Année politique Suisse 1972 : Economie / Crédit et monnaie / Geld- und Währungspolitik
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Währung
Die internationale Währungsordnung blieb auch 1972 nicht von Störungen verschont. Immerhin lösten die auftretenden Probleme keine nachhaltige internationale Währungskrise aus. Das im Dezember 1971 in Washington beschlossene Realignment der Währungen und insbesondere die damit verbundene Rückkehr zu festen Wechselkursen bewirkten allgemein eine Entspannung der internationalen Währungslage [1]. Zur Beruhigung der Situation trug ferner auch der von Notenbankleitern massgeblicher Länder bekräftigte Entschluss bei, an den in Washington vereinbarten Interventionskursen festzuhalten [2]. Im Juni geriet indessen das britische Pfund unter Druck. Die Pfundkrise wurde nach Ansicht von Währungsexperten durch die im Rahmen des Realignments erfolgte relative Überbewertung der englischen Währung eingeleitet. Die anhaltend defizitäre Handelsbilanz und die ausserordentliche Steigerung von Preisen und Löhnen gab schliesslich Anlass zu einer massiven Spekulationswelle gegen das Pfund. Nachdem die Bank von England innert kurzer Zeit Devisenreserven im Umfange von 2,5 Mia Dollar hatte abgeben müssen, beschloss die britische Regierung am 23. Juni die Freigabe des Pfundkurses. Für die durch die Stützungskäufe der englischen Notenbank freigewordene riesige Dollarmenge setzte unverzüglich die Suche nach Anlagemöglichkeiten in stärker erachteten Währungen ein. So ergoss sich erneut eine Dollarflut auf mehrere kontinentaleuropäische Länder, die sich in der Folge zu ausserordentlichen Abwehrmassnahmen gezwungen sahen [3].
Der Dollarsegen traf die Schweiz zu einem Zeitpunkt, da sich Geld- und Devisenmarkt allmählich von den Vorjahreskrisen erholt hatten. Dank des kurz zuvor in einer Volksabstimmung mit überwältigendem Mehr angenommenen Bundesbeschlusses zum Schutze der Währung standen die politischen Instanzen indessen dem Geschehen nicht völlig machtlos gegenüber [4]. Angesichts der zu erwartenden Mittelzuflüsse aus dem Ausland stellte die Nationalbank im Einvernehmen mit dem Bundesrat zunächst ihre Interventionen am Devisenmarkt ein. Der Bundesrat erliess seinerseits ein Verbot der Anlage ausländischer Gelder in schweizerischen Wertschriften und Grundstücken [5]. In Ergänzung dieses Anlageverbotes wurde sodann eine Bewilligungspflicht für die Aufnahme von Krediten im Ausland durch in der Schweiz domizilierte Personen eingeführt. Die Nationalbank nahm in der Folge ihre Interventionstätigkeit am Devisenmarkt wieder auf. Sie liess jedoch die Banken vorgängig wissen, dass ein namhafter Dollarzufluss sofort mit der Einführung eines Negativzinses auf Auslandgeldern geahndet werden müsse. Trotz dieser Warnung flossen dem Noteninstitut in der ersten Julihälfte Dollars im Werte von rund 5 Mia Fr. zu. Auf Antrag der Nationalbank verfügte hierauf der Bundesrat unverzüglich die Einführung eines Negativzinses von 2 % pro Quartal auf allen ausländischen Frankenguthaben bei schweizerischen Banken. Gleichzeitig wurden die Banken durch eine weitere Verordnung verpflichtet, ihre Fremdwährungsverbindlichkeiten täglich durch Fremdwährungsforderungen auszugleichen [6].
Die ergriffenen währungspolitischen Massnahmen stiessen sowohl im Inland als auch im Ausland auf eine zum Teil vehemente Kritik. So wurde einerseits der von Bundesrat und Notenbank praktizierte Währungsdirigismus als grosse Gefahr für das marktwirtschaftliche Prinzip unseres Landes bezeichnet. Andererseits drückten das Ausland sowie dem schweizerischen Fremdenverkehr nahestehende Kreise ihre Enttäuschung über die Negativzinsen und das Anlageverbot in Grundstücken aus [7]. In eine fatale Lage geriet ferner das Fürstentum Liechtenstein, das, obwohl mit der Schweiz durch die gemeinsame Währung verbunden, zum finanzpolitischen Ausland erklärt worden war. Erst nachdem das Nachbarland analoge Währungsmassnahmen ergriffen hatte, kündigte der Bundesrat an, er werde den entsprechenden schweizerischen Beschluss im Sinne einer Gleichstellung Liechtensteins abändern [8].
Die verschiedenen neuen Massnahmen zum Schutze der Währung bildeten in der Folge Gegenstand eines Berichtes des Bundesrates an die Bundesversammlung. Das Parlament befasste sich in seiner Herbstsession mit den diesbezüglichen Darlegungen. Dabei wurde der Regierung im Nationalrat verschiedentlich vorgeworfen, sie habe die Gelegenheit zu einer Freigabe des schweizerischen Wechselkurses als dem einzig wirksamen Schutz gegen den Zustrom ausländischer Gelder verpasst. Bundespräsident Celio betonte indessen, dass eine Wechselkursfreigabe angesichts der erschütterten Grundlage des Währungssystems und der allgemeinen Flucht aus dem amerikanischen Dollar höchstens eine Kursverfälschung mit nachteiligen Folgen für die schweizerische Wirtschaft bewirkt hätte. Beide Räte nahmen schliesslich den bundesrätlichen Bericht oppositionslos zur Kenntnis [9].
