Année politique Suisse 1973 : Economie / Crédit et monnaie / Geld- und Währungspolitik
print
Währungsordnung
Die internationale Währungsordnung wurde 1973 von äusserst schweren Krisen erschüttert [1]. Im Januar sah sich Italien veranlasst, der zunehmenden Kapitalflucht und der ungünstigen Entwicklung der Zahlungsbilanz durch eine Spaltung des Devisenmarktes in einen finanziellen und einen kommerziellen Sektor zu begegnen. Der freie Finanzkurs der Lira löste sogleich beträchtliche Kapitalbewegungen nach dem Ausland aus. Angesichts der traditionell engen Beziehungen zwischen Italien und der Schweiz flossen bedeutende Dollarmengen in unser Land. Gleichzeitig setzte eine starke, zum grössten Teil spekulative Nachfrage nach Schweizerfranken ein, was zusätzliche enorme Dollarzuflüsse bewirkte. Nachdem die Schweizerische Nationalbank an einem einzigen Tag Stützungskäufe von über 1 Mia Dollar hatte vornehmen müssen, entschloss sie sich am 23. Januar im Einvernehmen mit dem Bundesrat, ihre Interventionen am Devisenmarkt bis auf weiteres einzustellen [2]. Die regionale Störung der internationalen Währungsbeziehungen breitete sich in der Folge rasch. zu einer schweren Dollar- und Weltwährungskrise aus, welche die amerikanische Regierung veranlasste, den Dollar nach rund einem Jahr ein zweites Mal abzuwerten [3]. Die überraschende Abwertung des Dollars um 10 % vermochte jedoch die Währungslage nur momentan zu beruhigen. Die Schweiz, die grundsätzlich die Wünschbarkeit neuer fester Währungsrelationen befürwortete, hielt den Zeitpunkt für die Rückkehr zu festen Wechselkursen noch nicht für gekommen [4]. Bundesrat und Nationalbank entschlossen sich dennoch zum Versuch, einer allzu starken wechselkursbedingten Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsstellung unseres Landes durch gezielte Dollarkäufe entgegenzuwirken. Entsprechende Interventionen blieben aber erfolglos und mussten nach wenigen Tagen wieder eingestellt werden [5].
Die Flucht aus dem Dollar erreichte schliesslich derartige Ausmasse, dass fast alle europäischen Notenbanken die Stützung des Dollarkurses aufgaben und ihre Interventionen an den Devisenmärkten einstellten. Nach fieberhaften Beratungen einigten sich schliesslich die wichtigsten Industrieländer der Europäischen Gemeinschaften auf ein neues Währungsmodell. Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Dänemark beschlossen, die Wechselkurse unter sich stabil zu halten und ihre Währungen gegenüber dem Dollar innerhalb einer Bandbreite von -± 2,25 % gemeinsam schwanken zu lassen [6]. Als Beitrag zur Gewährleistung des aussenwirtschaftlichen Gleichgewichts wertete Deutschland seine Währung gleichzeitig um 3 % auf [7]. Die wirtschaftlich schwächeren Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften, Italien, England und Irland, sahen sich ausserstande, diese Lösung zu akzeptieren und liessen ihre Wechselkurse weiterhin individuell frei schwanken [8]. Dagegen schlossen sich Schweden, Norwegen und Österreich der gemeinsamen europäischen Währungspolitik an [9]. Für die Schweiz stellte sich nach diesen Ereignissen die nicht unbedeutende Frage, ob sie sich an der innereuropäischen Wechselkursstabilisierung ebenfalls beteiligen solle. Bundesrat und Nationalbank zogen es jedoch aus devisentechnischen und vor allem konjunkturellen Gründen vor, dem europäischen Währungsblock fernzubleiben und den Schweizerfranken weiterhin individuell schwanken zu lassen [10]. In der Folge glich sich die Kursentwicklung der schweizerischen Währung weitgehend derjenigen der Blockwährungen an. Die aus der Wechselkursfreigabe resultierende faktische Aufwertung des Schweizerfrankens erreichte indessen zeitweise ganz beträchtliche Ausmasse [11]. Sie wirkte sich aber infolge der weltweiten inflationären Nachfrageexpansion weit weniger stark auf den schweizerischen Aussenhandel aus, als man erwartet hatte [12]. Diese Entwicklung erlaubte der Nationalbank die Aufrechterhaltung ihrer Politik des frei schwankenden Wechselkurses, was sich auf die Dauer als wirkungsvolle Unterstützung der hauptsächlich monetär orientierten Konjunkturdämpfungspolitik erwies [13].
