Année politique Suisse 1973 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
Eisenbahn
Das dringlichste Problem im Eisenbahnwesen, die
Alpenbahnfrage, konnte 1973 noch nicht gelöst werden
[27]. Die im Herbst 1972 vom Bundesrat geforderte Zusatzstudie bestätigte zwar das Konzept des EVED : Ausbau der Lötschberg-Simplon-Linie (BLS) auf durchgehende Doppelspur, Bau eines Gotthard-Basis-Tunnels sowie einer Ostalpenbahn Splügen-West
[28]. Die Ausführung des baureifen und unbestrittenen BLS-Projektes verzögerte sich, da über die Kostenverteilung noch keine Einigung vorlag
[29]. Gegen den Gotthard-Basistunnel regte sich Opposition im Kanton Uri, doch das Gotthard-Komitee, in welchem sämtliche am Gotthardverkehr interessierten Kantone vertreten sind, drängte auf einen baldigen Entscheid. Es versuchte auch eine Verständigung mit den Ostalpenbahnanhängem einzuleiten
[30]. Diese setzten sich an verschiedenen internationalen Treffen für ihr besonderes Anliegen ein
[31]. Sie erhielten dabei überraschend Unterstützung durch einen Vertreter der Deutschen Bundesbahn, der einen Ausbau des Gotthard für den Nord-Süd-Verkehr im EWG-Raum als ungenügend bezeichnete ; diese Meinungsäusserung wurde jedoch auf Anfrage des EVED von Bonn als inoffiziell erklärt
[32]. Eine neue Situation schaffte die Einreichung einer von 107 Nationalräten aus verschiedensten Teilen des Landes unterzeichneten Motion Schmid (sp, SG), die vom Bundesrat vor der Beschlussfassung über ein Alpentransversalenkonzept eine Kosten-Nutzen-Analyse für das Gotthard-Basis- und das Ostalpenprojekt verlangte
[33].
Neben der Frage der Alpentransversalen waren auch andere Bahnprojekte umstritten. Der Beginn der Bauarbeiten am Furka-Basistunnel gab noch einmal Anlass zum Ruf nach einem Verzicht auf das umstrittene Vorhaben ; der Bundesrat hielt jedoch an seinem Bauentschluss fest und lehnte auch einen Aufschub aus konjunkturellen Gründen ab
[34]. Dagegen versuchte er den Einwänden des Landschaftsschutzes gegen die ursprünglich geplante Linienführung für eine neue Strecke zwischen Olten und Rothrist (AG) durch die Wahl einer teureren Variante zu entsprechen. Gegenüber einem Schnellbahnprojekt Bern-Zürich wurden von solothumischer und bernischer Seite Einwände und Vorbehalte angemeldet
[35]. In der Innerschweiz wurde eine Petition « Bahnen für das Herz der Schweiz » gestartet, die unter anderem einen Durchgangsbahnhof für Luzern fordert ; diese Idee ist bereits von den SBB übernommen worden
[36].
Die
SBB-Rechnung schloss 1972 mit einem Defizit von 17,7 Mio Fr. (1971 : 54 Mio Fr.) ab ; budgetiert war ein Reingewinn von 3,4 Mio Fr. Als Ursache dieses erneuten Fehlbetrages wurden die Teuerung und der angespannte Arbeitsmarkt genannt ; es ist jedoch auch auf den weiteren Rückgang im Reiseverkehr und auf eine Abnahme im besonders einträglichen Transitgüterverkehr hinzuweisen. Insgesamt erreichte der Güterverkehr mit 46,1 Mio t einen neuen Höchststand
[37]. Das Budget 1974 rechnete mit einem Fehlbetrag von 105 Mio Fr.
[38]. Dabei war eine um 60 Mio Fr. erhöhte Abgeltung berücksichtigt, die der Bundesrat im Oktober verfügte, sowie Mehreinnahmen aus einer Tariferhöhung, die dann allerdings aus konjunkturpolitischen Gründen aufgeschoben wurde. Für die Einnahmenverluste aus diesem Aufschub verlangten die Transportunternehmen eine zusätzliche Abgeltung aus der Bundeskasse
[39]. Der Bauvorschlag 1974 erfuhr ebenfalls aus Dämpfungsgründen gewisse Abstriche
[40]. Am Jahresende trat ein Wechsel in der Führungsspitze der SBB ein. Der bisherige Präsident der Generaldirektion, O. Wichser, trat in den Ruhestand und wurde durch R. Desponds abgelöst. Neues Mitglied der Generaldirektion wurde W. Latscha, bisheriger Direktor der Zürcher Verkehrsbetriebe
[41].
