Année politique Suisse 1971 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
Gewässerschutz
Die Qualität der Gewässer nahm weiter ab. Gemäss Statistik wohnte anfangs 1971 immer noch weniger als die Hälfte der Bevölkerung (46,4%) in Gemeinden, die eine Kläranlage besitzen
[8]. Internationale Gremien riefen deshalb zum Schutze des Bodensees
[9] und des Genfersees
[10] auf. Zwischen Italien und der Schweiz wurde ein Entwurf zu einem Abkommen über den Schutz der gemeinsamen Gewässer gegen die Verunreinigung ausgearbeitet
[11]. Bedeutsam war die Verabschiedung der vom Bundesrat 1970 vorgeschlagenen
Totalrevision des Gewässerschutzgesetzes durch das Parlament. Gegenüber den zu wenig wirksamen Bestimmungen des früheren Gesetzes wurde eine wesentliche Verschärfung erzielt. Jedermann ist nun verpflichtet, alle Sorgfalt anzuwenden, um Gewässerverunreinigungen zu vermeiden. Es sind scharfe Strafen vorgesehen. Den Kantonen wird eine zehnjährige Frist auferlegt, um alle Einleitungen und Versickerungen den Erfordernissen des Gewässerschutzes anzupassen. Der Bund beaufsichtigt und koordiniert die Massnahmen. Er kann auf Kosten von säumigen Kantonen, Gemeinden oder anderen Pflichtigen selbst Massnahmen treffen. Dafür werden die Bundessubventionen erhöht. Sie betragen mindestens 15 % und höchstens 50 % für Abwasseranlagen und 40 % für Abfallbeseitigungsanlagen und andere Gewässerschutzmassnahmen (z. B. Algenmähmaschinen). Ein weiterer Zuschlag von 5 % sowie Sonderbeiträge für schwerbelastete Gemeinden sind möglich. Ausserhalb der in generellen Kanalisationsprojekten abgegrenzten Gebiete dürfen nur noch ausnahmsweise Baubewilligungen erteilt werden. Damit soll auch von der Gewässerschutzgesetzgebung her der Zersiedelung ein Riegel geschoben werden. Der Bundesrat kann im weitern Herstellung, Einfuhr und Inverkehrbringen von Stoffen verbieten, die nachteilige Auswirkungen auf die Gewässer haben. Man denkt dabei an Phosphate und Kunststoffe. Der Bau von Tankanlagen wird bewilligungspflichtig, ihre Überwachung verschärft. Die Kantone haben schliesslich um bestehende Grundwasserfassungen herum Schutzzonen anzulegen und zudem Areale festzulegen, in denen keine Arbeiten ausgeführt werden dürfen, welche künftige Wasseranlagen beeinträchtigen könnten.
Alle diese verschärfenden Bestimmungen, die im wesentlichen schon auf einen 1969 vorgelegten Vorentwurf zurückgingen und die häufig technisch komplexe Einzelheiten einschlossen, gaben in den eidgenössischen Räten zu langwierigen Detailberatungen Anlass. In der Kommission des Nationalrates wurden zum Beispiel nicht weniger als 120 Abänderungsanträge gestellt. Am heftigsten umstritten war die Frage der Haftpflicht. Der Bundesrat hatte eine umfassende Kausalhaftung vorgesehen. Der Ständerat schloss sich dieser Lösung in der ersten Lesung im Frühjahr an. Der Nationalrat schränkte im Juni die Kausalhaftung auf Betriebe ein, verschärfte sie aber insofern, als er einem Betrieb, der als Verursacher einer Verschmutzung vermutet wird, die Leistung des Entlastungsbeweises auferlegte. Der Ständerat kehrte schliesslich im Herbst wieder zur ursprünglichen strengen Fassung des für jedermann geltenden Verursacherprinzips zurück, wobei er die Umkehrung der Beweislast beibehielt. Die scharfen Bestimmungen des neuen Gewässerschutzgesetzes erlaubten es, die Standesinitiative des Kantons Neuenburg abzuschreiben
[12]. Die Volksinitiative für den Schutz der Gewässer, die von den Räten zur Ablehnung empfohlen worden war, wurde erst nach einigem Zögern zurückgezogen
[13].
In einem
Vorentwurf für einen neuen Wasserwirtschaftsartikel der Bundesverfassung wurde der Wasserkreislauf als Ganzes betrachtet. Eine Studienkommission unter dem Vorsitz von alt Ständerat Rohner (fdp, SG) sah vor, die Bundeskompetenzen auf dem Gebiete der Wasserwirtschaft zu erweitern und die Gesetzgebung über die Gewässer einheitlicher zu gestalten. Über den Ausgang des Vernehmlassungsverfahrens, das im Juni eröffnet worden war, wurde bis zum Ende des Jahres nichts bekannt
[14].
Um die
Überdüngung der Gewässer zu vermindern, reduzierte zunächst die Migros den Phosphatgehalt der Waschmittel. Die in einer Union zusammengeschlossenen Seifen- und Waschmittelfabrikanten der Schweiz kündigten an einer Pressekonferenz einen ähnlichen Schritt an. Sie gingen allerdings weniger weit. Sie hielten fest, dass einem gänzlichen Abbau der Phosphate wegen der Verkalkungsgefahr für die Waschmaschinen Grenzen gesetzt seien. Die einzige Lösung bilde die Einführung der 3. Reinigungsstufe in den Kläranlagen
[15]. Das EDI ersuchte seinerseits in einem Rundschreiben die Kantonsregierungen, bei allen Kläranlagen im Einzugsgebiet von Seen die Phosphorelimination einzuführen
[16]. Ein energisches Vorgehen gegen die Cellulosefabrik Attisholz (SO) forderte die bernische Regierung in einer Eingabe an den Bundesrat. Der Bundesrat hielt allerdings den Kantonen Solothurn und Bern entgegen, es sei nicht nur die Cellulosefabrik, welche die Aare verschmutze. Er ermahnte die Kantone und die Gemeinden an der Aare, den Pflichten zur Abwassersanierung besser nachzukommen
[17].
[8] TA, 161, 14.7.71; vgl. SPJ, 1970, S. 126. Ende 1971 waren es 50 % (NZZ, sda, 152, 30.3.72).
[9] NZZ (sda), 190, 26.4.71; 455, 30.9.71.
[10] GdL (sda), 152, 3./4.7.71; TdG, 184, 10.8.71.
[11] NZZ (sda), 270, 14.6.71.
[12] Vgl. SPJ, 1969, S. 113; 1970, S. 126 f.; Sten. Bull. NR, 1971, S. 651 ff.; 684 ff.; 1165 ff.; 1395; Sten. Bull. StR, 1971, S. 115 ff.; 501 ff.; 595, 663; BBl, 1971, Il, S. 912 ff.; vgl. auch BN, 242, 15.6.71.
[13] NZZ (sda), 488, 20.10.71; 85, 21.2.72; 181, 19.4.72; Lb, 64, 17.3.72; 44, 23.2.72.
[15] Tat, 130, 5.6.71; 190, 14.8.71; 202, 28.8.71; 262, 8.11.71; 285, 4.12.71; NZZ, 516, 5.11.71; Lb, 259, 6.11.71; 280, 1.12.71.
[16] NZZ (sda), 435, 18.9.71.
[17] NZ, 145, 30.3.71; TA, 168, 22.7.71; NZZ, 345, 28.7.71; Bund, 200, 29.8.71; 204, 2.9.71.
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