Année politique Suisse 1973 : Chronique générale / Finances publiques
Steuern
Neben Anstrengungen zur Einschränkung der Ausgaben stand andererseits die
Beschaffung zusätzlicher Mittel durch steuerliche Massnahmen im Vordergrund der Bemühungen zur Verbesserung der Finanzlage. Nachdem der Nationalrat im Dezember 1972 einer Vorlage zur Erhöhung der Warenumsatzsteuer und der direkten Bundessteuer zugestimmt hatte
[14], befasste sich der Ständerat in seiner Frühjahrssession mit diesem Geschäft. Die geplanten Fiskalmassnahmen, welche dem Bund Mehreinnahmen von insgesamt 389 Mio Fr. im Jahre 1974 und 526 Mio Fr. im Jahre 1975 bringen sollen, wurden dabei von der Kleinen Kammer einstinunig gutgeheissen
[15]. Damit waren indessen die verfassungsmässigen Steuerkompetenzen des Bundes im Rahmen der Finanzordnung 1971-1982 bereits wieder voll ausgeschöpft. Bundesrat Celio kündigte in der Folge im Parlament neue Steuermassnahmen für 1974 an
[16]. Im September unterbreitete sodann das EFZD den Entwurf zu einem neuen Bundesgesetz über den Ausgleich der Folgen der kalten Progression und den Übergang zur jährlichen Veranlagung (Postnumerando-System) bei der direkten Bundessteuer zur Vernehmlassung. Da die Kantone im Falle einer Umstellung auf Bundesebene für ihre eigenen direkten Steuern ebenfalls zur jährlichen Veranlagung übergehen müssten, was mit erheblicher organisatorischer Mehrarbeit verbunden wäre, erwuchs der bundesrätlichen Vorlage seitens mehrerer Stände Kritik und Ablehnung
[17]. Daneben traten zahlreiche parlamentarische Vorstösse für mehr oder weniger umwälzende Reformen im Bereiche der Fiskalpolitik des Bundes ein. So verlangte der Landesring-Vertreter Biel (ZH) in einer als Postulat überwiesenen Mótion eine grundlegende Umgestaltung des schweizerischen Steuerwesens durch eine enge Verbindung der direkten Steuern der Kantone und des Bundes
[18]. Ebenfalls überwiesen wurde ein Postulat des Christlichdemokraten Eisenring (ZH), welcher eine Anpassung der Abschreibungssätze bei der Wehrsteuer an die Geldwertentwicklung forderte
[19]. In einem weiteren Postulat lud der Zürcher Schalcher (evp) den Bundesrat ein, die Steuerpauschalierung bei der Wehrsteuer so zu gestalten, dass eine Privilegierung gegenüber den andern Steuerzahlern vermieden würde. Eine Motion des Republikaners Reich (ZH), der für eine Abschaffung der Pauschalsteuer eintrat, wurde hingegen abgelehnt
[20]. Ferner fand eine Motion des Freisinnigen Junod (VD), der für die Aufhebung der Umsatzsteuer bei der Besteuerung unabhängiger Künstler plädierte, die Zustimmung beider Räte
[21].
Auch ausserhalb des Parlamentes wurden 1973 zahlreiche Vorstösse zu einer Neu- oder Umgestaltung des schweizerischen Steuerwesens unternommen. Im Mittelpunkt der vielfältigen Anstrengungen stand die Steuerharmonisierung, deren unverzügliche Realisierung in praktisch allen Reformvorschlägen postuliert wurde. Auf Bundesebene waren es vor allem drei weitgehend detailliert ausgestaltete Alternativen, welche die steuerpolitische Diskussion beherrschten. Zunächst lancierte der Landesring der Unabhängigen ein eidgenössisches
Volksbegehren „für eine gerechtere Besteuerung und die Abschaffung der Steuerprivilegien“. Die Initiative bezweckt einheitliche Grundsätze und Tarife zur Besteuerung von Einkommen und Vermögen sowie die Einführung einer allgemeinen, teilweise dem föderativen Finanzausgleich dienenden Bundessteuer. Daneben sollen durch eine einheitliche Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie durch eine Besteuerung der alkoholischen Getränke und des Energieverbrauchs den öffentlichen Haushalten vermehrt Mittel zufliessen
[22].