Um. die 1970/71 beschlossenen
Massnahmen zugunsten konzessionierter Transportunternehmen weiterführen zu können, stimmten beide Räte einem vom Bundesrat beantragten Zusatzkredit von 40 Mio Fr. zu. Fortan müssen aber nur noch technische Verbesserungen und Betriebsumstellungen aus solchen Sonderkrediten finanziert werden, da das Parlament, wie es der Bundesrat schon 1970 beantragt hatte, nunmehr auch eine unmittelbare Übernahme der Defizitdeckung ins Bundesbudget guthiess
[42]. Diesem Entscheid wurde entgegengehalten, die neue « weiche Linie » werde die teils stark defizitären Verkehrsunternehmen nicht zur Eigenwirtschaftlichkeit ermuntern
[43]. Das Nebenbahnsterben durch die Umstellung weiterer Privatbahnen auf Busbetrieb bot erneut Anlass zu Diskussionen
[44]. Dabei engagierte man sich besonders in der Waadt für die Erhaltung verschiedener Bahnen ; so wurde dem EVED eine Petition mit 52 000 Unterschriften gegen die Umstellung der Bahn Nyon-La Cure eingereicht. Die Einführung eines Busbetriebes an Stelle der Bahn von Biasca nach Acquarossa im Bleniotal (TI) erfolgte dagegen ohne Schwierigkeiten
[45].
[27] Vgl. SPJ, 1971, S. 106 f. ; 1972, S. 93 ; ferner. NZZ, 358, 6.8.73.
[28] NZZ (sda), 18, 12.1.73 ; Ostschw., 60, 133.73. Vgl. SPJ, 1972, S. 93.
[29] Bund, 153, 4.7.73 ; TA, 255, 2.11.73.
[30] Opposition : Vat., 138, 16.6.73 ; 273, 24.11.73. Entscheid : Vat., 53, 5.3.73. Verständigung : NZZ, 160, 5.4.73.
[31] NBZ, 27, 26.1.73 ; 115, 9.4.73 ; NZZ (sda), 101, 2.3.73.
[32] Erklärung : NZZ, 501, 29.10.73 ; 510, 2.11.73 ; NBZ, 346, 31.10.73 ; 348, 1.11.73. Dementi : NZZ, 528, 13.11.73.
[33] Verhandl. B.vers., 1973, IV, S. 34 ; NZZ, 444, 25.9.73 ; NZ, 301, 27.9.73.
[34] Baubeginn : GdL, 154, 5.7.73. Vgl. zur Kontroverse Prof. H. R. Meyer : NZZ, 528, 13.11.73 ; Bund, 282, 2.12.73 ; TG, 280, 30.11.73. BR : Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1842.
[35] Olten-Rothrist : Vat., 135, 13.6.73. Schnellbahn : NZZ (sda), 28, 18.1.73 (SO) ; NZ, 158, 22.5.73 (BE) ; vgl. ferner eine Interpellation Rippstein (cvp, SO) und ein Postulat Rüttimann (cvp, AG) : Amtl. Bull. NR, 1973, S. 572 ff.
[36] Petition : Vat., 148, 29.6.73 ; 248, 25.10.73. SBB : Vat., 199, 29.8.73.
[37] BBI, 1973, I, Nr. 22, S. 1478 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 552 ff.; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 412 ff. Vgl. speziell zum Güterverkehr : Bund, 7, 10.1.73 ; NZZ, 230, 20.5.73 ; 378, 17.8.73 ; 388, 23.8.73.
[38] BBI, 1973, II, Nr. 47, S. 1008 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 707 ff.; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1550 ff.
[39] Abgeltung : TA, 184, 11.8.73 ; NZZ, 524, 11.11.73 ; vgl. auch SPJ, 1970, S. 109 f., und oben, S. 88, Anm. 4. Tariferhöhung : NZZ, 327, 18.7.73 ; 334, 22.7.73. Einnahmenverluste : NZZ (sda), 489, 22.10.73 ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 795 ff.
[40] Bund, 269, 16.11.73.
[41] BBI, 1973, II, Nr. 39, S. 509 ; NZZ (sda), 425, 13.9.73 (Desponds) ; Ww, 38, 19.9.73 (Latscha) ; Bund, 300, 23.12.73 (Wichser).
[42] BBl, 1973, I, Nr. 11, S. 581 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 416 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1080 ff. Vgl. SPJ, 1970, S. 110 ; 1971, S. 107.
[43] Vgl. zur Kritik : Bund, 69, 23.3.73 ; zu den Defiziten : Bund, 192, 19.8.73 ; 241, 15.10.73.
[44] Amtl. Bull. StR, 1973, S. 417 f. ; TA, 143, 23.6.73 ; Tat, 215, 15.9.73.
[45] Petition : GdL, 23, 29.1.73. Bleniotal : CdT, 18, 23.1.73 ; TA, 223, 26.9.73.
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