Die internationale Währungskrise erhöhte für unser Land die Notwendigkeit wirksamer Abwehrmassnahmen gegen den unerwünschten Zustrom von Auslandgeldern. Die politischen Instanzen sprachen sich denn auch mehrmals entschieden für die Beibehaltung des währungspolitischen Abwehrdispositivs aus und verschärften die 1972 eingeführten Massnahmen in. einigen wesentlichen Punkten [14]. So wurde die zulässige Zeichnungsquote bei ausländischen Anleihensemissionen in Schweizerfranken für Ausländer von 40 auf 35 % herabgesetzt [15]. Daneben erfuhr die Berechnungsgrundlage der Kommissionsbelastung von 2 % (Negativzins) auf ausländischen Frankenguthaben bei schweizerischen Banken eine Verschärfung, die jedoch nach weitgehender Beruhigung der Währungslage im Juli wieder rückgängig gemacht werden konnte. Im Oktober hob sodann die Nationalbank die Kommissionsbelastung ganz auf, liess aber das Verzinsungsverbot unverändert bestehen [16]. Zudem wurde die Aufnahme von Geldern im Ausland erschwert. Der Bundesrat reduzierte die massgebenden Freigrenzen für Kreditaufnahmen im Ausland um die Hälfte auf 50 000 Fr. [17]. Wie bereits 1972 wurden die Banken vorübergehend verpflichtet, ihre Fremdwährungsverbindlichkeiten täglich durch Fremdwährungsforderungen auszugleichen. Diese Verordnung konnte angesichts der Erholung des Dollarkurses ebenfalls im Herbst wieder suspendiert werden [18]. Der Kauf schweizerischer Liegenschaften und Wertschriften durch Ausländer wurde durch die Einstellung der Interventionen am Devisenmarkt wohl erschwert und verteuert, liess sich dadurch aber nicht verhindern. Die Vorschriften über die Anlage ausländischer Gelder in inländischen Grundstücken, Wertpapieren und Hypotheken behielten deshalb auch nach der Wechselkursfreigabe ihre uneingeschränkte Gültigkeit [19].
Der Zusammenbruch der Weltwährungsordnung löste auch auf internationaler Ebene intensive Reaktionen aus. Der Ruf nach einer Neugestaltung der internationalen Währungsbeziehungen verstärkte sich mit dem Untergang des gegen Ende des Zweiten Weltkrieges geschaffenen Systems von Bretton Woods zusehends. So wurde das « Komitee der Zwanzig », das 1972 im Schosse des Internationalen Währungsfonds (IWF) gebildet und mit den Vorarbeiten zu einer Währungsreform beauftragt worden war, mit Nachdruck ersucht, die entsprechenden Vorbereitungen zu beschleunigen [20]. Die in der Folge durch Experten der Zwanzigergruppe verstärkt vorangetriebenen Reformarbeiten erweckten den Anschein, als ob bereits die im September in Nairobi stattfindende Jahreskonferenz des IWF und der Weltbank eine weitgehende Einigung über die Neugestaltung des internationalen Währungssystems bringen könnte [21]. Diese Hoffnungen zerschlugen sich jedoch bald wieder, bestanden doch zwischen den beteiligten Ländern nach wie vor grundlegende Meinungsverschiedenheiten. Die in Nairobi versammelten Finanzminister und Notenbankgouverneure beauftragten schliesslich die Expertengruppe, bis Ende Juli 1974 eine ausgereifte Grundkonzeption zu einer neuen internationalen Währungsordnung auszuarbeiten [22]. Obwohl die Schweiz zu den Arbeiten an der internationalen Währungsreform nicht einmal als Beobachter zugelassen war, stiessen die Verhandlungen in unserem Land auf grosses Interesse. Nachdem Bundesrat Celio im Januar einen Beitritt der Schweiz zum Internationalen Währungsfonds befürwortet hatte, vertrat er gegen Jahresende eine abwartende Haltung und bezeichnete die Situation als zu unsicher [23].
 
[1] Für überblicke vgl. Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 66/1973 ; Schweizerische Bankgesellschaft, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1973, Zürich 1973 ; Schweizerische Kreditanstalt, Bulletin, 79/1973, Dezember ; Schweizerischer Bankverein, Bulletin, 1973, Nr. 3 ; ferner Beat Gerber, „Währungspolitik 1973: Rückblick und Ausblick“, in Bund, 303, 28.12.73 ; 304, 30.12.73.
