Année politique Suisse 1970 : Chronique générale / Finances publiques
 
Finanzausgleich und Steuerharmonisierung
In den Fragen des Finanzausgleichs und der Steuerharmonisierung wurden keine bedeutenden Fortschritte erzielt [35]. Es wurden lediglich vier Kantone wegen einer geringfügigen Modifizierung der Einteilungskriterien in eine tiefere Kategorie der Finanzstärke eingereiht [36]. In einer Studie über die bisherigen Auswirkungen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs wurden die Umverteilungseffekte als bescheiden taxiert. Am bedeutendsten seien sie noch bei der Sozial- und der Agrarpolitik [37]. Die Kommission unter der Leitung des solothurnischen Finanzdirektors Ritschard konnte den ersten Teil ihrer Arbeiten über die Steuerharmonisierung abschliessen und einen Entwurf mit Vorschriften über die Besteuerung der natürlichen und juristischen Personen vorlegen. In einem zweiten Teil sollen Vorschläge für die Harmonisierung der Liegenschaftsbesteuerung, der Quellensteuer, des Steuerstrafrechts und des Verfahrensrechts erarbeitet werden [38]. Es wurde indessen darauf hingewiesen, dass nach der Lösung der gesetzestechnischen Fragen die Schwierigkeiten bei der politischen Verwirklichung erst beginnen würden. Nachdem der Bundesrat selbst die Idee der Anrechnungssteuer [39] hatte fallen lassen, wurde nun von privater Seite der Weg über ein Rahmengesetz des Bundes empfohlen [40].
Die Unzufriedenheit einer grossen Anzahl von Stimmbürgern wegen der Anwesenheit der vielen Ausländer und wegen des Wohnungsproblems gab Anlass zur Lancierung von zwei Initiativen, die eine Infrastruktursteuer fordern: In einem neuen Begehren schlug Nationalrat Schwarzenbach Steuern zur Finanzierung von Umweltschutz- und Infrastrukturaufgaben vor. Die Arbeitgeber hätten eine Abgabe von einem bestimmten Prozentsatz auf der an Ausländer ausbezahlten Bruttolohnsumme zu entrichten. Der Steuersatz sollte gleich hoch sein wie der Prozentanteil der ausländischen Wohnbevölkerung am Total der schweizerischen Wohnbevölkerung. Diese Lohnsteuer, die im Jahre 1970 mehr als 1 Mia Fr. eingebracht hätte, fand wenig Anklang. Sie sei ungerecht, wäre von der Wirtschaft nicht zu verkraften und würde eine unheimliche Teuerungswelle auslösen [41]. Ähnliches wurde auch über die von Denner lancierte Initiative « Billiger Wohnen » gesagt. In ihr wurden eine Abgabe von 500 Fr. für jeden beschäftigten Ausländer, eine Exportabgabe bis zu 8 % und eine progressive Kapitalsteuer zur Finanzierung eines Wohnbaufonds gefordert. Diese Beiträge würden jährlich ca. 1,5 Mia Fr. ausmachen [42].
 
[35] Vgl. oben, S. 64, Anm. 165.
[36] NE, SH und SO rutschten zu den mittelstarken, LU zu den finanzschwachen Kantonen ab; vgl. Vat., 7, 10.1.70.
[37] NZZ, 496, 25.10.70; RUDOLF ROHR und WALTER GUT, Bundesstaatlicher Finanzausgleich in der Schweiz, Zürich 1970.
[38] GdL, 54, 6.3.70; vgl. SPJ, 1969, S. 83; NZ (sda), 266, 15.6.70; NZZ (sda), 413, 6.9.70.
[39] Vgl. SPJ. 1969, S. 82 f.; BBl, 1969, II, S. 780 f.
[40]NZZ, 415, 7.9.70; 496, 25.10.70; 544, 22.11.70; Lb, 254, 31.10.70.
[41] Bund, 228, 30.9.70; Lb, 228, 1.10.70; NZ, 451, 1.10.70; NZZ, 459, 3.10.70; Tat, 233, 5.10.70; Vat., 237, 13.10.70; vgl. unten, S. 134.
[42] NZZ, 405, 1.9.70; wf, Dokumentations- und Pressedienst, 35, 31.8.70; vgl. unten, S. 120.