Année politique Suisse 1969 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Konservativ-Christlichsoziale Parte
Zu einer Überraschung kam es bereits im April, als die Konservativ-Christlichsozialen als erste schweizerische Partei eine Parole zur Abstimmung über das ETH-Gesetz ausgaben, wobei sie diesen Beschluss nicht dem Zentralkomitee überliessen — was nach den Statuten möglich gewesen wäre — sondern angesichts der Bedeutung von Kultur- und Bildungsfragen für eine Weltanschauungspartei die Delegiertenversammlung einberiefen. Diese sprach sich trotz befürwortenden Voten prominenter Parlamentarier wie Fraktionschef Nationalrat K. Furgler nicht für den Ja-Antrag der Parteileitung aus, sondern mit 70: 41 Stimmen für das Nein, welches Jungkonservative und Jungchristlichsoziale sowie Aktivitas und Altherrenverband des Schweizerischen Studentenvereins empfohlen hatten. Einzelne katholisch-konservative Blätter verhehlten ihre Enttäuschung über diesen Entscheid nicht, fanden sich jedoch mit ihm ab
[3].
Tiefere Gräben riss das « Movimento giovanile del partito conservatore ticinese » auf, das im Januar in Muralto mit grossem Mehr ein « politisches Dokument » annahm, welches die Partei auffordert, auf ihre bisherige ideologische Basis der christlichen Inspiration und der sozialen Doktrin der Kirche zu verzichten. Manche der überlieferten ideologischen Beweggründe stammten noch aus einer Zeit, als der politische Radikalismus die Kirche bedrohte, und entsprächen den heutigen Realitäten nicht mehr. Die Entschliessung der jungen Konservativen zielte nicht auf eine Spaltung der kantonalen Partei, stand jedoch in deutlichem Widerspruch zu deren Programm von 1967, das ausdrücklich die Teilnahme an den « politischen Strömungen christlicher Inspiration » vorsah. Die Stellungnahme der Tessiner Jungkonservativen wurde zwar in anderen Kantonen nicht offiziell diskutiert oder gar übernommen, fand aber anscheinend auch dort Sympathisanten
[4].
Unerwartete Wellen warf es, als Ende April in Lausanne der erste « Kongress der konservativ-christlichsozialen Kantonalparteien der Westschweiz» zusammentrat, an dem neben Bundesrat Bonvin auch verschiedene welsche Staats-, Stände- und Nationalräte teilnahmen. Die Aussprache drehte sich besonders um die Mietzinsüberwachung, Fragen der Krankenversicherung und um das Juraproblem (für welches man dringend eine eidgenössische Vermittlung forderte). Triebfeder der Zusammenkunft war der Genfer Parteisekretär, und den Vorsitz führte der Waadtländer Parteipräsident, nicht etwa der welsche Vizepräsident der Landespartei, die zu den organisatorischen Vorarbeiten nicht beigezogen worden war. Das rief im « Vaterland » einem geharnischten Kommentar, der unter dem Titel « Den Anfängen wehren ! » belgische Verhältnisse als abschreckendes Beispiel heraufbeschwor und festhielt: «Die Durchführung getrennter Tagungen, die Bildung abgesonderter Studiengruppen schliesst die Gefahr des Auseinanderlebens zwischen Deutsch und Welsch in sich und dient keineswegs dem heute besonders notwendigen stärkeren Schulterschluss. Nicht Absonderung — stärkere Integration der welschen Schweiz und ihr kräftigeres Mitmachen in den Gremien der Gesamtpartei sind heute notwendig »
[5].
[3] Vat., 91, 21.4.69; NZZ, 239, 21.4.69; NZN, 91, 21.4.69. Vgl. dazu oben, S. 131.
[4] NZZ, 59, 28.1.69; NZ, 54, 3.2.69.
[5] NZZ, 254, 28.4.69; Vat., 101, 2.5.69.
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