Année politique Suisse 1973 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Hochschulen
Die Ablehnung der Bildungsartikel, welche die Grundsatzgesetzgebung des Bundes verbaute, und die Finanzknappheit von Bund und Kantonen belasteten die Hochschulpolitik schwer. Besonders betroffen davon waren die Bemühungen um die Revision des Hochschulförderungsgesetzes (HFG) [41]. Die von Bundesrat Tschudi eingesetzte Arbeitsgruppe, die im Herbst 1972 angesichts der divergierenden Ansichten der hochschulpolitischen Gremien nur eine Partialrevision dieses 1969 geschaffenen Subventionsgesetzes vorgeschlagen hatte, unterbreitete den interessierten Kreisen im Juli einen Entwurf zur Vernehmlassung [42]: Die Ziele der Revision lagen dabei in einer verstärkten und vor allem flexibleren Hilfe des Bundes an die Hochschulkantone, im Aufbau einer den gesamtschweizerischen Bedürfnissen Rechnung tragenden Hochschulplanung und in einer Vereinfachung der hochschulpolitischen Organe. Die Ansichten der konsultierten Kantone, Parteien und Organisationen divergierten stark. Sie reichten von einer Zustimmung für den Fall, dass das Konzept nicht abgeschwächt werde (Wissenschaftsrat) bis zur Ablehnung der Vorlage (Vorort, Arbeitgeberverband, Gesellschaft für Hochschule und Forschung, gemeinsame Stellungnahme der Kantone Basel-Stadt, Bern, Waadt und Zürich) [43]. Die ablehnenden Stimmen wandten sich teilweise gegen den im Gesetz verankerten Grundsatz des « social demand », wonach dem Ausbau der Hochschulen die Nachfrage nach Studienplätzen zugrundezulegen sei, und wiesen darauf hin, dass das Wachstum der Hochschulen dem gegenwärtig begrenzten Wirtschaftswachstum angepasst sein sollte. Die Hochschulkantone kritisierten neben den finanziellen Konsequenzen des Gesetzes vor allem die vorgeschlagene Verteilung der Befugnisse im vom Gesetz vorgesehenen « Nationalen Hochschulrat », in dem die Hochschulkantone vom Bund und den Nichthochschulkantonen hätten überstimmt werden können. Die Arbeitsgruppe beschloss « in einem Klima der totalen Resignation », die Weiterführung des geltenden HFG für weitere zwei Jahre vorzuschlagen. Die Subventionsbeiträge des Bundes sollten dabei mindestens der Teuerung angepasst werden [44]. Eine diesbezügliche Botschaft wurde vom Bundesrat ausgearbeitet [45].
Die gescheiterte Revision des HFG bedeutet zweifellos einen Rückschlag für die schweizerische Hochschulpolitik. Es muss befürchtet werden, dass der Hochschulausbau gegenüber dem Studentenandrang noch stärker in den Rückstand gerät und sich damit die Probleme des Numerus clausus früher und verschärfter stellen. Die möglichen Formen der Zulassungsbeschränkungen beschäftigten denn auch die betroffenen Kreise in vermehrtem Mass [46]. Studentenvertreter stellten im Februar in einer umfassenden Dokumentation düstere Prognosen [47]. Die von der Schweizerischen Hochschulkonferenz schon seit 1969 durchgeführte Voranmeldungsaktion für Medizinstudenten ergab 1973 für die Universitäten von Basel, Bern und Zürich ein Defizit von rund 100 Studienplätzen. Das Problem konnte gelöst werden, als sich auf eine entsprechende Anfrage hin genügend Studierende bereit erklärten, ihre Studien in Freiburg, Lausanne und Neuenburg aufzunehmen [48].
