Année politique Suisse 1969 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Freisinnige Partei
Zu einem Geplänkel zwischen Deutsch und Welsch kam es auch beim Freisinn, wo die Zürcher Kantonalpartei zur Wahlfeier für Bundesrat Brugger keine Gesinnungsfreunde aus der Romandie einlud und ursprünglich nicht einmal dem Präsidenten der Landespartei, Nationalrat Schmitt aus Genf, das Wort lassen wollte, obwohl ja gerade die Westschweizer Radikalen durch ihren Verzicht auf eine eigene Kandidatur die reibungslose Wahl Bruggers erst ermöglicht hatten. Dieser Fauxpas rief jenseits der Saane gereizte Kommentare hervor
[6].
Geschmeidiger zeigten sich die Zürcher Freisinnigen bei der Wiedervereinigung mit der Demokratischen Partei ihres Kantons, die sich bereits im Vorjahr angebahnt hatte. Im Sommer 1969 wurde nun ein auf drei Jahre befristeter « Vertrag für eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Freisinnigen und Demokraten » geschlossen, der vorsah, dass beide Kontrahenten künftig politische und sachliche Fragen gemeinsam lösen, gemeinsame Veranstaltungen durchführen und sich vor Urnengängen gegenseitig konsultieren sollten. Als wichtigstes Organ schuf er einen paritätisch gebildeten und im Turnus präsidierten Koordinationsausschuss. Ferner schlossen sich die Kantonsräte beider Richtungen zu einer Fraktion zusammen, die dadurch zur zweitstärksten des Rates vorrückte. Da auch von Listenverbindungen und selbst von Einheitslisten und von Vorbereitungen für eine Plattform gemeinsamer Programmpunkte die Rede war, empfand man die Vereinbarung mancherorts als die Vorstufe einer Fusion, obwohl sie beiden Partnern ihre rechtliche Selbständigkeit beliess. Die Delegierten der Freisinnigen Partei genehmigten die Abmachung sozusagen einstimmig, diejenigen der Demokraten mit Zweidrittelsmehr (123: 62), wobei offensichtlich die Städte Zürich und Winterthur gegenüber der Landschaft den Ausschlag geben.
Diese Re-Integration der Demokraten lief unter dem Schlagwort « Sammlung der bürgerlichen Kräfte », umfasste jedoch keineswegs alle nichtsozialistischen Gruppen. Die BGB wäre zum Gespräch mit den Demokraten allein bereit gewesen. Einen Einbezug in die neue freisinnig-demokratische Arbeitsgemeinschaft lehnte sie dagegen ab, und von einer Ausweitung auf Christlichsoziale und Landesring war nicht die Rede. Die Demokraten als der weit schwächere Teil in der neuen Allianz zogen mit diesem Schritt die für sie schmerzliche Konsequenz aus verschiedenen Misserfolgen und Rückschlägen der letzten Jahrzehnte. Für die Zürcher Freisinnigen bedeutete das Unternehmen eine « apertura a sinistra », denn ihre Partei hatte bisher — z. T. gerade wegen der Demokraten — in der Mitte kaum Fuss gefasst und figurierte im politischen Spektrum des Kantons auf der äussersten Rechten. Neue Mitglieder und Wähler konnte sie also in erheblicher Zahl wohl nur durch eine Verstärkung ihres linken Flügels gewinnen
[7].
Zum Schulterschluss zwischen Freisinnigen und Demokraten kam es aber nur im Kanton Zürich. Auf eidgenössischer Ebene sowie in Glarus und Graubünden marschierten sie weiterhin getrennt, ja bei den Bündnern flammten alte Rivalitäten und Gegensätze neu auf, als die Demokraten (ohne Erfolg) den Freisinnigen ihren Sitz im Regierungsrat streitig machen wollten. Dieser Kampf war vielleicht gleichsam als Auftakt zum 50jährigen Jubiläum der demokratischen Kantonalpartei gedacht, das im November mit einem Grossaufmarsch von Rednern aus der Parteiprominenz begangen wurde
[8]. Die Evangelische Volkspartei der Schweiz dagegen, die ebenfalls vor einem halben Jahrhundert gegründet worden war, zog für ihre Feier mit den Historikern W. Wolf (Schaffhausen) und Prof. E. Gruner (Bern) Referenten bei, welche Entwicklung und Zukunft der politischen Parteien in unserem Lande von wissenschaftlicher Warte aus analysierten
[9].
[7] Lb, 113, 19.5.69; Vat., 119, 24.5.69; NZZ, 297, 19.5.69; NZN, 122, 29.5.69.
[8] Vgl. oben, S. 36; NBüZ, 54, 26.2.69; 312, 10.11.69; Bund, 33, 10.2.69.
[9] NZZ, 139, 4.3.69; Var., 53, 5.3.69.
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