Année politique Suisse 1968 : Politique sociale
Groupes sociaux
Poursuite de la politique de stabilisation des effectifs des travailleurs étrangers, mais légère augmentation de ces effectifs — Les milieux syndicaux réclament une réduction — L'initiative des démocrates zurichois contre l'hyperxénie, rejetée par les Chambres fédérales, est retirée par ses auteurs — L'« Action nationale contre l'hyperxénie » proteste et lance une nouvelle initiative populaire.
Ausländerpolitik
Die Politik des Bundesrates in bezug auf die
ausländischen Arbeitskräfte strebte einerseits die Stabilisierung des Bestandes, anderseits die Rückkehr zum freien Arbeitsmarkt an. Der Bundesrat präsentierte im Februar den Kantonen und Spitzenverbänden einen entsprechenden Beschlussesentwurf. Zur Liberalisierung des Arbeitsmarkts schlug er vor, die Ausländer nach Jahrringen aus der Plafonierung zu entlassen, wie das die meisten Kantone, der Gewerbeverband und die christlichnationalen Gewerkschafter gewünscht hatten. Die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund vorgeschlagene gesamtschweizerische Globalplafonierung mit schrittweiser Lockerung der Betriebsplafonds wurde mangels statistischer Unterlagen abgelehnt
[1]. Demnach waren 1968 die Ausländer mit sieben Jahren Aufenthalt aus der Plafonierung zu entlassen, ab 1969 diejenigen mit fünf Jahren Aufenthalt. Sie durften aber nicht durch Neueinwanderer ersetzt werden. Um die Umwandlungen von Saison- in Jahresaufenthaltsbewilligungen und die Ausnahmebewilligungen wettzumachen, sollte zudem ein linearer Abbau von 3-4 % bis zum 30. November 1968 erfolgen. Die Zahl der Saisonarbeiter sollte dagegen nicht mehr betrieblich plafoniert, sondern entsprechend einem Wunsch des Gewerbeverbandes durch gesamtschweizerisch festgesetzte Branchenplafonds begrenzt werden
[2]. Die Presse kommentierte eher vorsichtig, da die im einzelnen komplizierten Vorschriften als schwer durchschaubar empfunden wurden
[3]. Indessen wurde von demokratischer und sozialdemokratischer Seite auf den Zuwachs der ausländischen Wohnbevölkerung durch Geburten und Familiennachzug verwiesen und die blosse Stabilisierung des Bestandes der Arbeitskräfte als ungenügend erachtet
[4].Die Bundesräte von Moos und Schaffner besprachen den Entwurf am 13. Februar mit den Vertretern der Kantone und Spitzenverbände, wobei die bekannten Standpunkte vertreten wurden. Immerhin liess man von Unternehmerseite durchblicken, dass man einen klein gehaltenen linearen Abbau allenfalls akzeptieren könnte, während der Gewerbeverband einen solchen strikte ablehnte. Die welschen Kantone und die Gebirgskantone meldeten die Sonderwünsche der Gebiete mit Aufholbedarf an
[5]. Die Ende Februar bekanntgegebene neue Fremdarbeiterregelung, die am 7. März in Kraft trat, folgte im wesentlichen dem Entwurf mit geringfügigen Modifikationen zugunsten der Postulate der Arbeitnehmer
[6]. Von konservativer Seite wurde diese Lösung als « salomonisch », von den Vertretern der Arbeitnehmer als ungenügend und von Seite der Unternehmer als übertrieben bezeichnet
[7].
