach den USA durch eine Importkontingentierung erschwert, doch traf diese unseren Qualitätskäse (Preis über 47 cents je lb.) nicht [49]. Der Bundesrat bewilligte ferner zusätzliche 10 Mio Fr. für die Lieferung überschüssiger Milchprodukte in Hungergebiete [50]. Schliesslich erhöhte er die Belastungen auf ausländischen Milchersatzfuttermitteln und stellte Gehaltsnormen für solche Futtermittel auf, was die Bauern veranlasste, bei der Kälbermast vermehrt Vollmilch zu verwenden [51]. Die landwirtschaftlichen Organisationen kämpften gegen Vorstösse der Margarinefabrikanten [52] und insbesondere gegen den Versuch, Margarine mit 10 % Butter in butterähnlicher Verpackung auf den Markt zu bringen. Die Herstellerfirma konnte sich zwar auf eine Bewilligung des Eidg. Gesundheitsamtes berufen. Der Bundesrat beanstandete aber vor allem die Werbung für dieses Produkt, da sie zu Verwechslungen mit Butter Anlass gebe [53]. Bereits 1967 hatte die Abteilung für Landwirtschaft eine Revision des Milchwirtschaftsbeschlusses in doppelter Hinsicht vorgeschlagen: Der sog. Rückbehalt, der vom Milchpreis abgezogen wird, um den Produzentenanteil an der Deckung der Verwertungsverluste bei Milchprodukten sicherzustellen, sollte von 3 Rp. auf maximal 6 Rp. erhöht werden. Zudem seien in Zukunft auch die inländischen Milchersatzfuttermittel durch eine Abgabe zu verteuern [54]. Die landwirtschaftlichen Verbände lehnten eine Erhöhung des Rückbehalts energisch ab [55]. Verschiedene grosse Bauernversammlungen machten den Widerstand deutlich [56]. Vorort und Arbeitgeberverband unterstützten gemeinsam den Vorschlag des Bundesrates [57]. Der Gewerkschaftsbund und die Konsumgenossenschaften forderten hingegen einen unbeschränkten Rückbehalt und die Begrenzung des Bundesbeitrages an die Milchwirtschaft auf 100 Mio Fr. jährlich [58]. In einer Botschaft stellte der Bundesrat noch weitere Alternativlösungen zur Diskussion: Herabsetzung des Milchgrundpreises, Kontingentierung der Produktion oder Globalplafonierung der Milchsubventionen [59]. In der Sicht des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten (ZVSM) schien nun die Erhöhung des Rückbehalts das kleinste Übel zu sein [60]. Eine Kompromisslösung zeichnete sich bei den Beratungen der nationalrätlichen Kommission ab [61], doch erst im Plenum kam es zu einer Einigung. Ein 7-Punkte-Programm, das Umstellungen auf nichtmilchwirtschaftliche Produktion mit einem Kostenaufwand von 30 Mio Fr. vorsah, bewog die Landwirtschaftsvertreter, einer Erhöhung des Rückbehalts auf 5 Rp. (davon wird 1 Rp. für grossangelegte Ausmerzaktionen im Talgebiet verwendet und kommt somit der Landwirtschaft wieder zugut) zuzustimmen. Für den Fall, dass diese Massnahmen zur Eindämmung der Milchschwemme nicht genügen würden, müsste laut Beschluss eine Kontingentierung eingeführt werden [62].
In der Folge unternahmen die landwirtschaflichen Organisationen Anstrengungen, um die drohende Kontingentierung abzuwenden. Die Delegiertenversammlung des ZVSM beschloss, die Einschränkung der Produktion um 5 % durch die Milchgenossenschaften überwachen zu lassen [63]. Nach wiederholten Appellen an die Solidarität und die Disziplin der Landwirte begannen die Milcheinlieferungen im Vergleich zum Vorjahr erstmals abzunehmen: im Mai in der deutschen Schweiz, im Juni auch in der Westschweiz [64]. Deshalb forderte die vom ZVSM eingesetzte Kommission zur Vorbereitung einer allfälligen Kontingentierung, als sie ihr Rahmenprogramm vorlegte, gleichzeitig eine Verlängerung der Gnadenfrist bis Frühjahr 1969 [65]. Am 23. Oktober beschloss der Bundesrat ein langfristiges vierstufiges Sanierungsprogramm. Danach müssen die Milcheinlieferungen laufend zurückgehen, in der Abrechnungsperiode 1969/70 schliesslich bis auf 24,5 Mio q, wenn die grundsätzlich beschlossene Kontingentierung nicht in Kraft treten soll [66]. Die Lage hatte sich bis Jahresende so weit beruhigt, dass im Dezember erstmals wieder Butter importiert werden konnte. Der Auffassung der Landwirte, damit komme eine Kontingentierung überhaupt nicht mehr in Frage, hielt Bundesrat Schaffner entgegen, zuerst müssten die Ausverkaufspreise für Butter rückgängig gemacht werden. Zudem habe die Milch nur sekundär den Butterbedarf zu decken [67]. Das Damoklesschwert einer Kontingentierung hängt somit weiterhin über der schweizerischen Milchwirtschaft.
