Année politique Suisse 1973 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
In der Presse forderten Konzentrationen und Zeitungssterben trotz beschwörenden Aufrufen zur Rettung des « Bannwaldes der Demokratie » weiterhin prominente Opfer. Im Gegensatz dazu kamen die Arbeiten zu den erstmals 1967 geforderten Förderungsmassnahmen nur mühsam voran [1]. Der Eindruck verdichtet sich, dass diese kaum mehr die geographisch und politisch vielfältige Presse vorfinden werden, die zu fördern ihnen zugedacht ist.
Zu Beginn des Jahres stellte das als grösstes Jugendmagazin der Schweiz bekannte « team » wegen Problemen in der Inseratenakquisition sein Erscheinen ein. Der Schweizerische Katholische Jugendverband als bisheriger Träger konnte später im « Beobachter » einen neuen Partner finden [2]. Ende Januar erschien die letzte Nummer des SVP-Organs « Neue Berner Zeitung », deren Verlagsrechte vom sich neu « Berner Zeitung » nennenden, parteipolitisch neutralen « Emmenthaler Blatt » übernommen worden waren [3]. Ende August stellte die bisher im Walter-Verlag Olten erschienene, um einen gepflegten Illustriertenstil bemühte Wochenzeitung « Woche » ihr Erscheinen ein. Ihre Abonnenten wurden mit der « Schweizer Illustrierten » des Ringier-Konzerns beliefert [4]. Der Zofinger Verlag schluckte im August mit dem Verlag C. J. Bucher auch das grösste Druck- und Verlagshaus der Zentralschweiz und dessen politische Tageszeitung « Luzerner Neueste Nachrichten ». Seine Marktstellung und Expansionspolitik gaben damit erneut zu kritischen Betrachtungen Anlass [5]. In der zweiten Jahreshälfte fanden eine weitere Umstrukturierung und der teilweise Untergang der sozialdemokratischen Blätter der Deutschschweiz ein grosses Echo. Der Verwaltungsrat der Genossenschaftsdruckerei Zürich beschloss Ende August, angesichts der namhaften Defizite die « Zürcher AZ » nur noch bis zum Jahresende erscheinen zu lassen. Er gefährdete damit auch alle übrigen Tageszeitungen des 1969 geschaffenen « AZ »-Rings. Da er den Beschluss bei ausreichender Unterstützung durch Bund und Partei rückgängig machen wollte, setzte eine breitangelegte, aber letztlich erfolglose Rettungskampagne ein, in die auch die Schriftsteller Adolf Muschg und Max Frisch eingriffen. Den Untergang des 75-jährigen Blattes, für dessen Nachfolge eine Wochenzeitung vorgesehen wurde, besiegelten nicht zuletzt auch parteiinterne Differenzen ; der aggressive Linkskurs der Redaktion vermochte nicht in allen Lagern der Partei die gleiche Opferbereitschaft zu erwecken [6]. Der Grossteil der restlichen Mitglieder des « AZ »-Rings konnte sich seine Existenz bis auf weiteres durch den Zusammenschluss zu Regionalpools sichern [7]. Auf das Jahresende verschwand auch das vierzehntäglich erschienene Organ der Genfer Sozialisten « Le Point », das zusammen mit dem « Domaine public » die Tageszeitung « Le Peuple - La Sentinelle » ersetzt hatte [8].
In der im Nationalrat seit den vier Vorstössen vom Sommer 1972 fälligen Diskussion über die Pressehilfe [9], die anfangs Juni stattfinden konnte, kritisierten mehrere Redner die Haltung des Bundesrates, der ihrer Ansicht nach die Vorarbeiten zur Neufassung des Artikels 55 BV und zu einem Presseförderungsgesetz nicht mit der von der Situation her geforderten Intensität vorantrieb. Bundesrat Celio wies in seiner Antwort auf die enormen Schwierigkeiten hin, die sich bei den von den Rednern geforderten indirekten Hilfsmassnahmen stellten. Direkte Massnahmen könnten erst aufgrund einer Aenderung von Artikel 55 BV und eines Presseförderungsgesetzes erwartet werden [10]. Die pressepolitische Gruppe der Bundesversammlung beschloss kurz darauf, vom Bundesrat auf dem Motionsweg einen dringlichen Bundesbeschluss zu verlangen. Dieser sollte neben flankierenden Massnahmen direkte Betriebsbeiträge in der Höhe von mindestens 10 Mio Fr. an die notleidenden Blätter der SP, der CVP und der SVP vorsehen. Die Motion, die in den Augen ihrer Gegner einen fragwürdigen Präzedenzfall für andere Branchen geschaffen hätte, wurde in der Wintersession mit 63 zu 57 Stimmen abgelehnt [11]. Mit der Einsetzung einer Expertenkommission und der inoffiziellen Veröffentlichung des von Nationalrat Schürmann (cvp, SO) geschaffenen Vorentwurfs, der neben den Förderungsmassnahmen Vorschriften zur Sicherung der äusseren und inneren Pressefreiheit enthält und für die Durchführung der vom Gesetz ins Auge gefassten Massnahmen einen Presserat vorsieht, nahmen die Arbeiten und Diskussionen um einen neuen Presseartikel und um ein Pressegesetz ihren von vielen divergierenden Stellungnahmen belasteten Fortgang [12].
