Année politique Suisse 1969 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Konfessionelle Ausnahmeartikel
Die Revision der konfessionellen Ausnahmeartikel, des zweiten Haupthindernisses für einen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention, trat ihrerseits in eine neue Phase. Zwar gelang es Prof. W. Kägi noch immer nicht, das vom Bundesrat 1959 in Auftrag gegebene Gutachten zum Postulat von Moos von 1955 fertigzustellen; er entsprach aber dem Drängen des Auftraggebers insoweit, als er am 2. Juni den 3. Teil seines Berichts, der die staatsrechtlichen Schlussfolgerungen enthält, ablieferte [26]. Nach Beendigung des Vemehmlassungsverfahrens über das Frauenstimmrecht wurden die Empfehlungen Prof. Kägis im November bekanntgegeben; zugleich erging an die Kantone, die Parteien, die Kirchen und weitere Organisationen eine Reihe von Fragen über Aufhebung oder Neuformulierung der angefochtenen Artikel. Bundesrat Tschudi, der in Vertretung des einstigen Postulanten das Verfahren leitet, betonte, dass der ganze Bundesrat die Aufhebung der Ausnahmebestimmungen wünsche. Die Empfehlungen Prof. Kägis gehen dahin, die Art. 51 und 52 (Bestimmungen gegen Jesuiten, Orden und Klöster) zu streichen und den Inhalt von Art. 50 leicht modifiziert auf drei Artikel zu verteilen; dabei wird als Ersatz die Möglichkeit eines Verbots von Organisationen, die ganz allgemein die öffentliche Ordnung oder den religiösen Frieden dauernd stören, vorgesehen, ein Toleranzartikel dagegen abgelehnt [27].
Der Schritt des Bundesrates fand im allgemeinen eine gute Aufnahme, doch wurde verschiedentlich betont, dass die Gewinnung einer Volksmehrheit für die Revision grosser Anstrengungen bedürfe [28]. Der Vorstand des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes warnte vor einer Abstimmung, deren Vorbereitung den konfessionellen Frieden belasten und deren möglicher negativer Ausgang die Abschaffung des Ausnahmerechts auf lange Zeit hinaus blockieren würde [29]. Andere protestantische Stimmen zeugten von einem fortbestehenden Misstrauen gegen den Jesuitenorden [30]. Umgekehrt wurde von sozialdemokratischer und von christlichsozialer Seite bedauert, dass nicht gleich auch die Aufhebung des Schächtverbots (Art. 25bis) in die Wege geleitet worden sei [31].
 
[26] NZZ, 331, 3.6.69. Vgl. SPJ, 1968, S. 24, u. Gesch.ber., 1962, S. 201.
[27] NZZ, 681, 18.11.69; Vat., 267, 18.11.69; NZ, 530, 18.11.69; GdL, 269, 18.11.69.
[28] Lb, 254, 31.10.69; JdG, 269, 18.11.69; BN, 482, 18.11.69; NZZ, 690, 23.11.69; NZ, 539, 23.11.69; Tat, 281, 29.11.69.
[29] NZN, 296, 22.12.69.
[30] Vgl. NZZ, 419, 11.7.69 (Vorstand des Schweiz. Protestantischen Volksbundes); Ostschw., 290, 15.12.69.
[31] Vr, 270, 18.11.69; NZN, 268, 19.11.69.