[2] Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 66/1973, S. 5 ff., 24 ; NZZ, 37, 24.1.73 ; 38, 24.1.73 ; Bund, 303, 28.12.73. VgI. ferner F. Aschinger, „Crise monétaire internationale et avenir du franc suisse“, in Revue économique et sociale, 31/1973, Oktober, S. 251 ff.
[3] Vgl. dazu SPJ, 1971, S. 76 ; NZZ, 73, 14.2.73 ; Schweizerischer Bankverein, Bulletin, 1973, Nr. 3, S. 58.
[4] NZ, 57, 20.2.73 ; Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 66/1973, S. 38.
[5] NZZ, 85, 21.2.73 ; 92, 25.2.73 ; Bund, 167, 20.7.73 ; 168, 22.7.73 ; 303, 28.12.73.
[6] Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 66/1973, S. 6 f. ; NZZ, 415, 7.9.73 ; vgl. auch Der Europäische Währungsblock, Bern 1973 (Bankwirtschaftliche Forschungen, 16).
[7] Schweizerischer Bankverein, Bulletin, 19'73, Nr. 3, S. 59. Eine weitere Aufwertung der D-Mark um 5,5 % erfolgte Ende Juni (Schweizerische Bankgesellschaft, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1973, Zürich 1973, S. 12).
[8] NZZ, 415, 7.9.73 ; Schweizerischer Bankverein, Bulletin, 1973, Nr. 3, S. 60.
[9] Schweden wertete dabei seine Währung um 5 % ab, während Österreich eine Aufwertung von 2,25 % durchführte. Vgl. dazu Bund, 303, 28.12.73.
[10] NZ, 88, 193.73 ; NZZ, 129, 19.3.73 ; 135, 223.73 ; TG, 66, 20.3.73 ; TA, 66, 20.3.73 ; Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 66/1973, S. 38 f. Der Bundesrat lehnte eine vor allem von der Exportwirtschaft geforderte Spaltung des Devisenmarktes in einen offiziell gestützten Handelsdollar und in einen Finanzdollar ab (NZZ, 99, 13.73 ; Bund, 73, 28.3.73).
[11] Tw, 133, 9.6.73 ; NZ, 188, 19.6.73 ; BN, 251, 25.10.73 ; NZZ, 512, 4.11.73 ; 543, 22.11.73.
[12] Zur Aussenwirtschaft vgl. oben, I, 2.
[13] Vgl. dazu insbesondere Bund, 167, 20.7.73 ; 168, 22.7.73. Zur Konjunkturpolitik vgl. oben, S. 55 ff.
[14] Vgl. dazu die beiden Berichte des Bundesrates an die Bundesversammlung über. Massnahmen zum Schutze der Währung : BBI, 1973, I, Nr. 21, S. 1380 ff. ; II, Nr. 45, S. 860 ff. Vgl. auch SPJ, 1972, S. 67.
[15] Verordnung über die Anlage ausländischer Gelder : BBl, 1973, I, Nr. 21, S. 1390 ff.; II, Nr. 45, S. 870 f.
[16] Verordnung über die Verzinsung ausländischer Gelder : BBI, 1973, I, Nr. 21, S. 1392 f. ; II, Nr. 45, S. 871 f.
[17] Verordnung über die Bewilligungspflicht für die Aufnahme bon Geldern im Ausland : 'BBI, 1973, I, Nr. 21, S. 1393 f. ; II, Nr. 45, S. 872.
[18] Verordnung über die Fremdwährungspositionen der Banken : BBI, 1973, I, Nr. 21, S. 1394 f. ; II, Nr. 45, S. 872 f.
[19] Bundesratsbeschluss über das Verbot der Anlage ausländischer Gelder in inländischen Grundstücken : BBI, 1973, I, Nr. 21, S. 1388 ff. ; II, Nr. 45, S. 869 f. Vgl. auch unten, S. 101 f.
[20] Vgl. SPJ, 1972, S. 68 ; Schweizerische Nationalbank, Geschäftsbericht, 66/1973, S. 10.
[21] Ebd., S. 11.
[22] NZZ, 445. 26.9.73 ; 452, 30.9.73.
[23] TA, 24, 30.1.73 ; Bund, 131, 7.6.73. Vgl. auch SPJ, 1972, S. 68.