Neben den Abbaumassnahmen der PTT standen einmal mehr die weiterhin expandierenden Gratisanzeiger zur Diskussion [13]. Die Schweizerische Kartellkommission untersuchte die Wirkungen dieser Blätter, die wegen ihrer dichten räumlichen Streuung von den Inserenten bevorzugt werden und damit — neben dem Werbefernsehen — den Anteil der politischen Presse am lebenswichtigen Werbekuchen stark eingeschränkt haben. Das geltende Recht bietet kaum Handhabe, um diesen « Piratenblättern » entgegenzutreten [14]. Der Beschluss des Zürcher Stadtrates, das « Tagblatt der Stadt Zürich » als Gratisanzeiger herauszugeben, wurde nicht nur von den Zürcher Tageszeitungen heftig kritisiert. Ihr Rekurs an den Zentralvorstand des Schweizerischen Zeitungsverlegerverbandes wurde abgelehnt. Zusammen mit dem zweimal wöchentlich erscheinenden « Züri Leu » erhielten die 180 000 Haushalte des Stadtgebiets damit acht Gratisanzeiger pro Woche [15].
Wie in den Vorjahren kamen verschiedene linksgerichtete Schüler-, Lehrlings- oder Soldatenzeitungen von meist bescheidener Auflage in Konflikt mit den Behörden [16]. Das Bundesgericht hiess die Nichtigkeitsbeschwerde der Bundesanwaltschaft gegen ein Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen gut, das die Redaktoren des „Roten Gallus“ von der Anschuldigung freigesprochen hatte, 1970 mit einem Zitat des Dichters Wolfgang Borchert zur Dienstverweigerung aufgefordert zu haben [17]. Im Anschluss daran liess ein Pfarrer in Weinfelden eine Predigt ausfallen, da er befürchtete, sein Jesaia-Text könnte als verborgene Aufforderung zur Dienstverweigerung aufgefasst werden [18].
 
[1] Vgl. SPJ, 1967, S. 130, Anm. 92 ; SPJ, 1972, S. 139.
[2] Ostschw., 4, 6.1.73 ; BZ, 101, 2.5.73 ; AZ, 121/122, 25./26.5.73.
[3] Bund, 25, 31.1.73 ; BZ, 26, 12.73 ; Tw, 26, 1.2.73.
[4] GdL, 151, 2.7.73 ; Ostschw., 151, 2.7.73 ; Vat., 150, 2.7.73.
[5] Vgl. SPJ, 1968, S. 133 ; BN, 193, 20.8.73 ; Vat., 196, 25.8.73 ; NZZ, 393, 26.8.73 ; NZ, 271, 31.8.73 ; eine Gegendarstellung in Vat., 217, 19.9.73.
[6] Vgl. SPJ, 1969, S. 114 ; AZ, 199-203, 28.8.-1.9.73 ; 228, 1.10.73 ; 254, 31.10.73 ; 270, 19.11.73 ; 288, 10.12.73 ; 297, 20.12.73 ; Bund, 203, 31.8.73 ; VO, 201, 31.8.73 ; TG, 204, 1.2.9.73 ; Ww, 36, 5.9.73 ; Vat., 273, 24.11.73 ; Infrarot, 12, Dez. 1973.
[7] TA, 273, 23.11.73 ; NZZ (sda), 556, 29.11.73.
[8] Vgl. SPJ, 1971, S. 153 ; JdG, 265, 13.11.73 ; 268, 16.11.73 ; Tat, 299, 24.12.73.
[9] Vgl. SPJ, 1972, S. 139, Anm. 110.
[10] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 436 ff. ; NZZ, 261, 8.6.73 ; TG, 132, 8.6.73.
[11] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1812 ff. ; TA, 143, 23.6.73 ; GdL, 147, 27.6.73 ; NZZ (sda), 292, 27.6.73 ; Ldb, 290, 14.12.73 ; NZ, 390, 14.12.73 ; TG, 292, 14.12.73.
[12] TA, 130, 7.6.73 ; NZZ, 261, 8.6.73 ; 326, 17.7.73 ; 420, 11.9.73 ; Bund, 204, 2.9.73 ; Ww, 36, 5.9.73 (mit dem Text des Gesetzesentwurfs) ; Tat, 208, 7.9.73.
[13] Vgl. Interpellation Gut (fdp, ZH), Amtl. Bull. NR, 1973, S. 735 ; BN, 12, 15.1.73 ; NZZ, 261, 8.6.73 ; 554, 28.11.73 ; Ww, 52, 28.12.73.
[14] JdG, 79, 4.4.73 ; NZ, 106, 4.4.73 ; NZZ, 157, 4.4.73 ; Bund, 81, 6.4.73.
[15] TA, 238, 13.10.73 ; 15, 19.1.74 ; NZ, 325, 18.10.73 ; NZZ, 531, 15.11.73.
[16] TG, 57, 10./11.3.73 ; JdG, 75, 30.3.73 ; BN, 113, 16.5.73 ; 131, 7.6.73 ; Tat, 115, 19.5.73 Vat., 171, 26.7.73.
[17] Ostschw., 95, 25.4.73 ; 167, 20.7.73 ; TG, 97, 27.4.73 ; NZZ, 331, 20.7.73.
[18] Tat, 171, 25.7.73 ; Ww, 31, 1.8.73 ; TG, 249, 25.10.73 ; GdL, 250, 26.10.73.