Die auf Ende Juli 1968 befristete Käsemarktordnung musste verlängert werden, da die neue Vorlage nicht rechtzeitig vom Parlament hätte behandelt werden können [68]. Um die Starrheit der Kontingente schon jetzt zu lockern, wurde auf Vorschlag des Bundesrates eine Warenreserve von 60 000 q geschaffen, aus der jenen Firmen Unionskäse zuzuteilen ist, die über zuwenig Ware verfügen [69]. In der Botschaft zur neuen, definitiven Käsemarktordnung verzichtete der Bundesrat angesichts der starken Opposition im Vemehmlassungsverfahren auf die Umwandlung der Käseunion in eine öffentlich-rechtliche Genossenschaft. Dafür erhält der Bund ein verbessertes Aufsichts- und Weisungsrecht. Er legt aber nur die Grundsätze fest; die Vermarktung liegt in den Händen der Käseunion. Neu werden die Ablieferungspflicht verankert und die Quoten aufgehoben [70]. Der Ständerat präzisierte die Vorlage dahin, dass das Kapital der Käseunion unverzinst bleiben und die Käsevermarktungsgrundsätze durch den Präsidenten und die Geschäftsleitung aufgestellt werden sollen [71].
 
[45] Vgl. SPJ, 1967, S.69.
[46] NZZ, 34, 17.1.68. Mit dem bereits 1967 vorgesehenen Verwertungsverlust beläuft sich der Aufwand für das Milchjahr 1967/68 auf 70 Mio Fr. (NBZ, 54, 5.3.68).
[47] NZZ, 472, 2.8.68; 479, 6.8.68; TdG, 181, 3./4.8.68; GdL, 183, 7.8.68; Genossenschaft, 36, 7.9.68; Tat, 219, 18.9.68.
[48] Bund, 76, 31.3.68; NZZ, 299, 16.5.68; Vat., 140, 18.6.68; GdL, 146, 25.6.68; NZZ, 508, 19.8.68.
[49] NZZ, 507, 2.10.68; GdL, 183, 7.8.68.
[50] NZ, 53, 1.2.68; Vat., 33, 8.2.68; NZZ, 381, 24.6.68. Schon 1967 hatte der Bundesrat zu diesem Zweck 5 Mio Fr. bewilligt.
[51] NZ, 53, 1.2.68; NZZ, 299, 16.5.68; 326, 29.5.68.
[52] NBZ, 54, 5.3.68.
[53] NZZ, 606, 2.10.68; 613, 4.10.68; 622, 9.10.68 (Antwort auf eine Kleine Anfrage NR Leus (k.-chr., LU); Vat., 230, 2.10.68; NZZ, 647, 20.10.68.
[54] NZZ, 36, 17.1.68; 39, 18.1.68.
[55] NBZ, 13, 17.1.68; GdL, 21, 26.1.68; Ostschw., 20, 24.1.68; NZZ, 55, 25.1.68; NZ, 43, 26.1.68.
[56] NBZ, 14, 18.1.68; Ostschw., 15, 18.1.68; GdL, 28, 3./4.2.68; 34, 10./11.2.68.
[57] Bund, 31, 7.2.68.
[58] NZZ, 56, 26.1.68; 62, 29.1.68; Vr, 25, 31.1.68; gk, 3, 25.1.68.
[59] BBI, 1968, I, S. 345 ff.
[60] NBZ, 37, 14.2.68; Vr, 38, 15.2.68; Ostschw., 38, 16.2.68; NZZ, 113, 20.2.68; GdL, 42, 20.2.68.
[61] GdL, 51, 1.3.68; NZZ, 137, 138, 1.3.68.
[62] Sten. Bull. NR, 1968, S. 48 ff., 131 u. 161; Sten. Bull. StR, 1968, S. 10 ff. u. 66.
[63] NBZ, 97, 26.4.68; GdL, 97, 26.4.68; NZZ, 255, 26.4.68.
[64] NZZ, 184, 22.3.68; JdG, 77, 1.4.68; NBZ, 81, 5.4.68; NZZ, 371, 19.6.68; Bund, 164, 16.7.68.
[65] NZZ, 558, 10.9.68; Tat, 215, 12.9.68; NBZ, 248, 23.10.68.
[66] NBZ, 250, 25.10.68; Vat., 251, 26.10.68; GdL, 250, 25.10.68.
[67] BN, 505, 29.11.68; TdG, 286, 5.12.68; NBZ, 285, 5.12.68; NZZ, 756, 6.12.68; Bund, 292, 12.12.68. Antwort auf Kleine Anfrage von NR Baumann (BGB, AG).
[68] Vgl. SPJ, 1967, S. 69 u. SPJ, 1966, S. 67.
[69] Sten. Bull. NR, 1968, S. 234 f.; Sten. Bull. StR, 1968, S. 402.
[70] BBl, 1968, I, S. 1025 ff.
[71] Sten. Bull. StR, 1968, S. 307 ff.