Année politique Suisse 1972 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
Umweltschutzpolitik
Zahlreiche nationale und internationale Veranstaltungen trugen 1972 dazu bei, das Bewusstsein für die ernstliche Gefährdung der Umwelt des Menschen zu schärfen. Eine
Umweltkonferenz der UNO, die in Stockholm stattfand und an der sich die Schweiz beteiligen konnte, verabschiedete eine Reihe von Grundsätzen, die allerdings noch recht unbestimmt blieben ; zugleich aber sah sie organisatorische Massnahmen und zwischenstaatliche Aktionen vor. Der Europarat behandelte einen umfassenden Bericht über Umweltprobleme, und der Ministerrat der OECD gab Empfehlungen aus, die. das Prinzip enthielten, dass der Verursacher von Umweltschäden die Kosten für deren Behebung zu tragen habe
[1]. In der Schweiz wurden Symposien und Seminarien durchgeführt, die sich insbesondere mit dem Verhältnis zwischen Wirtschaftswachstum und Umwelterhaltung befassten, und verschiedene Organisationen stellten ihre Jahrestagungen in den Rahmen der Umweltproblematik. Dabei kamen sowohl Verfechter einschneidender Schutz- und Steuerungsmassnahmen wie auch Vertreter von Wirtschaftsund Konsumenteninteressen zum Wort
[2]. Die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz formulierte zwölf Thesen, die eine Festsetzung von Belastungsgrenzwerten, Beschränkungen der belastenden Aktivitäten sowie die Einführung des Verursacherprinzips verlangten. Eine Koordination der zahlreichen Bestrebungen und die Publikation regelmässiger Informationen wurden eingeleitet, eine Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Umweltforschung ins Leben gerufen
[3]. Gelegentlich wurde auch die Freigabe der Schwangerschaftsunterbrechung als Mittel zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts befürwortet. Anderseits fehlte es nicht an Stimmen, die vor der Ausbeutung von Umweltbesorgnissen durch extreme Ideologien oder durch wirtschaftliche Interessen warnten
[4].
Der Bundesrat setzte sich in den Richtlinien für die laufende Amtsperiode zum Ziel, « dem Gedanken der Umwelterhaltung in allen Bereichen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen ». Das EDI veranlasste in diesem Sinne die Ausarbeitung eines Entwurfs für ein Umweltschutzgesetz. Dieses sollte, wie aus Äusserungen eines massgebenden Beteiligten hervorging, wesentliche Forderungen der Gesellschaft für Umweltschutz berücksichtigen, zugleich aber auf eine wettbewerbsneutrale Belastung der Wirtschaft Bedacht nehmen
[5]. Ständerat Wenk (sp, BS) regte die Bevorzugung umweltfreundlicher Produkte durch eine differenzierte Steuer- und Zollbelastung an, wobei er sich auf Vorschläge des neuen Präsidenten der Europäischen Kommission, Mansholt, berief ; Bundespräsident Celio lehnte jedoch den Einsatz von Zollmassnahmen mit Rücksicht auf die internationalen Vereinbarungen ab. Gerade das Freihandelsabkommen mit den Europäischen Gemeinschaften schliesst eine Diskriminierung ausländischer Erzeugnisse durch gesundheitspolitische Beschränkungen aus, was in Kreisen des Umweltschutzes Anlass zu Besorgnis gab ; der Bundesrat betonte demgegenüber, dass die Schweiz beim Erlass allgemein gültiger Beschränkungen frei bleibe
[6].
[1] UNO-Umweltkonferenz : NZZ, 253, 2.6.72 ; 327, 16.7.72 ; NZ, 252, 17.6.72 ; 261, 24.6.72 ; NZZ (sda), 297, 28.6.72. Europarat : NZZ, 37, 23.1.72. OECD : NZ, 231, 29.5.72.
[2] Internationales Symposium im Gottlieb-Duttweiler-Institut, Rüschlikon : Energie, Mensch und Umwelt, Bern 1973 (Probleme im Gespräch, 7) ; vgl. auch AZ, 60, 11.3.72. Internationale Tagung der Aktion Saubere Schweiz in Zürich : NZZ, 162, 7.4.72. St. Galler Symposium über „Umwelt — Wachstum — Wettbewerb“ : NZZ, 522, 8.11.72. Seminar für Wachstums- und Umweltfragen für Parlamentarier und Beamte in Bern : BN, 342, 6.11.72. Giessbach-Seminar des Redressement National über « Marktwirtschaft und Umweltbewahrung » : BN, 347, 11.11.72. Weitere Tagungen veranstalteten der Schweizerische Chemikerverband (Bund, 31, 7.2.72), die Schweizerische Gesellschaft für Statistik und Volkswirtschaft (Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 108/1972, Nr. 3) ; die Schweizerische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (NZZ, 477, 12.10.72) und der Automobil-Club der Schweiz (NZZ, 585, 14.12.72).
[3] 12 Thesen : NZZ, 529, 12.11.72. Koordination : NZZ (sda), 197, 28.4.72. Information (Umweltschutz-Report) : NZZ (sda), 220, 13.5.72. Umweltforschung : NZZ, 268, 12.6.72.
[4] Schwangerschaftsunterbrechung : vgl. G. Flückiger in Straflose Schwangerschaftsunterbrechung — Warunm? Bern 1972, S. 53 ff. ; ferner unten, S. 121 f. Warnungen : TA, 37, 14.2.72 ; NZZ, 97, 27.2.72 ; Bund, 93, 21.4.72.
[5] Richtlinien : BBI, 1972, I, Nr. 15, S. 1058 f. Umweltschutzgesetz : Gesch.ber., 1972, S. 43 ; NZZ, 513, 2.11.72 (Ausführungen von NR Schürmann, cvp, SO).
[6] Postulat Wenk : Amtl. Bull. StR, 1972, S. 698 ff. Freihandelsabkommen : TA, 220, 21.9.72 ; Ldb, 257, 4.11.72 ; vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1476 f., 1486 f. ; ferner oben, S. 36 ff.
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