Année politique Suisse 1970 : Chronique générale / Finances publiques
Situation der öffentlichen Finanzen
Das Jahr 1970 brachte keine entscheidende Änderung in der Situation der öffentlichen Finanzen. Soweit aus den sehr unterschiedlich aufgebauten Staatsrechnungen der Kantone überhaupt Schlüsse gezogen werden können, liess sich eine leichte Verbesserung der kantonalen Finanzlage feststellen. Im Vergleich mit den Voranschlägen fielen die Rechnungsabschlüsse für 1969 ausnahmslos besser aus. Der Vergleich mit dem Vorjahr zeigte keine einheitliche Tendenz, wenn auch die Kantone mit verbesserten Abschlüssen überwogen
[1]. Hingegen waren wiederum sämtliche Voranschläge für 1971 defizitär. Gesamthaft wurde mit Rekordausgabenüberschüssen von 810 Mio Fr. (1970: 600 Mio Fr.) gerechnet. Wenn man noch die von den Gemeinden veranschlagten Defizite von 450 Mio Fr. hinzuzählt, so kommt man auf Beträge, die als alles andere als konjunkturgerecht bezeichnet wurden
[2].
Der Bund stand finanziell immer noch günstiger da als die Gemeinden und Kantone. Die Staatsrechnung 1969, die in der Sommersession von den eidgenössischen Räten oppositionslos genehmigt wurde, wies in der Finanzrechnung einen Einnahmenüberschuss von 28 Mio Fr. und in der Gesamtrechnung einen Reinertrag von 446 Mio Fr. aus. Damit konnte der Fehlbetrag in der Bilanz auf 2,32 Mia Fr. reduziert werden
[3]. Auch die Staatsrechnung für 1970 schloss mit einem erfreulichen Ergebnis ab, wurde doch in der Finanzrechnung statt des budgetierten Defizits von 23 Mio Fr. ein Einnahmenüberschuss von 210 Mio Fr. erzielt. Die Abweichung vom Voranschlag wurde vor allem auf eine unerwartete Steigerung der Einnahmen zurückgeführt. Bei den Vermögensveränderungen betrug der Ertragsüberschuss indessen nicht wie vorgesehen 416. Mio Fr., sondern lediglich 88 Mio Fr., was mit der Umstellung von Silber- auf Kupfernickelmünzen und den durch höhere zweckgebundene Einnahmen bedingten grösseren Rückstellungen erklärt wurde
[4]. Schliesslich sah der Bundesrat in der Botschaft über den Voranschlag für 1971 einen Ausgabenüberschuss in der Finanzrechnung von 57 Mio Fr. und einen Ertragsüberschuss bei den Vermögensänderungen von 368 Mio Fr. vor. Die Ausgaben sollten um 13%, die Einnahmen um 12,4% steigen. Die Zunahme der Ausgaben um 1 Mia Fr., die das Wachstum des Bruttosozialproduktes beträchtlich überstieg, wurde als inflationistisch kritisiert. Bundesrat Celio erklärte sein Dilemma: einerseits müsse das Budget antizyklisch wirken, anderseits dürften aber dringende, wachstums- und sozialpolitisch notwendige Ausgaben nicht zurückgestellt werden, da sonst soziale Spannungen und Engpässe in der Infrastruktur entstehen könnten. Es wurde denn auch betont, dass der Grossteil der neuen Ausgaben, nämlich 860 Mio Fr., auf die Ausgabengruppen soziale Wohlfahrt, Verkehr und Energie, Landwirtschaft sowie Unterricht und Forschung entfalle. Zudem habe der Bund die vielen neuen Aufgaben nicht an sich gerissen. Sie seien durch Parlamentsbeschlüsse, die ihrerseits auf öffentlichen Druck hin zustandegekommen seien, ausgelöst worden
[5].
[1] wf, Dokumentations- und Pressedienst, 25, 22.6.70.
[2] Die Zahlen basieren auf einer Umfrage der Eidg. Steuerverwaltung und weichen von den durch die Kantone veröffentlichten leicht ab, da die Steuerverwaltung einige Bereinigungen vornimmt. Nach ihrer Rechnung sieht der Kanton GE als einziger einen kleinen Überschuss vor; vgl. wf, Dokumentations- und Pressedienst, 51/52, 21.12.70; Die Volkswirtschaft, 44/1971, S. 15 f.; wf, Artikeldienst, 7, 15.2.71. Für das Jahr 1970 wurden die Berechnungen der Steuerverwaltung vom Finanzvorstand der Stadt Zürich, E. Bieri (rad.), angezweifelt; vgl. NZZ, 83, 19.2.70; 86, 21.2.70.
[3] Vgl. SPJ, 1969, S. 78; Staatsrechn. Eidg., 1969; BBI, 1970, II, S. 41; NZZ, 252, 4.6.70; 254, 5.6.70; 264, 11.6.70; 266, 12.6.70; 267, 12.6.70.
[4] Bund, 56, 9.3.71; NZ (sda), 109, 9.3.71.
[5] Voranschl. Eidg., 1971; GdL, 244, 19.10.70; 246, 22.10.70; TdG, 245, 20.10.70; BN, 440, 20.10.70; NZZ, 487, 20.10.70; Lib.. 17, 20.10.70; NZ, 482, 20.10.70; Lb, 245, 21.10.70. '
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