Année politique Suisse 1972 : Economie / Crédit et monnaie / Geld- und Währungspolitik
Die Entwicklung des schweizerischen Geld- und Kapitalmarktes war auch 1972 sehr eng mit dem währungspolitischen Geschehen verknüpft. Die beiden Währungskrisen von 1971 hatten durch massive Mittelzuflüsse einen hohen Liquiditätsüberhang in unserem Lande geschaffen, den es im neuen Jahr zunächst abzubauen galt. Durch die Erleichterung von Kapitalexporten und eine restriktivere Mindestguthabenpolitik gelang es der Nationalbank, die Überschussliquidität bis Mitte Juni grösstenteils zu beseitigen. Die zuvor gesenkten Festgeldsätze konnten wenig später wieder erhöht werden
[14]. Im Gefolge der Pfundkrise erreichten indessen neue Dollarströme die Schweiz. Dadurch wurde die weitgehend verwirklichte Normalisierung der Geldversorgung abrupt gebremst. Es kam wieder zu einer grossen Überliquidität mit sinkenden Zinssätzen. Dies veranlasste die Nationalbank, die Mindestguthaben auf in- und ausländischen Verbindlichkeiten erneut heraufzusetzen. Bereits im Herbst trat darauf wieder eine Normalisierung der Marktverhältnisse ein, die bis zum Jahresende sogar teilweise von Verknappungserscheinungen begleitet war
[15]. Im Zusammenhang mit dem starken Lohn- und Preisauftrieb beschleunigte sich 1972 die Ausweitung der Notenzirkulation ganz erheblich. Der Notenumlauf nahm innert Jahresfrist um 16,2 % (Vorjahr : 9,2 %) zu. Das umlaufende Geld vermehrte sich also weit stärker als das Angebot an Waren und Dienstleistungen, was deutlich auf die herrschende Inflation hinwies
[16].
Angesichts der Mittelfülle verstärkte sich die Kredittätigkeit der Banken in grossem Masse. Die erteilten Kreditzusagen nahmen von der Jahresmitte an ständig zu und erreichten im November einen Stand von 11,5 % über dem entsprechenden Monat des Vorjahres. Die Kredite, die zur Verfügung gestellt wurden, übertrafen damit die reale Wachstumsfähigkeit unserer Wirtschaft beträchtlich. Dieser Umstand bewog die Nationalbank, in ihren Kreditrichtlinien den Banken grösste Zurückhaltung bei der Ausübung des Kreditgeschäftes zu empfehlen
[17]. In einem dringlichen Bundesbeschluss, der zusammen mit andern Massnahmen zur Konjunkturstabilisierung erlassen wurde
[18], griff der Bund schliesslich rigoros in das Geschehen auf dem Kreditsektor ein. Dieser Bundesbeschluss über Massnahmen auf dem Gebiete des Kreditwesens verschaffte dem Bundesrat die Kompetenz, die Erhebung von Mindestguthaben, die Begrenzung der inländischen Bankkredite sowie die Genehmigungspflicht für öffentliche Emissionen anzuordnen. Ferner wurde ein Verbot der Werbung für Kleinkredite und Abzahlungsgeschäfte verfügt
[19]. Im Hinblick auf die Schlüsselstellung der Nationalbank im monetären Bereich war es nicht verwunderlich, dass auch 1972 Vorstösse für einen Ausbau des Notenbankinstrumentariums lanciert wurden. Dies geschah im Ständerat durch eine Motion des Appenzellers Broger (cvp), während im Nationalrat der Sozialdemokrat Stich (SO) ebenfalls durch eine Motion grössere Kompetenzen für die Notenbank forderte
[20].
[14] BN, 380, 20.12.72; Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1972, hrsg. von der Schweizerischen Bankgesellschaft, Zürich 1972, S. 18.
[15] Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 65/1972, S. 25 ff. ; Schweizerische Kreditanstalt, Bulletin, 78/1972, Dezember, S. 42 f.
[16] NZ, 108, 6.4.73 ; Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 65/1972, S. 28.
[17] Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 65/1972, S. 26 f. ; Tal, 182, 5.8.72.
[18] Zum Massnahmenpaket zur Konjunkturstabilisierung vgl. oben, S. 63 f.
[19] BBI, 1972, II, Nr. 52, S. 1541 ff.
[20] Zur Motion Broger vgl. Amtl. Bull. StR, 1972, S. 177 ff. und Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1737 f. ; zur Motion Stich, die ursprünglich vom ausgeschiedenen Nationalrat Wyss (sp, BS) stammte, vgl. Amtl. Bull. NR, 1972, S. 669 ff. und Amtl. Bull. StR, 1972, S. 697.
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