Année politique Suisse 1971 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
Eisenbahn
Im Eisenbahnwesen trat die Frage des
Baus neuer Alpentunnel in die Entscheidungsphase. Die 1963 vom EVED eingesetzte Expertenkommission veröffentlichte ihren Bericht, in welchem sie — wie bereits 1970 bekannt geworden war — einen Gotthard-Basistunnel Amsteg-Giornico und für die Zeit vor dessen Vollendung als Übergangslösung den Ausbau der Lötschberglinie auf Doppelspur empfahl. Um zu vermeiden, dass andere Alpenländer den stark wachsenden Transitverkehr durch eigene Bahnbauten auf ihr Gebiet ziehen, drängte die Kommission auf einen raschen Entscheid
[46]. Die ostschweizerischen Kantone bestanden auf der Verwirklichung einer Ostalpenbahn und fochten die Expertise, in der eine Optimierung verschiedenster Gesichtspunkte angestrebt worden war, hauptsächlich mit dem Argument an, sie begnüge sich mit einer viel zu geringen Kapazitätserweiterung der schweizerischen Alpenbahnen
[47]. Überraschend versuchte Bundesrat Bonvin den ostschweizerischen Begehren dadurch entgegenzukommen, dass er eine von der Alpentunnelkommission nicht geprüfte Variante Chur-Bellinzona befürwortete, die er vor allem mit westdeutschen Plänen für die Verstärkung der Achse Hamburg—Augsburg rechtfertigte
[48]. Von seiten der SBB wurde allerdings darauf hingewissen, dass diese neue Variante nicht früher betriebsbereit wäre als der Gotthard-Basistunnel, weshalb diesem die Priorität zukomme
[49].
Die
SBB erzielten 1970 noch einmal einen minimen Reingewinn, ohne jedoch Einlagen in die gesetzliche Reserve machen oder das Dotationskapital verzinsen zu können. Der Güterverkehr nahm weiterhin zu, während der Personenverkehr stagnierte
[50]. Es wurde festgestellt, dass weitere Personaleinsparungen nur noch durch grosse Investitionen zu erzielen wären
[51]. Bedenken erregte ein Rückgang im Güterverkehr vom August an, der als Ausdruck einer Krise der Leistungskapazität gewertet wurde
[52]. Angesichts der starken Lohnbewegung erschien den zuständigen Organen trotz der Gewährung einer jährlichen Abgeltungssumme für gemeinwirtschaftliche Leistungen eine neue Tariferhöhung unumgänglich
[53]. Das Budget für 1972, das bereits mit dem 13. Monatslohn rechnete, sah nur einen ausgeglichenen Abschluss vor
[54].
Die verschiedenen Vorlagen zur
Privatbahnhilfe, die das Parlament 1970 in Beratung gezogen hatte, wurden ohne grössere Widerstände verabschiedet. Keine Gegenstimmen erhoben sich bei der Genehmigung des neuen Globalkredits von 250 Mio Fr. im Nationalrat und bei der Erhöhung des maximalen Ansatzes für Bundessubventionen auf 85 % im Ständerat
[55]. Dem Bau eines Furka-Basistunnels erwuchs im Nationalrat hauptsächlich von seiten des Landesrings einige Opposition; bei der Mehrheit obsiegte Sympathie für die betroffenen Bergtäler über Zweifel an der Wirksamkeit der Investition
[56]. Anderseits fiel der Entscheid über die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs zwischen Bellinzona und Mesocco gegen die Wünsche der Bevölkerung: der Bundesrat verfügte die Umstellung auf Strassentransport und liess sich weder durch Protestaktionen noch durch Schritte der Bündner Behörden wieder umstimmen
[57].
