Année politique Suisse 1969 : Economie / Crédit et monnaie / Geld und Währung
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Geld- und Kapitalmarkt
Der schweizerische Geld- und Kapitalmarkt stand 1969 im Zeichen der,Mittelknappheit. Wegen des konjunkturellen Aufschwungs im Inland zeichnete sich ein neues Anschwellen der Investitionen ab, wobei sich bei der Beanspruchung des Kapitalmarktes eine Gewichtsverlagerung zeigte : während die Aktienemissionen mehr Mittel absorbierten als im Vorjahr, wurde durch die Begebung von Obligationen-Anleihen weniger Kapital beansprucht [10]. Trotzdem kam es zu verschiedenen 'Misserfolgen bei Obligationen-Emissionen. Um so mehr riefen angesichts des angespannten inländischen Kapitalmarkts die Kapitalexporte der Kritik. Einmal stiessen Anleihen an Griechenland und an Südafrika hauptsächlich aus aussenpolitischen Gründen auf Opposition, und zwar namentlich aus Linkskreisen [11]. Die zunehmende Dynamik des Eurodollarmarktes, dessen Gesamtvolumen auf rund 30 Mia Dollar geschätzt wurde und dessen Zinssätze im September auf 11 1/8 % kletterten, führten des weitern dazu, dass Liquiditäten mit Vorliebe im Ausland gehalten wurden. Zwar wurde von Seite der Banken den Kritikern dieser Erscheinung gegenüber geltend gemacht, die .Anlagen würden nicht auf ihre Initiative, sondern direkt durch die Anlagesuchenden oder auf deren ausdrücklichen Wunsch hin am Euromarkt plaziert [12].
Die internationale Zinshausse, von der gesagt wurde, sie habe ein Ausmass angenommen, wie dies in der neueren Wirtschaftsgeschichte der Welt noch nie der Fall gewesen sei, konnte nicht ohne Einfluss auf das inländische Zinsniveau bleiben. Die meisten Zinssätze stiegen erheblich an [13]. Der Diskontsatz wurde von 3 % auf 3 3/4 % und der Lombardsatz von 3 3/4 % auf 4 3/4 % erhöht [14]. Diese Entwicklung führte in den eidgenössischen Räten zu Interventionen, in denen Massnahmen zur Einschränkung ausländischer Emissionen und eine durch die Nationalbank zu betreibende Marktverflüssigung vorgeschlagen wurden. Diesen Anregungen wurde indessen entgegengehalten, der Zinsanstieg gehe von der restriktiven Geldpolitik der amerikanischen Währungsbehörden aus und könne deshalb auf die vorgeschlagene Art nicht beeinflusst werden; die Schweiz weise ohnehin immer noch das niedrigste Zinsniveau auf. Aus konjunkturpolitischen Gründen seien die vorgeschlagenen Massnahmen zudem ungeeignet; im Gegenteil sei die Beschränkung des Geldangebotes unerlässlich und der Abfluss von Geldern ins Ausland sei deshalb zu begrüssen [15]. Auch die Forderung nach einer Stabilisierung und Isolierung der Hypothekarzinssätze, bei denen sich Erhöhungen über den Umweg der Wohnungsmieten und der Steigerung der Produktionskosten in der Landwirtschaft direkt auf den Preisindex auswirken [16], wurde abgelehnt. Der Bundesrat wies darauf hin, dass der Bund über keine Möglichkeiten verfüge, auf den Hypothekarzinssatz einzuwirken. Eine Ausklammerung des Hypothekarkredits aus dem Gesamtzusammenhang des Geld- und Kapitalmarkts wäre auch deshalb nicht angebracht, weil bei einer deutlichen Diskrepanz zwischen Hypothekarzins und anderen Zinssätzen eine starke Zurückhaltung bei der Erteilung von Hypothekardarlehen entstehen müsste [17].
Bei der Versorgung des Geldverkehrs mit Scheidemünzen normalisierte sich die Lage soweit, dass das Hortungsverbot und das Exportverbot für Rohsilber und Silberhalbzeug aufgehoben werden konnten [18]. Bei den Fünflibern kam es indessen zu einer Mangellage, da die Hortung grösser geworden war als die Produktion. Der Bundesrat beschloss deshalb, auch die Fünffrankenstücke aus Kupfernickel prägen zu lassen [19]. Die Münzensammelwut nahm gerade auch bei den Bronzemünzen derartige Formen an, dass sich das EFZD veranlasst sah, die Anzahl der Ein- und Zweiräppler der Jahrgänge 1968 und 1969 massiv zu erhöhen, um so den bisher seltenen Münzen dieser Jahrgänge den Charakter eines begehrten Sammelgutes zu nehmen [20].
