Année politique Suisse 1972 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
Im Zusammenhang mit der Informationspolitik verwies die Landesregierung in ihren Richtlinien auf die wachsenden finanziellen Schwierigkeiten der politischen Presse, insbesondere der lokalen Tageszeitungen [2]. Die Pressekonzentration begann 1972 ein alarmierendes Tempo anzunehmen. Parteiorgane wie die « Neue Berner Zeitung » (SVP) und die « Zentralschweizer AZ » (SP) gingen ein [3]. Der AZ-Ring musste umgestaltet werden [4], und in verschiedenen Formen wurde eine Zusammenarbeit zwischen einzelnen Blättern eingeführt [5]. Mit dem « Schweizer Spiegel » verschwand auch ein kulturelles Organ, das jahrzehntelang von Bedeutung gewesen war, und mit dem « Sonntags-Journal » das erste Schweizer Magazin ; beide wurden von der « Weltwoche » aufgekauft [6]. Diese Entwicklung bestärkte weite Kreise in der Auffassung, dass die Funktion der politischen Tagespresse in der Demokratie ein Abweichen vom schrankenlosen Wettbewerb rechtfertige. Direkte staatliche Subventionen, wie sie einzelne europäische Staaten kennen, wurden jedoch abgelehnt. In verschiedenen parlamentarischen Vorstössen wurde der Bundesrat aufgefordert, indirekte Hilfsmassnahmen vorzuschlagen [7]. Dieser erklärte indessen, dass er solche Vorschläge von den interessierten Kreisen (Parteien, Zeitungsverleger) erwarte [8].
Eine erste Massnahme zur Begünstigung der Presse wurde durch die Revision der Tarife im Postverkehrsgesetz veranlasst. Schon die Vorlage des Bundesrates nahm auf die Bedenken gegen Taxerhöhungen für Zeitungen und Zeitschriften Rücksicht [9]. Die Räte gingen einen Schritt weiter und beschlossen, die besonders gefährdete Lokalpresse (Zeitungen bis 50 g) mit Taxerhöhungen zu verschonen und für den Grossteil der übrigen Presse die beantragten Zuschläge zu reduzieren [10]. In einer Eingabe an den Bundesrat formulierten verschiedene Presseorganisationen Wünsche nach weiteren indirekten Hilfsmassnahmen : höhere Entschädigungen des Bundes an die Schweizerische Depeschenagentur, welche die Presse entlasten sollten, Befreiung der Zeitungen von der Warenumsatzsteuer, Verbilligung des Zeitungspapiers durch Abgeltungsleistungen an die Waldwirtschaft und Zusicherungen, dass die Werbesendungen beim Radio nicht zugelassen und beim Fernsehen nicht ausgedehnt würden [11]. Die erste Fordern. ng erfüllte der Bundesrat als Sofortmassnahme [12] ; gleichzeitig intensivierte er die Vorbereitungen für eine Revision von Art. 55 (Presseartikel) der Bundesverfassung [13].
Langjährige Diskussionen über die Einführung eines Ehrenkodex konnten mit der Annahme der « Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalisten » durch die Delegiertenversammlung des Vereins der Schweizer Presse zu einem Erfolg geführt werden. Offen blieb die Frage, welche Funktionen der vorgesehene Presserat zu erfüllen habe [14]. Das 1971 gekündigte Badener Abkommen wurde durch einen neuen Gesamtarbeitsvertrag ersetzt, der die Begehren der Journalisten (13. Monatslohn, vermehrte soziale Sicherheit) weitgehend erfüllte [15].
 
[2] BBI, 1972, I, Nr. 15, S. 1048 ff. Vgl. auch Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission, 7/1972, Hefte 1 und 3/4.
[3] Zur Neuen Berner Zeitung : NBZ, 271, 18.11.72 ; 276, 24.11.72 ; 277, 25.11.72 ; 286, 6.12.72 ; 292, 13.12.72. Zur AZ : Tw, 127, 2.6.72.
[4] AZ, 147, 26.6.72 ; 211, 8.9.72 ; Bund, 215, 13.9.72.
[5] Verlagsgemeinschaft der CVP-Presse der Nord- und Ostschweiz : Ostschw., 128, 3.6.72; Zusammenarbeit des Courrier (GE) und der Liberté (FR) : Vat., 227, 29.9.72 ; Zusammenarbeit der Gazette de Lausanne und des Journal de Genève : GdL, 270, 17.11.72. Vgl. auch TA, 158, 10.7.72 ; Ldb, 202, 1.9.72.
[6] Ww, 26, 28.6.72 ; TdG, 231, 3.10.72 ; NZ, 376, 4.10.72 ; AZ, 236, 7.10.72 ; SI, 42, 15.10.72 ; vgl. SPJ, 1971, S. 153.
[7] Motion Schürmann (cv), SO), Postulate Chevallaz (fdp, VD) und Muheim (sp, LU) sowie Interpellation Gianella (cvp, TI) : Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1283 ff. ; vgl. auch ebenda, S. 563 ff.
[8] NZ, 90, 24.2.72 ; Vat., 46, 24.2.72 ; GdL, 47, 25.2.72.
[9] BBl, 1972, I, Nr. 6, S. 445 ff. ; vgl. SPJ, 1971, S. 153.
[10] Vgl. oben, S. 97.
[11] NZZ, 267, 11.6.72 ; Bund, 207, 4.9.72.
[12] NZ, 425, 16.11.72 ; TA, 268, 16.11.72 ; JdG, 269, 16.11.72.
[13] Expertenauftrag an NR Schürmann (cvp, SO) : GdL, 99, 28.4.72 ; BN, 179, 29./30.4.72. Vgl. auch Antwort des BR auf Kleine Anfrage Vontobel (ldu, ZH) : Amtl. Bull. NR, 1972, S. 2467. Vgl. SPJ, 1971, S. 153 f.
[14] GdL, 141, 19.6.72 ; NZ, 255, 19.6.72 ; Vat., 140, 19.6.72 ; NZZ, 283, 20.6.72. Vgl. SPJ, 1969, S. 144 ; 1970, S. 161.
[15] NZZ (sda), 244, 29.5.72 ; vgl. SPJ, 1971, S. 153.