Die
sog. Überfremdungsinitiative der Zürcher Demokraten kam am 12. März noch vor den Ständerat, der sie ebenfalls verwarf, und zwar einstimmig bei nur wenigen Enthaltungen. Man vertrat hier einhellig die Ansicht, die Lösung sei nicht im Abbau, sondern in der Assimilierung der Ausländer zu suchen, eine Auffassung, wie sie im Mai auch in den Richtlinien des Bundesrates zum Ausdruck kam
[8]. Die Probleme des weiteren Anwachsens einer ausländischen Bevölkerungsgruppe, ja einer Überbevölkerung des Landes überhaupt, waren damit aber nicht gelöst
[9]. Der in Aussicht stehende Abstimmungskampf erweckte schwere Sorgen. Man wusste um das verbreitete Missbehagen unter den Arbeitnehmern, man kannte die Kritik ihrer Vertreter im Nationalrat und hatte deren zahlreiche Enthaltungen bei der Abstimmung über die Initiative wohl registriert
[10]. Wenn man auch die Verwerfung der Initiative für gewiss halten mochte, so hegte man doch schwere Befürchtungen hinsichtlich der Aufpeitschung der Gefühle, wie sie in einem solchen Kampfe zu erwarten war. Bedrohliche Perspektiven hatten sich bereits anlässlich eines Tumults im grossen Saal der Basler Mustermesse eröffnet. Hier war am 16. Februar eine lokale Wahlveranstaltung der « Nationalen Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat » von progressiv gesinnten Jugendlichen gesprengt worden
[11]. Die « Aktion » war dann aber erstmals zu Sitzen im Basler Grossen Rat gekommen
[12]. Angesichts dieser Entwicklung hegte man selbst bei den Zürcher Demokraten Bedenken; etliche unter ihnen waren der Unterstützung durch die « Aktion » längst überdrüssig geworden
[13]. Es lag darum nahe, den Initianten den Rückzug zu empfehlen
[14]. Ihre Delegierten wurden am 15. März von den Bundesräten von Moos und Schaffner empfangen und überzeugten sich im Gespräch von der staatspolitischen Notwendigkeit eines Verzichts. Obwohl ein Parteitag der Zürcher Demokraten vom selben Tag noch mehrheitlich für Festhalten eingetreten war, ergab sich am darauffolgenden Tag im Initiativkomitee ein qualifiziertes Mehr für den Rückzug. Die Initianten verwiesen auf das bisher Erreichte und liessen die Initiative als « von der Entwicklung überholt » fallen
[15]. Der
Rückzug rief überall merkliches Aufatmen hervor, am meisten wohl in gewerkschaftlichen Kreisen
[16]. Einzig die « Nationale Aktion » protestierte und beschimpfte die Befürworter des Rückzuges
[17].
Wenige Tage später veröffentlichte Nationalrat Schwarzenbach (ZH) den
Text für eine neue Initiative. Diese forderte nicht nur einen globalen Abbau der Ausländer auf 10 % der gesamten Wohnbevölkerung der Schweiz, sondern einen Abbau auf 10 % der schweizerischen Wohnbevölkerung in jedem Kanton (mit Ausnahme für Genf), also einen bedeutend radikaleren Eingriff, als ihn die Initiative der Demokraten vorgesehen hatte. Anderseits war eine Reihe von humanitär oder kulturell begründeten Ausnahmen vorgesehen
[18]. An der Delegiertenversammlung der « Nationalen Aktion » vom 26. Mai in Olten wurde die Initiative formell lanciert. Auf eine Rücktrittsklausel wurde verzichtet
[19]. Die neue Initiative erfuhr sogleich vernichtende Kritik sowohl von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmerseite. Man wies darauf hin, dass durch ihre Annahme viele Betriebe, ja ganze Branchen gefährdet wären, dass Massenarbeitslosigkeit und soziale Reklassierung drohten. Der Kanton Tessin müsste Staatsverträge verletzen, um der Initiative zu genügen, da schon die Zahl seiner Niedergelassenen den zulässigen Ausländerbestand überstiege
[20]. Im Nationalrat wurde Schwarzenbachs Treue zur Demokratie in Zweifel gezogen
[21]. In Arbeitnehmerkreisen registrierte man aber die steigenden Ausländerzahlen weiterhin mit Besorgnis. So liess die Augustzählung des BIGA, welche nur die kontrollpflichtigen Ausländer erfasst, im gesamten auf noch wachsende Ziffern schliessen. Die Jahresaufenthalter nahmen von 435 931 auf 440 912 zu, die Saisonarbeiter verminderten sich von 153 514 auf 144 081, die Grenzgänger vermehrten sich von 58 637 auf 63 637. Berücksichtigt man noch den Übertritt von kontrollpflichtigen ausländischen Erwerbstätigen zu den Niedergelassenen, den in derselben Periode (1. September 1967 bis 31. August 1968) insgesamt 18 747 bisherige Jahresaufenthalter vollzogen, so ergibt sich einerseits eine Verlagerung von den Saisonarbeitern zu den Jahresaufenthaltern und anderseits eine solche von den Jahresaufenthalten zu den Niedergelassenen; zudem dürfte sich die Gesamtzahl der ausländischen Erwerbstätigen um 11 000 vermehrt haben. Die Zahl der ganzen ausländischen Wohnbevölkerung nahm im Laufe des Kalenderjahres 1967 um 45 593 auf 890 580 Personen zu
[22].
