Année politique Suisse 1972 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
Luftverkehr
Auch der Luftverkehr stand weiterhin unter dem Druck von umweltbezogenen Forderungen und Anliegen. Nachdem in den Kantonen Zürich und Genf die Einführung eines
Nachtflugverbots beschlossen worden war, bot das EVED Hand zu deren Sanktionierung, indem es die Konzessionen für die Flughäfen Koten und Cointrin ergänzte : von 24 bis 6 Uhr wurden die Abflüge, bis 5 Uhr auch die Landungen untersagt ; für den Charterverkehr konnten die beiden Kantone die Sperrzeit noch ausdehnen. Der schweizerisch-französische Verwaltungsrat des Flughafens Basel-Mülhausen erliess eine ähnliche Verfügung
[54]. Der Zürcher Kantonsrat erklärte sich freilich von der erwirkten Neuerung nicht befriedigt und forderte die Regierung auf, sich für eine völlige Sperre der Nachtflüge während sechs Stunden einzusetzen
[55].
Wachsender Widerstand erhob sich ferner gegen die
Errichtung neuer Flugplätze. Eine baldige Realisierung des Projekts für einen Kontinentalflughafen im Grossen Moos wurde deshalb fallen gelassen. Zwar betonte der Bundesrat im Februar, dass das wirtschaftliche Interesse des Landes in absehbarer Zukunft diese Realisierung verlangen werde, und er forderte den Kanton Bern auf, die Möglichkeit einer solchen zu wahren. Er stützte sich dabei auf einen Bundesbeschluss von 1945, der den Ausbau von vier Grossflughäfen vorgesehen hatte
[56]. Diese positive Stellungnahme führte jedoch zu Protesten und Kundgebungen in der betroffenen Region sowie in Naturschutzkreisen
[57]; sogar die Regierungen der Nachbarkantone Solothurn und Neuenburg gaben ihrer Missbilligung Ausdruck
[58]. Da beschloss der bernische Grosse Rat im September auf Antrag seiner Verkehrskommission, dass wohl geeignete Gebiete freizuhalten seien, auf die Ausarbeitung eines Detailprojekts aber verzichtet werden solle
[59]. Zu einer plebiszitären Demonstration gegen die Anlage eines neuen Flugplatzes kam es in der Waadt, wo das Referendum gegen einen Strassenbaukredit ergriffen wurde, weil man die projektierte Linienführung bei Etagnières als ersten Schritt zum Flugplatzbau interpretierte. Die Gegner beriefen sich auf eine frühere Referendumsbewegung, die 1966 die Subventionierung eines Flugplatzes bei Etagnières durch den Kanton vereitelt hatte, und die Stimmbürger folgten mehrheitlich ihrer Parole
[60]. Opposition regte sich ferner gegen den Ausbau eines Flugfeldes bei Beromünster (LU) sowie gegen Flugplatzprojekte für Engelberg (0W) und Hinwil (ZH)
[61].
Bei der Behandlung des Subventionsgesuches für den 1971 vom Kanton Genf beschlossenen Ausbau des Flughafens Cointrin wurde in den eidgenössischen Räten kritisiert, dass für Flugplatzkredite eine Bewilligungspraxis üblich geworden sei, die das Parlament vor vollendete Tatsachen stelle. Bundesrat Bonvin zeigte sich einer Umwandlung der beiden grössten schweizerischen Flughäfen in öffentlichrechtliche Unternehmungen mit Bundesbeteiligung geneigt ; solchen Unternehmungen könnten Rahmenkredite gewährt werden, deren Freigabe dem Bundesrat zustände
[62]. Eine Erhöhung der bisherigen Beteiligung des Bundes stellten Vertreter der Landesregierung der Swissair in Aussicht, die infolge der Währungsentwicklung eine Verknappung der zu Investitionen benötigten Mittel befürchtete
[63].
[54] Zürich : BBI, 1972, I, Nr. 17, S. 1131 ff. Genf : FF, 1972, I, Nr. 17, S. 1128 ff. Basel : NZ, 218, 17.5.72.
[55] TA, 96, 25.4.72. Da verspätete Abflüge bis 0.30 Uhr gestattet sind, dauert die Sperre eigentlich nur 4 1/2 Stunden.
[56] Bund, 47, 25.2.72 ; vgl. auch Antwort auf Interpellationen Marthaler (svp, BE) und Frey (fdp, NE) im NR (Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1325 ff.) und LITRA, Jahresbericht 1971/72, S. 89 ff. Vgl. SPJ, 1971, S. 111.
[57] Proteste : NZZ (sda), 95, 25.2.72 ; 146, 27.3.72 ; und, 65, 17.3.72 ; Tw, 67, 20.3.72 ; Tat, 72, 24.3.72. Kundgebungen : Bund, 56, 7.3.72 (Biel) ; Lib.. 150, 27.3.72 (Murten). Vgl. auch NZZ, 198, 28.4.72.
[58] Solothurn : Bund. 98, 27.4.72 ; Neuenburg : TLM, 139, 5.72.
[59] Bund, 222, 21.9.72. Vgl. auch Bericht der bernischen Regierung (resümiert in Bund, 96, 25.4.72).
[60] TLM, 46, 15.2.72 ; GdL, 54, 4./5.3.72 ; 284, 4.12.72. Die V erwerfung erfolgte mit 75 444 : 48 653 Stimmen ; alle Bezirke, auch die Stadt Lausanne, entschieden negativ. Vgl. SPJ, 1966, S. 89.
[61] Beromünster : Ww, 43, 25.10.72 ; Vat., 250, 26.10.72. Engelberg : BN, 270, 14.8.72 ; Vat., 210, 9.9.72. Hinwil : NZZ, 446, 25.9.72.
[62] BBI, 1972, I, Nr. 26, S. 1648 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1792 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1972, S. 823 ff. Vgl. SPJ, 1971, S. 111.
[63] NZZ, 200, 30.4.72. Zur Währungsentwicklung vgl. SPJ, 1971, S. 76 f.
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