Die Pfundkrise löste nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland rege währungspolitische Diskussionen aus. So wurden die Arbeiten für eine umfassende Neugestaltung der internationalen Währungsverhältnisse im Schosse der Institutionen von Bretton Woods intensiv fortgesetzt. Die zwischenstaatlichen Gespräche konzentrierten sich zunächst auf die Bestellung eines geeigneten Verhandlungsgremiums, da sich der bisherige Zehnerklub als zu eng konstituiert erwiesen hatte. Zudem wollte man auch den Entwicklungsländern eine angemessene Vertretung einräumen. Anlässlich der Jahrestagung der Mitglieder des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington konnte schliesslich das sogenannte « Komitee der Zwanzig » aus der Taufe gehoben werden. Die Schweiz, die bisher an allen Sitzungen des Zehnerklubs als Beobachter vertreten gewesen war, wurde allerdings zu der Tagung des neuen Gremiums nicht eingeladen [10].
Die Aberkennung des Beobachterstatus löste in unserem Lande eine gewisse Bestürzung aus. Verschiedene Mutmassungen über den Widerstand gegen eine schweizerische Mitarbeit wurden geäussert. Einerseits waren es die Entwicklungsländer, die beschuldigt wurden, eine schweizerische Beteiligung hintertrieben zu haben, da sie das mühsam erkämpfte Kräfteverhältnis innerhalb der Zwanzigergruppe — 11 Industrienationen und 9 Vertreter der Dritten Welt — nicht hätten preisgeben wollen. Andererseits verdächtigte man die Vereinigten Staaten, sich gegen unser Land ausgesprochen zu haben. Dies wurde insbesondere mit dem immer noch hängigen Rechtshilfeabkommen und dem negativen Corsair-Entscheid erklärt [11].
Der Umstand, dass die Schweiz als Drehscheibe des internationalen Kapitalverkehrs ihre Beobachterrolle in Washington verlor, warf indessen mit aller Deutlichkeit die Frage nach den Beziehungen unseres Landes zu den internationalen Währungsorganisationen auf. Von offizieller Seite wurde in der Folge mehrmals für einen Beitritt der Schweiz zum Internationalen Währungsfonds plädiert [12]. Demgegenüber sprach sich die Schweizerische Bankiervereinigung gegen ein übereiltes Engagement unseres Landes im internationalen Währungsbereich aus. Der Bundesrat bekräftigte schliesslich, dass die Frage einer schweizerischen Beteiligung an den Institutionen von Bretton Woods neu überprüft werden müsse. In diesem Sinne beabsichtige er, dem Parlament 1973 einen Bericht zur Frage eines Beitritts zum Internationalen Währungsfonds vorzulegen [13].
 
[1] VgI. SN, 1971, S. 76 f.
[2] Eine entsprechende Erklärung wurde anlässlich eines Treffens bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel abgegeben. Vgl. dazu Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 65/1972, S. 10.
[3] Gesch.ber., 1972, S. 175 ; Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 65/1972, S. 11 ; Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1972, hrsg. von der Schweizerischen Bankgesellschaft, Zürich 1972, S. 14.
[4] Direkte Opposition erwuchs dem Währungsbeschluss nur seitens der NA und der republikanischen Fraktion der Bundesversammlung, welche die Nein-Parole ausgegeben hatten. Bei einer Stimmbeteiligung von 26,7 % wurde die Vorlage mit 808 974 Ja gegen 113 164 Nein sowie von sämtlichen Ständen gutgeheissen. Vgl. BBI, 1972, II, Nr. 30, S. 40. Vgl. SPJ, 1971, S. 77 f.
[5] Zum Anlageverbot in Grundstücken vgl. unten, S. 103.
[6] NZZ, 297, 28.6.72 ; 306, 4.7.72 ; 308, 5.7.72 ; 310, 6.7.72. Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 65/1972, S. 39 f.
[7] Zur Gefährdung der Marktwirtschaft vgl. Ldb, 152, 4.7.72 ; NZZ, 312, 7.7.72 ; BN, 239, 8.7.72 ; NZZ, 327, 16.7.72. Gegen Negativzinsen und Grundstückanlageverbot sprachen sich der Staatsrat von VS (NZZ, sda, 304, 3.7.72), die Schweizer Hotellerie (NZZ, sda, 314, 8.7.72), Österreich (NZZ, 322, 13.7.72) sowie weitere Fremdenverkehrsgebiete (NZZ, sda, 326, 15.7.72) aus.
[8] NZZ, 328, 17.7.72 ; Ostschw., 168, 20.7.72 ; NZZ, 503, 27.10.72.
[9] BBI, 1972, II, Nr. 37, S. 365 ff. Für eine Wechselkursfreigabe plädierten im NR insbesondere Biel (Idu, ZH), Hofmann (svp, BE), Fischer (fdp, BE) und Salzmann (Idu, BE) : Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1535 ff., S. 1571 ff. Im StR passierte der Bericht diskussionslos : Amtl. Bull. StR, 1972, S. 692 ff.
[10] Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 65/1972, S. 14 f. ; Gesch.ber., 1972, S. 175.
[11] Vgl. Bundespräsident Celio im StR (Amtl. Bull. StR, 1972, S. 694 ff.) ; ferner TA, 294, 16.12.72 ; Schweizerische Handelszeitung, 3, 18.1.73.
[12] So Bundespräsident Celio an der Generalversammlung der Nationalbank (NZ, 196, 29.4.72) ; Nationalbankpräsident Stopper vor dem Bankrat (NZ, 255, 19.6.72) ; Nationalbankvizepräsident Hay in einem Interview (Vat., 241, 16.10.72). Vgl. ferner Max Iklé, « Die Schweiz und die internationalen monetären Institutionen », Sonderdruck des Schweiz. Bankvereins, 1972.
[13] NZZ, 477, 12.10.72 ; Gesch.ber., 1972, S. 175.