Im Mai fanden in Italien Wahlen statt. Die von den SBB für die Beförderung der Wahlberechtigten getroffenen Vorkehren wurden von der Federazione delle colonie libere italiane in der Schweiz wie auch von der Kommunistischen Partei Italiens als ungenügend getadelt
[23]. Die Federazione wandte sich ferner an die Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf und verlangte unter anderem Freizügigkeit und Gleichheit der demokratischen und politischen Rechte
[24]. In Italien ist die Bevölkerung nicht einzeln, sondern familienweise für Krankheitsfälle versichert. Die Verhandlungen um die Krankenversicherung für die in Italien zurückgebliebenen Angehörigen von Gastarbeitern kamen noch nicht zum Abschluss. Die italienische Kammer bewilligte den auf Italien entfallenden Beitrag und setzte die Versicherung in Erwartung einer schweizerischen Zusage einseitig in Kraft
[25].
Familienpolitik
In der Familienpolitik wurde vor allem von katholischer Seite starkes Gewicht auf den Soziallohn gelegt (Kinderzulagen, Mietzinszuschüsse)
[26]. Der Nationalrat überwies als Postulat eine Motion Tenchio (k.-chr., GR), welche die
bundesrechtliche Regelung der Kinderzulagen verlangte
[27]. Ferner wurden progressive Ansätze (entsprechend der Kinderzahl) nach dem Muster einiger Kantone und' zweier Nachbarländer (Deutschland, Frankreich) gewünscht
[28]. Mit Studien über ausgewählte Probleme der Teilrevision des Familienrechts trat ein Seminar von Prof. Meier-Hayoz and die Öffentlichkeit (Scheidung; uneheliches, eheliches und adoptiertes Kind). Es gelangte wie die Studienkommission des EJPD zur Forderung nach einer Verstärkung der Rechte von Frau und Kind, lehnte aber im Gegensatz zu ihr das Begehren der Frauenorganisationen nach Übertragung des Stichentscheidungsrechts in Erziehungsfragen vom Vater auf die Vormundschaftsbehörde als der Familie schädliche staatliche Einmischung ab
[29]. Von anderer Seite wurde insbesondere die Revisionsreife des Scheidungsrechts hervorgehoben, indem das dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch zugrundeliegende christliche Ethos für die erdrückende Mehrheit des Volkes nicht mehr wegleitend sei und das Recht sich den Gegebenheiten anpassen müsse
[30].
[1] Vgl. SPJ, 1967, S. 106 (Varianten der Liberalisierung), ferner NZZ, 49, 23.1.68 u. 50, 24.1.68 (aus der Sicht der Arbeitgeber); ferner NZZ, 107, 18.2.68.
[2] NZZ, 78, 5.2.68; NZ, 60, 6.2.68; 69, 11.2.68.
[3] Vgl. die Vorbehalte in Bund, 30, 6.2.68; JdG, 30, 6.2.68.
[4] Lb, 35, 10.2.68; Tw, 34, 10./11.2.68; Vr, 34, 10.2.68; gk, 5, 8.2.68.
[5] gk, 6, 15.2.68; Lb, 39, 15.2.68.
[6] Provisorisch wurde ein weiterer Abbau von 2 % für 1969 verfügt; die Zahl der Ausnahmebewilligungen wurde statt von 7200 auf 10 000 nur auf 9000 erhöht. Der Branchenplafond für die übrigen Gewerbe (ausser Bau- und Gastgewerbe) wurde etwas reduziert. Vgl. AS, 1968, S. 362 ff., 371 ff.; NZZ, 135, 29.2.68.
[7] Ostschw., 52, 1.3.68; gk, 9, 1.3.68; vgl. auch gk, 16, 18.4.68; NZZ, 224, 9.4.68 (Landesverband freier Schweizer Arbeiter); wf, Dokumentations- und Pressedienst, 10, 4.3.68; Lb, 53, 2.3.68.