Ein weiteres Volksbegehren wurde von der Sozialdemokratischen Partei vorgelegt. Die schon lange angekündigte «
Reichtumssteuerinitiative » sieht auf der Basis der Steuerharmonisierung eine stärkere steuerliche Belastung von Einkommen und Vermögen vor
[23]. Schliesslich trat die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren mit dem Entwurf zu einem Verfassungsartikel zur Steuerharmonisierung an die Öffentlichkeit. Die vorgeschlagene Vereinheitlichung bezieht sich auf die Steuerveranlagung, nicht aber auf die Tarife. Daneben legte die Konferenz auch ein Mustergesetz über die direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vor
[24]. Auf kantonaler Ebene wurde ebenfalls für eine Angleichung der verschiedenen Steuersysteme gekämpft. So liessen sich die Regierungen der Kantone Aargau, Solothurn, Schaffhausen und Zürich durch ihre Parlamente verpflichten, Standesinitiativen zur Steuerharmonisierung vorzubereiten
[25]. Daneben waren es nicht weniger als 17 Volksinitiativen, welche im kantonalen Rahmen eine Reform des Steuerwesens anstrebten. Der Grossteil dieser kantonalen Volksbegehren ging auf das Konto der Sozialdemokraten, die insgesamt in sieben Kantonen für eine stärkere Progression für höhere Einkommen und vielfach auch für Vermögen eintraten
[26]. In fünf Ständen wandte sich der Landesring der Unabhängigen mit integralen Reformvorschlägen an die steuerzahlende Öffentlichkeit
[27]. Die Flut von Steuerinitiativen veranlasste mehrere Kantonsregierungen zur Ausarbeitung entsprechender Gegenvorschläge. Die Finanzdirektoren der Kantone Zürich, Bern, Solothurn, Baselstadt, Baselland und Aargau erarbeiteten zudem gemeinsame Richtlinien, nach denen die Belastung der hohen Einkommen ausgerichtet werden soll, um kein interkantonales Gefälle entstehen zu lassen
[28].
Auf dem Gebiete des bundesstaatlichen Finanzausgleichs kam es 1973 zu einer Neuregelung. Die im April veröffentlichte Botschaft des Bundesrates sah einen verfeinerten Abstufungsmechanismus der Bundesbeiträge nach der Finanzkraft der Kantone vor. Für die finanziell mittelstarken Kantone wurde dabei die Zuteilung nach einer gleitenden Skala entsprechend den Indexzahlen der Finanzkraft vorgeschlagen. Der Übergang vom Stufensystem zu einer gleitenden Skala ist mit jährlichen Mehraufwendungen des Bundes von 40 Mio Fr. verbunden
[29]. Der Gesetzesrevision erwuchs in der parlamentarischen Beratung in beiden Räten Opposition durch Vertreter des Landesrings. Im Ständerat war es der Zürcher Heimann (ldu), der aus konjunkturpolitischen Erwägungen Antrag auf Nichteintreten stellte. Sein Zürcher Kollege Biel (ldu) beantragte im Nationalrat Rückweisung der Vorlage, da der Bund finanziell nicht noch mehr belastet werden dürfe. Schliesslich setzte sich in beiden Räten die von der Kommission der Volkskammer vorgeschlagene gestaffelte Inkraftsetzung des revidierten Finanzausgleichsgesetzes durch
[30]. Eine Motion des Aargauers Letsch (fdp), welche für eine Umwandlung der direkten Bundessteuer in eine Finanzausgleichssteuer eintrat, wurde zudem in beiden Kammern als Postulat überwiesen
[31]. Ferner erklärte der Nationalrat ein Postulat des Neuenburgers Aubert (lib.), der einheitliche Bemessungsgrundlagen für die Finanzkraft der Kantone forderte, für erheblich
[32].
Im Bereiche der Sondersteuern erhöhte der Bundesrat mit Wirkung auf den 1. Januar 1973 die
Monopolgebühren auf importierten gebrannten Wassern um durchschnittlich 45 %. Daneben erfuhr auch die Fiskalbelastung auf Trinksprit und Kernobstbranntwein eine Erhöhung. Im Februar wurden sodann auch die Steuern auf inländischen Spezialitätenbranntweinen um rund 40 % erhöht
[33]. Die Revision des Bundesgesetzes über die
Stempelabgaben konnte mit der parlamentarischen Beratung abgeschlossen werden. Ein Rückweisungsantrag des Sozialdemokraten Weber (TG), der die Banken als einzige Nutzniesser der Gesetzesrevision anprangerte, wurde vom Nationalrat verworfen. Nachdem der Ständerat vorerst auf einem einheitlichen Abgabesatz für in- und ausländische Titel beharrt hatte, schwenkte er schliesslich durch Stichentscheid seines Präsidenten auf die vom Nationalrat beschlossene Differenzierung ein. Danach wird in Zukunft für inländische Papiere ein Abgabesatz von 1 %6 und für ausländische Titel ein solcher von 2 %, auf dem Umsatz erhoben werden
[34]. In Schaffhausen beschloss das Kantonsparlament die Lancierung einer Standesinitiative zur Schaffung einer zentralen Motorfahrzeugbesteuerung
[35]. Im Rahmen des grenzüberschreitenden Steuerwesens kam es zur Unterzeichnung von Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark sowie mit Trinidad und Tobago. Gleiche Abkommen konnten mit Österreich und Portugal paraphiert werden
[36].