Die weiterhin fehlenden Möglichkeiten des Bundes zur Einflussnahme liessen auch befürchten, dass die Kantone unter der bestehenden Finanzknappheit wieder vermehrt ihren Partikularinteressen folgen könnten [49]. In verschiedenen Hochschulkantonen regten sich beträchtliche Widerstände gegen die Ausgaben und Pläne der Hochschulen [50]. Die Kantone ohne Hochschule waren von der Tatsache beunruhigt, dass für die Universitäten weiterhin jede formelle Verpflichtung fehlt, die eidgenössisch anerkannten Maturitätszeugnisse als Zulassungsausweise zu anerkennen [51]. Der Bundesrat bestätigte in einer Antwort auf eine Dringliche kleine Anfrage von Nationalrat Bürgi (fdp, SG) dass die Universität Zürich Zulassungsbeschränkungen erwäge, es aber dabei nicht für angängig hielte, Studierende aus Nichthochschulkantonen irgendwie zu benachteiligen [52].
Das gewandelte bildungspolitische Klima wirkte sich auch auf die Hochschulpläne der Kantone Aargau und Luzern aus. Im Kanton Luzern wurde die Volksabstimmung auf Ende 1975 oder anfangs 1976 verschoben — nicht zuletzt aufgrund der Befürchtung, dass die Vorlage 1974 vom Volk verworfen würde [53]. Dagegen gelangte der Kanton Solothurn mit einem seit mehreren Jahren verfolgten Hochschulprojekt (Umweltwissenschaften) an die Bundesinstanzen [54]. In der Westschweiz verzeichnete die Hochschulkoordination mit der Einführung koordinierter Nachdiplomstudien und der Möglichkeit des freien Wechsels des Studienortes Fortschritte [55]. In Freiburg wurde, nachdem keine definitive Lösung gefunden werden konnte, der Urlaub des Theologen Stephan Pfürtner weiter verlängert [56].
Wie schon in den vorangegangenen Jahren führten Ausbaukrise, Strukturreformen und die politische Tätigkeit der Studenten in verschiedenen Universitätsinstituten zu Konflikten [57]. Die Mitwirkungsrechte an den Eidgenössischen Technischen Hochschulen waren Gegenstand einer Interpellation von Nationalrätin Uchtenhagen (sp, ZH) [58]. In Bern verhinderten am 9. Februar Sprechchöre einen Vortrag des Ausbildungschefs der Armee, Korpskommandant Pierre Hirschy. Der Vorfall erregte starkes Aufsehen [59] und führte zu einem längeren Nachspiel, das die grundsätzlichen Fragen der studentischen Finanzautonomie und der Zwangsmitgliedschaft betraf [60]. In der Frage der vom bemischen Regierungsrat Ende März aufgehobenen Finanzautonomie konnte sich die Studentenschaft — nach einem sich bis in den Oktober hinziehenden « Finanzkrieg » — nicht durchsetzen. Die regierungsrätliche Verordnung, die vom Verband der Schweizerischen Studentenschaften (VSS) als « hemmungslos repressiv » kritisiert wurde, verunmöglicht eine Verwendung der studentischen Gelder für politische Zwecke [61]. Dagegen lehnte der Grosse Rat eine Petition der rechtsstehenden Vereinigung « Pro Uni » ab, die eine Aufhebung der Zwangskörperschaft aller Studenten forderte und damit eine Vertretung der studentischen Interessen schwer getroffen hätte [62].
Der Stand des Hochschulinformationswesens kann den Anforderungen weiterhin nicht genügen. Mit der Einführung von einheitlichen Identifikationsnummern für Studenten wird künftig eine Verlaufsstatistik ermöglicht, welche die bisherige Bestandesstatistik ablöst. Die Hochschulsekretärekonferenz und eine Arbeitsgruppe der Bundesverwaltung arbeiten zur Zeit am Konzept eines gesamtschweizerischen Hochschulinformationssystems, das Ausgaben-, Studenten-, Dozenten- und Kapazitätsstatistik umfassen wird. Der Bundesrat beschloss im Dezember, die den Kantonen in diesem Zusammenhang anfallenden Personalkosten zu 50 % zu subventionieren [63].
