Année politique Suisse 1968 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Mietwesen
Der Bundesrat versuchte aber auch den verschiedenen Begehren um die Aufrechterhaltung eines staatlichen Schutzes für die Mieter Rechnung zu tragen. Solche Begehren waren in Form einer Volksinitiative, zweier Eingaben sowie mehrerer parlamentarischer Vorstösse in den vorangegangenen Jahren vorgebracht worden, um die Wiederherstellung der vollen Marktfreiheit beim Wegfall der bis Ende 1969 befristeten Verordnung über Mietzinse und Kündigungsbeschränkung zu verhindern [28]. Der Inhalt der Postulate reichte von einer gewissen Einschränkung des Kündigungsrechts der Vermieter über die Möglichkeit einer befristeten Mietzinskontrolle in Notzeiten bis zum Recht auf eine Wohnung zu angemessenem Preis. Umfragen des EJPD bei den Kantonen ergaben, dass kaum die Hälfte von ihnen neue bundesgesetzliche Massnahmen befürwortet [29]. Auch an Konferenzen, die das EJPD mit Vertretern der Kantone und der Wirtschaftsverbände abhielt, waren die Meinungen geteilt [30]. So begnügte sich der Bundesrat damit, eine Ergänzung des OR zu beantragen, die es den Kantonen anheimstellen würde, für besondere Härtefälle eine Kündigungsbeschränkung einzuführen und deren räumlichen und sachlichen Geltungsbereich zu bestimmen [31]. Der Entwurf erntete Kritik von rechts wie von links: die Verteidiger des Privateigentums erklärten die vorgesehenen Einschränkungen als verfassungswidrig, während den Mietern nahestehende Kreise vor allem die Unverbindlichkeit der neuen Bestimmungen bemängelten [32]. Auf den 1. Oktober hob der Bundesrat die Mietzinsüberwachung in weiteren 300 Gemeinden auf, so dass sie nur noch in deren 419 bestehen blieb [33].
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P.G.
 
[28] So insbesondere die Initiative für ein Recht auf Wohnung und die Eingabe des Schweiz. Gewerkschaftsbundes, der Sozialdemokratischen Partei, des Schweiz. Verbandes für Wohnungswesen und des Schweiz. Mieterverbandes, die beide 1967 eingereicht worden waren (vgl. SPJ, 1967, S. 99 f., und BBI, 1968, II, S. 850 if.).
[29] Umfragen vom November 1966 und vom April 1968 (BBl, 1968, II, S. 851 ff.); vgl. auch SPI, 1967, S. 100. Der Genfer Staatsrat intervenierte im November im Bundeshaus zugunsten einer Verlängerung des eidgenössischen Mieterschutzes (TdG, 294, 14./15.12.68).
[30] BBI, 1968, II, S. 856; GdL, 263, 9./10.11.68; Schweizerische Gewerbe-Zeitung, 52, 27.12.68.
[31] BBI, 1968, II, S. 856 ff.
[32] Vgl. zur Kritik von rechts: NZZ, 727, 24.11.68 (Schweiz. freisinniger Pressedienst); 750, 4.12.68 (Zentralverband schweiz. Arbeitgeber-Organisationen); 760, 9.12.68 (Schweiz. Hauseigentümerverband); Schweizerische Gewerbe-Zeitung, 49, 6.12.68; wf, Dokumentationsund Pressedienst, 51, 16.12.68; zur Kritik von links: NZ, 568, 7.12.68; gk, 47, 28.11.68; NZZ, 794, 23.12.68 (Vereinigung schweiz. Angestelltenverbände).
[33] AS, 1968, S. 1164 ff.