[8] Vgl. SPJ, 1967, S. 104 ff.; Sten. Bull. StR, 1968, S. 1 ff.; NZZ, 161, 12.3.68; BBI, 1968, I, S. 1216 (Richtlinien).
[9] Silva Revue, August 1968; Bund, 253, 27.10.68; 270, 17.11.68 u. 280, 28.11.68; NZZ, 503, 16.8.68 u. 524, 26.8.68; NZ, 217, 13.5.68. In seiner Lausanner Rede an der Versammlung der « Rencontres suisses » wies auch Bundesrat Celio auf den voraussichtlichen Bevölkerungsstand der Schweiz im Jahre 2000 hin: 9-10 Millionen Einwohner mit einer Grosszahl von Naturalisierten romanischer Herkunft und katholischer Konfession (Revue économique et sociale, 27/1969, S. 7 ff., insbes. S. 16).
[11] NZ, 81, 18.2.68; 82, 19.2.68; ferner Leserbriefe in 86, 21.2.68; 92, 24.2.68 u. 102, 1.3.68; GdL, 42, 20.2.68; Bund, 41, 19.2.68; Lb, 43, 20.2.68 (« Nationale Aktion »). Über die « Nationale Aktion » siehe auch unten, S. 154 f.
[12] Vgl. oben, S. 29; ferner NZ, 191, 26.4.68.
[13] Lb, 65, 18.3.68; 70, 23.3.68; Bund, 65, 18.3.68.
[14] TdG, 65, 16./17.3.68; GdL, 64, 16./17.3.68; NZ, 102, 1.3.68,
[15] NZZ, 177, 19.3.68; vgl. auch NZZ, 172, 18.3.68, u. Lb, 65, 18.3.68.
[16] Bund, 65, 18.3.68; NZZ, 174, 18.3.68 ; gk, 13, 22.3.68 ; Vr, 66, 19.3.68 ; JdG, 66, 19.3.68 ; Lb, 68, 21.3.68; 70, 23.3.68; 74, 28.3.68; Weltwoche, 1794, 29.3.68; vgl. dagegen Vat., 68, 20.3.68.
[17] NZZ, 177, 19.3.68 (nach « Volk und Heimat », Organ der « Nationalen Aktion »); 262, 30.4.68; NZ, 198, 30.4.68.
[18] Bund, 105, 6.5.68; TdG, 108, 8.5.68. Die Initiative will vor allem die definitive Ansiedlung von Italienern verhindern und bevorzugt daher die kurzfristigen Aufenthalter (Saisonarbeiter).
[20] Tw, 106, 7.5.68; gk, 20, 16.5.68 (« Vom Regen in die Traufe »); NZZ, 289, 12.5.68; 303, 17.5.68 (Arbeitgeber- und Gewerbeverband); 407, 5.7.68 (Arbeitgeber); 465, 31.7.68 (Untersuchung der Eidg. Fremdenpolizei über die Wirkungen der Initiative); Schweizerische GewerbeZeitung, 30, 26.7.68; 32, 9.8.68; Bund, 123, 28.5.68.
[21] NZ, 265, 12.6.68; BN, 241, 12.6.68; vgl. auch NZ, 105, 5.3.69.
[22] Die Volkswirtschaft, 41/1968, S. 175 ff. u. 527 ff.; gk, 41, 24.10.68.
[23] NZZ, 287, 10.5.68; 289, 12.5.68; Lb, 157, 8.7.68.
[24] JdG, 144, 24.6.68; Lb, 157, 8.7.68.
[25] NZZ, 40, 19.1.68; 567, 13.9.68.
[26] Vat., 77, 30.3.68; Ostschw., 60, 11.3.68 (Pro Familia); vgl. auch GdL, 61, 13.3.68.
[27] Heute je nach Kanton 15-40 Fr., vgl. auch unten, S. 146 f.; Vat., 231, 3.10.68; TdG, 232, 3.10.68; ferner SPJ, 1967, S. 116.
[28] Vat., 83, 6.4.68; 88, 13.4.68.
[29] NZZ, 91, 100, 112, 116, 117, 119, 11.-22.2.68; Warnung vor Auflösung der Familie auch in GdL, 61, 13.3.68; siehe ferner Vr, 42, 20.4.68. Vgl. ausserdem SPJ, 1967, S. 116.
[30] NZZ, 783, 18.12.68 (Prof. M. Keller).
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