Année politique Suisse 1970 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Nationale Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat
Betrachtet man das schweizerische Parteiensystem vereinfacht als ein Links-Rechts-Spektrum, so konnte in den letzten Jahren ein leichter Trend nach links festgestellt werden. Im Jahre 1970 trat aber eine spezifische Organisation der Rechten besonders hervor, nämlich die Nationale Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat (NA). Unter ihrem Führer,
Nationalrat J. Schwarzenbach (ZH), gelang es ihr am 7. Juni, fast die Hälfte der schweizerischen Aktivbürger für ihr Hauptanliegen, die Abwehr einer Überfremdung, zu mobilisieren
[49]. Trotzdem blieb die NA eine zahlenmässig kleine Partei, die von 11 (Januar 1970) auf 18 Sektionen (Dezember 1970) mit ungefähr 6000-7000 Mitgliedern anwuchs
[50]. Im Tessin und in der Romandie, wo zwar die Genfer
Vigilance ein bereits bestehendes Pendant darstellt, fand die NA ebenfalls Anhänger
[51]. Indes bestanden auch innerhalb dieser Bewegung Gegensätzlichkeiten. Nachdem die 1.-August-Feier auf dem Schlachtfeld von Sempach
[52] und die Ankündigung einer « Fremdarbeitersteuer »-Initiative
[53] nochmals den Eindruck markiger Einigkeit erweckt hatten, folgte Ende Oktober ein viel beachtetes Revirement. Nationalrat Schwarzenbach trat als Zentralpräsident der NA zurück, einerseits um einem Führerkult vorzubeugen, anderseits vermutlich weil ein intransigenter Flügel ein drittes Überfremdungsbegehren lancieren wollte, was er als masslos ablehnte
[54]. Die Delegiertenversammlung der NA, die hinter geschlossenen Türen tagte, wählte ihn zum Ehrenpräsidenten. Der Basler Grossrat R. Weber wurde sein Nachfolger
[55]. J. Schwarzenbach verkündete zur gleichen Zeit die
Gründung einer « Republikanischen Partei », welche sich nicht nur mit dem Ausländerproblem befassen, sondern ihren Hauptakzent auf die « Vertretung des Mittelstandes » legen werde. Als Organ der neuen Partei erschien « Der Republikaner », dessen erste Nummern die « politischen Richtlinien der schweizerischen Republikaner » bekanntgaben
[56]. Die Vorstellung als eine « vaterländische Partei », welche « fest verwurzelt auf dem Boden des geoffenbarten, christlichen Glaubens» steht, sowie die anderen Leitsätze zeugen entschieden von einem nationalen Konservativismus. J. Schwarzenbach erklärte, dass die « Republikanische Partei » keine Konkurrenz zur NA bedeute, da diese eine überparteiliche Aktion sei. Die Frage ist sicherlich berechtigt, ob die verschiedenen Rechtsgruppen die Funktion eines neuen Sammelbeckens konservativer Kräfte übernehmen
[57], nachdem die bis anhin den Konservativismus in der Schweiz repräsentierende Organisation begonnen hat, dieses funktionale Merkmal abzustreifen. Bis Ende des Jahres war es aber nur die NA, welche weiterhin als die Bewegung der Rechten in den Vordergrund trat. Im Kanton Luzern konnte sie gegen ein Enteignungsgesetz
[58] und in der Stadt Zürich gegen eine modernisierte Bürgerrechtsverordnung
[59] erfolgreich vom Referendum Gebrauch machen. Bei den Zuger Grossratswahlen gewann sie drei Mandate
[60]. Weniger Erfolg hatte ihr Kandidat H. Bachofner anlässlich einer Ersatzwahl in den zürcherischen Stadtrat
[61].
[49] Vgl. oben, S. 128 ff.
[50] Vgl. die «Adressen» in Volk+ Heimat, 5/1970, Nrn. 1-12.
[51] Vgl. ebd. sowie NZZ, 487, 20.10.70; 494, 23.10.70; 537, 18.11.70. Über Francophonie: NZZ, 168, 13.4.70; 147, 14.4.70; Kleine Anfrage Baechtold (soz., VD): TdG, 158, 9.7.70; NZZ (sda), 315, 10.7.70. Die Vigilance erhielt vor dem 7.6. etwas Auftrieb: JdG, 137, 16.6.70, und oben, S. 114 f. u. 130.
[52] Volk+Heimat, 5/1970, Nr. 8; NZ, 349, 3.8.70; 352, 4.8.70; AZ, 176, 3.8.70; NZN, 178, 3.8.70; JdG, 178, 3.8.70; 182, 7.8.70; NZZ, 354, 3.8.70; 368, 11.8.70; Züri Leu, 31, 6.8.70; Sonntags-Journal, 32, 8./9.8.70.
[53] Vgl. oben, S. 88 und 134.
[54] Vgl. Volk+Heimat, 5/1970, Nr. 10 (« Die Kunst des Masshaltens »); TdG, 253, 29.10.70; NZ, 499, 29.10.70; NZZ, 503, 29.10.70; 505, 30.10.70.
[55] NZZ (sda), 509, 2.11.70; GdL, 255, 2.11.70; NZ, 505, 2.11.70; 507, 3.11.70; AZ, 255, 3.11.70; Lb, 259, 6.11.70; 266, 14.11.70; Volk+Heimat, 5/1970, Nr. 11.
[56] Der Republikaner, Nr. 1, 16.11.70; 2, 30.11.70; 3, 10.12.70.
[57] Zur Ideologie der NA und der « Republikanischen Partei » vgl. Anm. 55 und 56; ferner: Nation Europa, 20/1970, Nr. 8; AZ, 181, 8.8.70; 204, 4.9.70; Sonntags-Journal, 49, 5./6.12.70; NZZ, 572, 8.12.70; NZ, 568, 9.12.70; Domaine public, 142, 16.12.70.
[58] Vgl. Volk+ Heimat, 5/1970, Nr. 9; NZ, 410, 7.9.70; oben, S. 175.
[60] Vgl. Volk+Heimat, 5/1970, Nr. 12; oben, S. 30.
[61] NZN, 276, 25.11.70; TdG, 276, 25.11.70; NZZ, 549, 25.11.70; 572, 8.12.70; NZ, 568, 9.12.70; vgl. ferner oben, S. 33.
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