Die jüngste Entwicklung der Hochschulen zeigt einen Anstieg der gesamten Ausgaben auf 1073,37 Mio Fr. im Jahre 1972. Die Studentenzahlen haben sich in der Zeit vom Wintersemester 1969/70 bis 1972/73 von 39 995 auf 47192 erhöht. Der Anteil der Studierenden der geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen an der Gesamtzahl der Studierenden stieg auf Kosten der Naturwissenschaften von 44,8 % (1969/70) auf 46,2 % (1972/73) [64].
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Stipendien
Das Scheitern der Bildungsartikel und des HFG musste auch die Bemühungen um eine einheitliche Gesetzgebung für das bisher kantonal geregelte Stipendienwesen stark behindern [65]. Das vom VSS eingereichte Volksbegehren für die Schaffung einer rückzahlbaren Ausbildungsfinanzierung für Erwachsene („Lausanner Modell“) empfahl der Bundesrat anfangs Mai den Räten zur Ablehnung. Die Volkskammer verwarf das Begehren im Dezember — vor dem Hintergrund der düstere konjunkturelle Perspektiven eröffnenden Ölkrise — mit 78 zu 5 Stimmen. Die nationalrätliche Kommission forderte jedoch, « um eine wirksame Chancengleichheit durchzusetzen », mit einer Motion eine Revision des Stipendienartikels (Art. 27 quater BV) [66]. In Basel und Bern lancierten Studenten Petitionen für eine Indexierung der Stipendien [67].
 
[41] Vgl. SPJ, 1969, S. 133 ; 1970, S. 154 ; 1971, S. 145 ; 1972, S. 133 ; Urs Hochstrasser, „Schweizerische Wissenschaftspolitik“, in Festschrift Tschudi, S. 130 ff.
[42] NZZ, 286, 24.6.73 ; 319, 13.7.73 ; NZ, 214, 12.7.73 ; BN, 161, 13.7.73 ; TA, 160, 13.7.73 ; BBI, 1974, I, Nr. 5, S. 148 ff.
[43] GdL, 172, 26.7.73 ; NZZ, 427, 14.9.73 ; TA, 219, 21.9.73 ; 265, 14.11.73; Bund, 240, 14.10.73 ; JdG, 270, 19.11.73 ; wf, 47, 19.11.73 ; Wissenschaftspolitik, 2/1973, Nr. 5 ; BBI, 1974, I, Nr. 5, S. 151 f.
[44] Bund, 246, 21.10.73 ; NZZ, 512, 4.11.73 ; Ldb., 264, 14.11.73 ; Vat., 264, 14.11.73.
[45] BBl, 1974, I, Nr. 5, S. 125 ff.
[46] Schweizerische Hochschulkonferenz, Jahresbericht, 1972, S. 34 f. ; Ww, 16, 18.4.73 ; TA, 115, 19.5.73 (R. Deppeler) ; 263, 12.11.73 ; Bund, 84, 10.4.73 ; GdL, 118, 22.5.73 ; NZZ, 334, 22.7.73 ; ferner Konzept, 2, 25.5.73 ; 1, 25.1.74.
[47] Der Verband der Schweizerischen Studentenschaften und der Verband der Schweizer Medizinstudenten in Dokumentation und Thesen zum Numerus clausus ; NZZ, 98, 28.2.73 ; TA, 49, 28.2.73.
[48] Wissenschaftspolitik, 2/1973, S. 285 f. ; Lib., 241, 21.7.73 ; NZZ, 393, 26.8.73. '
[49] NZZ, 54, 2.2.74.
[50] Basel : NZ, 196, 26.6.73 ; Freiburg : Bund, 264, 11.11.73 ; VO, 273, 24.11.73 ; Lib., 47, 24./25.11.73 ; 52, 30.11.73 ; NZZ, 558, 30.11.73 ; St. Gallen : Ostschw., 255, 31.10.73 ; 278, 27.11.73 ; TA, 254, 1.11.73 ; Bund, 264, 11.11.73 ; GdL, 277, 27.11.73 ; Zürich : NZ, 359, 17.11.73 ; AZ, 270, 19.11.73.