[14] Vgl. SPJ, 1972, S. 75 f.
[15] Amtl. Bull. StR, 1973, S. 52 ff., 253 ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 217, 382 ; BBl, 1973, I, Nr. 13, S. 768 ff.
[16] Dies geschah im Rahmen der Beratungen des eidg. Voranschlags 1974: Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1577 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 640 ff.
[17] NZ, 293, 20.9.73. Ihre Abneigung gegenüber einer jährlichen Veranlagung bekundeten die Kantone St. Gallen (Ostschw., 296, 18.12.73), Nidwalden (NZZ, sda, 591, 20.12.73), Obwalden (NZZ, sda, 599, 27.12.73) und Uri (NZZ, sda, 599, 27.12.73). Der Kanton Solothurn begrüsste dagegen das Postnumerando-System (NZZ, sda, 599, 27.12.73).
[18] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 267 ff. Die Kantone würden am Ertrag einer allgemeinen direkten Bundessteuer beteiligt und könnten ausserdem prozentuale Zuschläge erheben.
[19] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 359 f.
[20] Postulat Schalcher (evp, ZH) : Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1306 f. Motion Reich (rep, ZH) : Amtl. Bull. NR, 1973, S. 449 ff. Die Pauschalsteuer ermöglicht eine vereinfachte Veranlagung für Personen ohne Erwerbstätigkeit, insbesondere für Ausländer.
[21] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1582 ff. Die Motion wurde im StR durch die Genfer Abgeordnete Girardin (fdp) vertreten und ebenfalls als Postulat überwiesen : Amtl. Bull. S&R, 1973, S. 783 ff.
[22] Tat, 77, 2.4.73 ; 102, 4.5.73 ; NZ, 137, 4.5.73.
[23] Vgl. SPJ, 1972, S. 76 ; TA, 65, 19.3.73 ; AZ, 127, 4.6.73 ; 248, 24.10.73. Vgl. dazu auch SPS, Ausserordentlicher Parteitag 1973, Beschlussprotokoll, Bern 1973. Ferner : Johannes Hensel, Die Verfassung als Schranke des Steuerrechts, Diss. St. Gallen 1973.
[24] TA, 137, 16.6.73 ; NZZ (sda), 275, 18.6.73 ; Ww, 31, 1.8.73. Vgl. dazu auch Das schweizerische Steuersystem wie es sein könnte, Entwurf erarbeitet von Ökonomiestudenten der Universität Basel unter der Leitung von Prof. R. Frey, Zürich 1973.
[25] Aargau (Vat., 33, 9.2.73), Solothurn (TA, 51, 2.3.73), Schaffhausen (Tat, 124, 30.5.73) und Zürich (BN, 85, 10.5.73). Ferner ersuchte die Junge CVP von BL Bundesrat und Parlament in einer Petition, die Steuerharmonisierung vordringlich zu behandeln (Ostschw., 22, 27.1.73). Vgl. dazu auch Hans Letsch, „Grundsätzliche Aspekte der Steuerharmonisierung“, in Wirtschaftspolitische Mitteilungen, 29/1973, Nr. B.
[26] Dabei handelt es sich um die Kantone ZH, BE, SO, BS, AG, TG, TI und GE. Als Ubersicht vgl. NZZ, 386, 22.8.73, sowie NZ, 117, 14.4.73. Vgl. auch unten, S. 146 ff.
[27] LdU-Initiativen wurden in den Kantonen BE, LU, SG, SH und ZG lanciert. Vgl. dazu unten, S. 146 ff.
[28] NZ, 278, 6.9.73 ; Ostschw., 208, 6.9.73.
[29] BBl, 1973, I, Nr. 17, S. 1101 ff.
[30] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1108 ff., 1390 ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 378 ff., 386 ff., 577 f. und 620 ; BBI, 1973, Il, Nr. 41, S. 567 ff.
[31] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 271 ff. Die Motion wurde int StR durch den Freisinnigen Luder (SO) vertreten und ebenfalls als Postulat überwiesen : Amtl. Bull. StR, 1973, S. 61 ff.
[32] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1108 ff.
[33] NZ,1, 2.1.73 ; NZZ (sda), 1, 3.1.73 ; 29, 19.1.73.
[34] Vgl. SPJ, 1971, S. 88 ; 1972, S. 78 ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 585 ff., 979 ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 225 ff., 409 ff. und 449 ; BBI, 1973, I, Nr. 27, S. 1690 ff.
[35] NZZ (sda), 551, 27.11.73.
[36] Dänemark (NZZ, sda, 551, 27.11.73), Trinidad und Tobago (Vat., 35, 12.2.73), Österreich (NZZ, sda, 56, 4.3.73) und Portugal (NZZ, sda, 262, 8.6.73). Vgl. ferner oben, S. 68.
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