Auf eine Anfrage der bernischen Regierung bestätigte der Bundesrat seine Absicht, den eidgenössischen Räten sobald wie möglich die Übernahme der Bern—Lötschberg—Simplon-Bahn (BLS) samt Nebenlinien zu beantragen. Dagegen gab Bundesrat Bonvin im Nationalrat bekannt, dass angesichts der entschiedenen Opposition der SBB an eine Übernahme der Rhätischen Bahn noch nicht gedacht werden könne; zum Ersatz verwies er auf seinen Vorschlag für eine Alpenbahn Chur–Bellinzona
[58]. Für die übrigen Privatbahngesellschaften stellte die 1967 vom EVED eingesetzte Expertenkommission fest, dass die Bundeshilfe die Kantone bereits weitgehend entlaste, dass aber der Bund die SBB für eine Eingliederung von 17 Privatbahnbetrieben (ohne BLS und Rhätische Bahn) mit 2,5 Mia Fr. entschädigen müsste, eine Aufwendung, die durch den Wegfall der bisherigen Belastungen der Bundeskasse bloss etwa zur Hälfte wettgemacht würde. Die Kommission riet deshalb von solchen Transaktionen ab und empfahl dafür die Bildung regionaler Verkehrsverbundsysteme, wie sie auch von Privatbahnseite befürwortet wurde
[59].
[46] Eisenbahntunnel durch die Alpen, Schlussbericht der Kommission des EVED, Bern 1971.
[47] NZZ (sda), 222, 14.5.71; Ostschw., 238, 12.10.71. Vgl. SPJ, 1970, S. 111.
[48] Sten. Bull. StR, 1971, S. 235, 281 f.; Sten. Bull. NR, 1971, S. 585 f., 1417 f.; vgl. auch BR Bonvins Besuch in Chur (NZZ, sda, 538, 18.11.71).
[49] Bund, 277, 26.11.71; 278-280, 28.-30.11.71. Vgl. auch Kritik von Prof. H. R. Meyer in NZZ, 282, 21.6.71.
[50] BBl, 1971, I, S. 974 ff. Reingewinn: 3,7 Mio Fr. Budgetiert war ein Fehlbetrag von 8,7 Mio Fr. (SPJ, 1969, S.. 100).
[52] NZZ, 507, 31.10.71; NZZ (sda), 568, 6.12.71; 62, 7.2.72.
[53] Tariferhöhung auf den 1.11. im Reise-, auf den 1.1.72 im Güterverkehr: NZ, 195, 30.4.71; 590, 22.12.71; NZZ (sda), 502, 28.10.71. — Zustimmung des StR zur Abgeltungsvorlage: Sten. Bull. StR, 1971, S. 45 ff.; AS, 1971, S. 337 f.; vgl. SPJ, 1970, S. 109 f.
[54] BBI, 1971, II, S. 1253 ff., 2018 f. Budgetierter Reingewinn: 3,4 Mio Fr. Zum 13. Monatslohn vgl. unten, S. 131.
[55] Globalkredit: Sten. Bull. NR, 1971, S. 180 ff.; BBI, 1971, I, S. 579 f. Erhöhung des Subventionsmaximums: Sten. Bull. StR, 1971, S. 58 ff. Vgl. SPJ, 1970, S. 110 f.
[56] Sten. Bull. NR, 1971, S. 924 ff.; BBl, 1971, I, S. 1508 f. Vgl. SPJ, 1970, S. 110.
[57] NZZ, 152, 1.4.71; 167, 13.4.71; NZZ (sda), 336, 22.7.71; NBüZ, 270, 10.9.71. Vgl. SPJ, 1969, S. 102. Der Kongress des Schweiz. Eisenbahner-Verbandes wandte sich grundsätzlich gegen die Umstellung von Eisenbahnen auf Strassenbetrieb (Schweiz. Eisenbahner-Verband, Jahrbuch 1971, S. 20).
[58] BLS: NZZ (sda), 220, 13.5.71. Rhätische Bahn: Sten. Bull. NR, 1971, S. 586 f. Vgl. SPJ, 1966, S. 85 f.; 1970, S. 111.
[59] Bericht der Kommission für die Prüfung der Übernahme weiterer Privatbahnen durch den Bund an das EVED, Bern 1971. Vgl. SPJ, 1967, S. 88, und oben, S. 102.
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