Année politique Suisse 1969 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Sozialdemokratische Partei
Von Spannungen innerhalb der Sozialdemokratie wurde schon in früheren Jahresübersichten berichtet
[15]. Sie hielten 1969 an und brachen an mehreren Orten als offene Konflikte aus. Auch dem ausserordentlichen Parteitag vom November in Bern drückten sie weitgehend ihren Stempel auf. Wo es zu Spaltungen kam, spielten nicht immer die gleichen Kreise die Rolle der Dissidenten, so dass man die Übersicht auf den ersten Blick nicht leicht gewinnt.
In Delsberg verliess eine innerhalb der Partei eher rechts stehende Gruppe die offizielle Sektion wegen deren Linkskurs, wobei anscheinend Differenzen in der Jurafrage die Meinungsverschiedenheiten noch verschärften. Im Dezember fanden sich beide Teile wieder zusammen, wobei die .Zukunft weisen muss, ob eine echte Versöhnung erfolgte, oder ob man die Gegensätze bloss überkleisterte, um im Hinblick auf die nahenden Grossratswahlen die Einheit wenigstens äusserlich zurückzugewinnen
[16]. Die gleichen Hinweise gelten wohl auch für einen anderen « Friedensschluss», durch den die beiden «Rebellen» Villard und Gassmann wieder in die sozial-demokratische Fraktion des bernischen Grossen Rates aufgenommen wurden
[17].
Gelang es hier, den Bruch wenigstens notdürftig zu reparieren, so blieben beim
Streit im Tessin alle Beteiligten unnachgiebig. Dort steuerte die Zeitschrift «Politica Nuova » einen ausgeprägten Linkskurs und verlangte schliesslich in einem Artikel mit scharfen Formulierungen die geistige Neuorientierung und personelle Erneuerung der Landesparteispitze. Die kantonale Parteileitùng — der wohl die schweizerische den Rücken stärkte — erklärte die gleichzeitige Mitgliedschaft bei der Kantonalpartei und der Gruppe « Neue Politik » für unvereinbar und forderte die Abtrünnigen ultimativ auf, wieder auf die offizielle Linie einzuschwenken. Als diese (unter ihnen zwei Grossräte) nicht antworteten, wurden sie aus der Partei ausgeschlossen, worauf sie (trotz mehreren Vermittlungsversuchen) den selbständigen « Partito socialista autonomo » (PSA) gründeten
[18].
Zu hitzigen Auseinandersetzungen kam es auch am ausserordentlichen Parteitag vom November in Bern, wo vor allem die beiden Initiativen zur Diskussion standen, für welche der Parteivorstand auf Grund der Beschlüsse des Basler Parteitages von 1968 je eine Vorlage ausgearbeitet hatte. Diejenige für eine soziale Krankenversicherung wurde verhältnismässig rasch genehmigt, und die wenigen Änderungen betrafen eher untergeordnete Punkte. Um so härter prallten die Meinungen beim Projekt für eine Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) im Sinne der Volkspension aufeinander. Das « Vorstands-Modell » nahm stark Rücksicht auf die Gewerkschaften und die bestehenden Pensionskassen und bemühte sich deutlich um eine Vorlage, welche für die Volksabstimmung gewisse Chancen .besass. Dem stellten vor allem Zürcher Kreise ein sog. « schwedisches Modell » entgegen, das vor allem die Mindestrenten wesentlich höher ansetzte. Es unterlag jedoch mit 283: 234 Stimmen, und die Zürcher Opposition drang bloss mit einem Zusatzantrag für die Übergangsordnung durch. Der Parteivorstand siegte also materiell fast auf der ganzen Linie, doch war besonders Präsident Grütter heftigen Angriffen ausgesetzt, weil er den Vorsitz nicht unvoreingenommen geführt und seine Abneigung gegen abweichende Auffassungen allzu unverhohlen gezeigt habe
[19].
[15] Vgl. SPJ, 1967, 152 f.; 1968, 155 ff.
[16] NZZ, 81, 6.2.69; NZ, 15, 10.1.69; 55, 3.2.69; 75, 14.2.69; PS, 288, 16.12.69.
[18] LS, 33, 10.2.69; 35, 12.2.69; 36, 13.2.69; 43, 21.2.69; CdT, 34, 11.2.69; 39, 17.2.69; NZZ, 92, 12.2.69; 211, 8.4.69; 256, 28.4.69; NZ, 103, 4.3.69; Vr, 52, 4.3.69; 180, 5.8.69.
[19] NZZ, 656, 3.11.69; NZ, 505, 3.11.69; Vr, 257, 3.11.69; 259, 5.11.69; Tw, 257, 3.11.69. Vgl. dazu oben, S. 122 ff.
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