 
[10] Die Aktienemissionen (inkl. nicht öffentlich aufgelegte) stiegen von 1935 Mio Fr. auf 2457 Mio Fr. Die Neubeanspruchung bei den Obligationenemissionen sank von 3736 Mio Fr auf 3355 Mio Fr. Vgl. Die Volkswirtschaft, 43/1970, S. 89 f.; BN, 537, 23.12.69.
[11] Kleine Anfrage von NR Wyler (soz., TI) betreffend Anleihen an Athener Oberstenregime von 143 Mio Fr. (Ostschw., 205, 4.9.69; NZZ, 544, 4.9.69). Protest von 40 Persönlichkeiten vor allem aus Genf gegen die Anleihe der Republik Südafrika (NZZ, 92, 12.2.69). Eine Interpellation von H. Braunschweig im Zürcher Grossen Rat verlangte Nichtkotierung dieser Titel an der Zürcher Börse (NZZ, 256, 28.4.69).
[12] Bei den Eurodollars handelt es sich um normale USA-Dollar-Guthaben, die ausserhalb der Vereinigten Staaten gehandelt und in Form von Krediten ausgeliehen werden. Vgl. dazu NZZ, 360, 16.6.69; Kritik in PS, 179, 9.8.69; VO, 185, 13.8.69; Stellungnahme der Banken in Bulletin des Schweizerischen Bankvereins, 1969, S. 45 ff.; 1970, S. 10 ff.
[13] Bulletin der Schweizerischen Kreditanstalt, 75/1969, S. 224 ff.; Vat., 1, 3.1.70; BN, 537, 23.12.69. Schweizerische Bankgesellschaft, Nationale Zinsstrukturen und internationales Zinsgefälle, Zürich, Februar 1970.
[14] GdL, 214, 13./14.9.69.
[15] Antwort des Bundesrates auf Kleine Anfragen der NR Max Weber (soz., BE) und Heil (k.-chr., ZH) (NZZ, 195, 28.3.69; NZN, 74, 29.3.69) und auf eine weitere Kleine Anfrage von NR Brunner (rad., ZG) (NZZ, 719, 10.12.69); NR Copt (rad., VS), beunruhigt über den überbordenden Export schweizerischen Kapitals, fragte den Bundesrat, ob nicht zugunsten der wirtschaftlichen Randgebiete in der Schweiz zu intervenieren sei (TdG, 223, 24.9.69).
[16] Auf diesen Zusammenhang wurde schon bei der Erhöhung des Zinssatzes für Kassaobligationen hingewiesen (NBZ, 222, 24.9.69). NR Max Weber (soz., BE), der sich bereits gegen die Diskontsatzerhöhung gewehrt hatte (Tw, 151, 2.7.69; 179, 4.8.69), nahm den Gedanken in der Budgetdebatte wieder auf (Tw, 291, 12.12.69; Sten. Bull. NR, 1969, S. 959). Vgl. auch JEAN GOLAY, « Le financement de la construction en Suisse» in, Revue économique et sociale, 27/1969, S. 25 ff.; NZZ, 39, 25.1.70; Tat, 7, 9.1.70.
[17] In der Wintersession des NR wurde die Motion Fischer (BGB, TG) betreffend Stabilisierung des Hypothekarzinsfusses abgeschrieben und gleichzeitig eine Kleine Anfrage Zeller (k.-chr., SG) beantwortet (NZZ, 737, 20.12.69; Vr, 298, 20.12.69).
[18] Antwort auf eine Kleine Anfrage von NR Broger (k.-chr., Al) (NZZ, 111, 20.2.69); NZZ, 362, 17.6.69.
[19] NZZ, 534, 1.9.69; 535, 1.9.69; AS, 1969, S. 714 f.
[20] Antwort auf Kleine Anfragen von NR Schalcher (dem., ZH) (Bund, 273, 21.11.69) und von StR Clavadetscher (rad., LU) (Bund, 41, 19.2.70); NZ, 89, 24.2.70.