[51] Bund, 258, 4.11.73 ; Eugen Egger, «Sorgen der Mittelschulen», in Wissenschaftspolitik, 2/1973, S. 381 f. ; Alfred Wyser in Schweizer Monatshefte, 53/1973-74, S. 668.
[52] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1008 ; TA, 154, 6.7.73.
[53] Vat., 82, 7.4.73 ; 98, 28.4.73 ; 138, 16.6.73 ; 244, 20.10.73 ; Bund, 29, 5.2.74 ; 75, 30.3.74 ; NZ, 181, 13.6.73 ; TA, 230, 4.10.73 ; BN, 298, 19.12.73.
[54] Vgl. SPJ, 1970, S. 156, Anm. 74 ; Bund, 98, 29.4.73 ; NZZ, 197, 30.4.73 ; Solothurner Zeitung, 186, 11.8.73.
[55] GdL, 36, 13.2.73 ; Vat. (sda), 36, 13.2.73.
[56] Vgl. SPJ, 1972, S. 135 ; TG, 159, 11.7.73 ; TA, 185, 13.8.73 ; NZ, 346, 5.11.73.
[57] Basel : BN, 126, 1.6.73 ; 140, 19.6.73 ; NZ, 161, 25.5.73 ; 167, 30.5.73 ; 174, 6.6.73 ; Bern Bund, 121, 25.5.73 ; Tw, 122, 26.5.73 ; 153, 4.7.73 ; Genf : TG, 35, 13.2.73 ; NZ, 51, 15.2.73 JdG, 44, 22.2.73 ; VO, 50, 1.3.73 ; Bresche, 24, Okt. 1973 ; Lausanne : TG und GdL, 16, 20./ 21.1.73 ; VO, 42, 20.2.73 ; Zürich (ETH) : AZ, 112, 15.5.73 ; 169, 23.7.73 ; NZ, 405, 29.12.73 Zürich (Universität) : AZ, 9, 12./13.1.73 ; 54, 6.3.73 ; 132, 8./9.6.73 ; 142, 21.6.73 ; 163, 16.7.73 392, 14./15.12.73 ; NZZ, 17, 12.1.73 ; 51, 1.2.73 ; 63, 8.2.73 ; 96, 27.2.73 ; TA, 51, 2.3.73 ; Bresche, 21, Juli 1973.
[58] NZZ, 444, 25.9.73 ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1303.
[59] Bund, 34, 11.2.73 ; NZ, 57, 20.2.73 ; Tw, 44, 22.2.73.
[60] Berner Student, 5, 9.5.73 ; 6, 30.5.73 ; TA, 187, 15.8.73 ; NZ, 267, 27.8.73 ; 272, 1.9.73 NZZ, 395, 27.8.73 ; 429, 16.9.73.
[61] Tw, 59, 12.3.73 ; 252, 27.10.73 ; Bund, 74, 29.3.73 ; 76, 1.4.73 ; 104, 6.5.73 ; 189, 15.8.73 ; NZZ, 153, 2.4.73 ; BN, 140, 19.6.73 ; NZ, 253, 15.8.73.
[62] NZ, 292, 19.9.73 ; Tw, 219, 19.9.73.
[63] NZZ, 89, 23.2.73 ; 334, 22.7.73 ; TA, 72, 27.3.73 ; NZ, 379, 4.11.73 ; BBI, 1974, I, Nr. 5, S. 138.
[64] NZZ, 167, 10.4.73 ; Bund, 115, 18.5.73 ; BBl, 1974, I, Nr. 5, S. 126 ff.
[65] NZ, 81, 13.3.73 ; AZ, 60, 13.3.73 ; TA, 61, 14.3.73 ; NZZ, 124, 15.3.73 ; 364, 9.8.73 (Dokumentation des VSS); Bund, 300, 23.12.73.
[66] BBI, 1973, I, Nr. 21, S. 1319 ; Presse vom 14./15.12.73 ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1790 ff.
[67] Bund, 288, 9.12.73 ; NZ, 390, 14.12.73.