Année politique Suisse 1969 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Radio und Fernsehen
Das Vernehmlassungsverfahren über. einen Entwurf des EVED zu einem Artikel 36 quater über Radio und Fernsehen wurde abgeschlossen, ohne dass wesentlich neue Gesichtspunkte in die Diskussion gebracht worden wären [1]. Als Hauptproblem erwies sich die komplexe Frage der Radio- und Fernsehfreiheit. Der Bundesrat sah sich noch nicht in der Lage, eine Botschaft zu veröffentlichen, da aus dem Vernehmlassungsverfahren hervorgegangen war, dass gleichzeitig mit der Verfassungsvorlage ein Entwurf für die Ausführungsgesetzgebung erwartet wird [2]. Die Auseinandersetzungen zwischen Anhängern einer mehr progressiven und einer mehr konservativen Programmgestaltung gingen weiter. Auffallend war die vermehrte Zahl konservativer Vorstösse, die sich kritisch mit Fernsehprogrammen auseinandersetzten, und die vom Bundesrat eher zurückhaltend beantwortet wurden [3]. Als im Oktober gewisse Sendungen und einzelne Mitarbeiter des welschen Fernsehens von konservativen Kreisen der Kantone Freiburg und Wallis scharf angegriffen wurden, erklärten der Verein der Schweizer Presse und der Verband der Angestellten des Schweizer Fernsehens ihre Beunruhigung über Versuche politischer und parlamentarischer Kreise, Einfluss auf die Programmgestaltung von Radio und Fernsehen zu nehmen [4]. Die Beunruhigung fand ihren Niederschlag an der Generalversammlung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Zentralpräsident A. Guinand sprach sich dahin aus, dass primär die Frage nach der Funktion der Massenmedien in der gegenwärtigen und künftigen Gesellschaft durch die Ausarbeitung einer wohldurchdachten Gesamtkonzeption zu beantworten wäre [5].
Durch Änderungen in der Programmgestaltung des Kurzwellendienstes des Radios wurde versucht, die kulturelle Ausstrahlung der Schweiz zu verstärken. Ausserdem ermächtigte die SRG den Kurzwellendienst, ausländischen Radiostatiónen gratis Sendungen über die Schweiz anzubieten, die in Zusammenarbeit mit Pro Helvetia gestaltet werden. Die dadurch bedingten vermehrten Finanzbedürfnisse konnten durch Erhöhung der Bundesbeiträge sichergestellt werden [6]. Die andauernden finanziellen Schwierigkeiten des Radios führten zur Bestellung eines Ausschusses der SRG, der die Möglichkeiten vermehrter Mittelbeschaffung zu prüfen und sich insbesondere mit verschiedenen Eingaben zu befassen hat [7].
Mit dem Ausbau der Nachrichtensendungen des Radios stellte sich die Frage des Nachrichtenbezugs. Der Bundesrat hatte bisher von der in der Konzession enthaltenen Kompetenz, die Quellen zu bezeichnen, die für die Nachrichtensendungen benützt werden dürften, keinen Gebrauch gemacht. Nun wurde beanstandet, dass das Radio neben den Meldungen der Schweizerischen Depeschenagentur auch solche ausländischer Agenturen verwende. Der Bundesrat betonte in Beantwortung einer dringlichen Kleinen Anfrage, dass der Radionachrichtendienst eine völlig unabhängige und unverkennbar schweizerische Stimme bleiben müsse. Die SRG und die Schweizerische Depeschenagentur einigten sich in der Folge darüber, dass die Agentur weiterhin die Auswahl der Nachrichten und die Redaktion von vier täglichen Bulletins besorgt, dass diese jedoch inskünftig in den zuständigen Studios verlesen werden sollen [8]. In der Westschweiz verstärkten sich die Forderungen nach einer eigenen Tagesschau des welschen Fernsehens. In einer Stellungnahme machte der Bundesrat wirtschaftliche und technische Gründe für eine Zentralisation in Zürich, wo der Stoff immerhin durch drei verschiedensprachige Redaktionen bearbeitet wird, geltend [9].
Der technische Ausbau der Fernsehsendeeinrichtungen nahm wie vorgesehen seinen Fortgang. Im Hinblick auf die Entwicklung der Satellitenfunktechnik erklärte der Bundesrat die grundsätzliche Bereitschaft der Schweiz, sich an der Verwirklichung eines europäischen experimentellen Fernsehverteilsatelliten zu beteiligen [10].
 
[1] Vgl. SPJ, 1968, S. 130 f. Die Schweiz. Bankiervereinigung forderte vermehrte Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Fragen in der Programmgestaltung (Schweizerische Gewerbe-Zeitung, 6, 7.2.69).
[2] Gesch.ber., 1969, S. 202 f.
[3] Kleine Anfrage NR Barras (k.-chr., FR) über eine Sendung des Westschweizer Fernsehens in Lib., 141, 20.3.69; zur Antwort des Bundesrats vgl. NZZ, 329, 3.6.69; NZ, 248, 4.6.69; GdL, 140, 19.6.69; TLM, 173, 22.6.69; La Gruyère, 71, 24.6.69. Kleine Anfrage NR Kurmann (k.-chr., LU), in NZZ, 599, 1.10.69; zur Antwort des Bundesrats vgl. NZZ, 730, 16.12.69.
[4] Zu den Auseinandersetzungen in der Welschschweiz vgl. TdG, 249, 24.10.69; 252, 28.10.69; ferner Interpellation NR Ziegler (soz., GE) über den Druckversuch (GdL, 263, 11.11.69). Zu den Resolutionen vgl. NZZ, 652, 31.10.69; Tat, 268, 14.11.69.
[5] NZZ, 17, 12.1.70.
[6] NZZ, 129, 27.2.69; TAW, 44, 4.11.69; Die Bundessubventionen an den Kurzwellendienst wurden von bisher 1,2 Mio Fr. auf 2,3 Mio Fr. erhöht (NZZ, 17, 12.1.70).
[7] NZZ, 17, 12.1.70. Eine Eingabe des Arbeitnehmer-Radio- und Fernsehbundes beantragte vermehrte Bundesmittel für den Kurzwellendienst und Erhöhung der Werbegebühren beim Fernsehen, wobei die Mehreinnahmen dem Radio zugute kämen, lehnte aber eine Erhöhung der Konzessionsgebühren ab (vgl. Tw, 242, 16.10.69).
[8] Vgl. NZN, 153, 5.7.69; Sonntags-Journal, 27, 5./6.7.69; NZZ, 433, 17.7.69.
[9] NZZ, 315, 27.5.69; GdL, 295, 18.12.69; TLM, 353, 19.12.69.
[10] Bund, 133, 11.6.69.