Année politique Suisse 1974 : Chronique générale
Finances publiques
La situation des finances publiques devient extrêmement précaire, moins nettement toutefois dans les cantons qu'à la Confédération — Le Conseil fédéral propose des mesures pour rétablir l'équilibre : diminution des dépenses et, par voie de révision constitutionnelle, accroissement des recettes; les Chambres les approuvent moyennant quelques modifications (entre autres, introduction de mesures freinant les décisions en matière de dépenses) — Peuple et cantons refusent une majoration des impôts fédéraux — Le budget gouvernemental de 1975, déficitaire, est amendé par le parlement grâce à des coupures supplémentaires dans les dépenses; après le rejet populaire ci-dessus, exécutif et législatif prévoient une modification du budget — Une commission d'experts propose l'introduction de la taxe à la valeur ajoutée — Le Conseil fédéral lève des droits douaniers supplémentaires sur les carburants et les huiles de chauffage; l'approbation des Chambres incite plusieurs organisations à lancer le référendum contre cette mesure — Les travaux préparatoires en vue d'une harmonisation fiscale se poursuivent — L'Alliance des indépendants et les socialistes déposent des initiatives fiscales — Elévation de l'impôt sur le tabac.
Situation der öffentlichen Finanzen
Die Situation der öffentlichen Finanzen präsentierte sich 1974 als äusserst prekär. Die seit 1971 fortschreitende Verschlechterung erreichte 1974 vielfach derart bedenkliche Ausmasse, dass sich angesichts der allgemeinen Abflachung des Wirtschaftswachstums eine grundsätzliche Neuorientierung in der Finanzpolitik der öffentlichen Hand aufdrängte. Neben Regierung und Verwaltung, welche eindringlich auf die ernste Lage hinwiesen, richtete auch die OECD in ihrem jährlichen der Schweiz gewidmeten Bericht die Empfehlung an unser Land, die Finanzpolitik sei besser auf die konjunkturellen Gegebenheiten abzustimmen
[1].
Die allgemein ungünstige Entwicklung der öffentlichen Finanzen trat bei den
Kantonen oft nur versteckt oder andeutungsweise in Erscheinung, was mit unterschiedlichen Methoden der Rechnungsführung zusammenhing. Obwohl die meisten kantonalen Staatsrechnungen für das Jahr 1973 defizitär abschlossen, fielen sie doch dank höheren Steuereinnahmen durchwegs besser als budgetiert aus. Während einerseits die Kantone Bern, St. Gallen, Waadt, Wallis und Neuenburg Einnahmenüberschüsse vorweisen konnten, hatten anderseits Zürich, Baselstadt, Tessin, Baselland und Luzern auffallend grosse Fehlbeträge zu verzeichnen. Das ausgewiesene Gesamtdefizit der Kantone belief sich schliesslich auf 507 Mio Fr. (Vorjahr : 952 Mio Fr.), was einer beachtlichen Verbesserung gegenüber 1972 gleichkam
[2]. Wie bereits im Vorjahr bekannten sich die Kantone auch 1974 in einer mit dem Bund abgeschlossenen Budgetvereinbarung zu einer am Bruttosozialprodukt orientierten Begrenzung des Ausgabenwachstums
[3]. Dies wirkte sich auf die kantonalen Voranschläge für das Jahr 1975 aus, welche mit Fehlbeträgen von insgesamt 958 Mio Fr. deutlich unter dem Stand von 1974 (1050 Mio Fr.) blieben. Mit Ausnahme des Aargaus gelang es jedoch keinem einzigen Kanton, ein Budget ohne Defizit vorzulegen. Die Voranschläge der Gemeinden für das Jahr 1975 bewegen sich daneben mit Ausgabenüberschüssen von insgesamt 800 Mio Fr. praktisch genau auf dem Niveau des Vorjahres
[4].
Beim
Bund äusserte sich dagegen die kritische finanzielle Situation viel drastischer. So schloss die Staatsrechnung der Eidgenossenschaft für das Jahr 1973 in der Finanzrechnung mit einem Defizit von 779 Mio Fr. ab. Die Gesamtrechnung wies daneben einen bescheidenen Reinertrag von 127 Mio Fr. auf
[5]. Diese unerfreulichen Ergebnisse der Staatsrechnung sowie äusserst düstere finanzielle Zukunftsaussichten bewogen den Bundesrat, in einer Botschaft unverzüglich Massnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts im Bundeshaushalt anzukündigen
[6]. Im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Finanzsanierung, über die im folgenden ausführlicher berichtet wird, genehmigten beide Räte die Staatsrechnung für das Jahr 1973 oppositionslos
[7]. Noch ungünstiger fiel der Rechnungsabschluss der Eidgenossenschaft für das Jahr 1974 aus. Anstelle des budgetierten Ausgabenüberschusses von 206 Mio Fr. ergab sich in der Finanzrechnung ein bisher nie erreichtes Defizit von insgesamt 1040 Mio Fr., was selbst die situationsbedingt schlechten Ergebnisse der Kriegsjahre in den Schatten stellte. Die Gesamtrechnung schloss mit einem Reinertrag von 63 Mio Fr. knapp positiv ab. Dies war jedoch nur möglich, weil der Grundbeitrag an die IV durch Entnahme aus der Rückstellung für die AHV gedeckt werden konnte. Der Grund für den bedenklichen Abschluss lag in der Tatsache, dass die Einnahmen um 5,1 % hinter den Budgetzahlen zurückblieben, während die Ausgaben die veranschlagten Werte um 1,5 % übertrafen
[8]. Daneben wirkte sich aus, dass das Parlament die mit dem Voranschlag bewilligten Zahlungskredite auf dem Nachtragswege um insgesamt 4,7 % zu erweitern hatte
[9].
Angesichts der äusserst bedenklichen Lage im Bereiche der öffentlichen Finanzen stellte sich die Frage nach einer Bewältigung der finanziellen Krisensituation mit aller Deutlichkeit. Dabei war man sich weitgehend einig, dass es einerseits galt, die Ausgabenentwicklung zu bremsen, während anderseits neue Einnahmequellen erschlossen werden mussten. In diesem Sinne legte der Bundesrat den eidgenössischen Räten im April ein Massnahmenpaket zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Bundeshaushalt vor. Zur Drosselung der Ausgaben schlug die Landesregierung dem Parlament zunächst einen Investitionsplan für die nächsten fünf Jahre vor, wobei eine Limitierung der Personalvermehrung bei der Bundesverwaltung sowie eine Begrenzung der Bauvorhaben des Bundes im Vordergrund standen. Daneben sahen die Massnahmen zur Ausgabenbegrenzung vor, dass keine neuen Bundesausgaben beschlossen werden dürften, ohne dass vorgängig die entsprechende Finanzierung sichergestellt sei. Um dem Fiskus Mehreinnahmen zu verschaffen, beantragte der Bundesrat sodann eine Änderung der Bundesfinanzordnung : Durch eine Erhöhung der Warenumsatzsteuersätze von 4,4 auf 6 % bei den Detaillisten und von 6,6 auf 9 % bei den Grossisten sollten vor allem Zollausfälle (EWG) kompensiert werden. Bei der Wehrsteuer wollte der Bundesrat künftig auf die Ausmerzung der kalten Progression verzichten. Gleichzeitig beantragte die Landesregierung eine Erhöhung des Wehrsteuermaximums auf 12 % bei den natürlichen und auf 9 % bei den juristischen Personen
[10]. Mit höheren Eingängen aus der direkten Bundessteuer war freilich nicht vor 1976 zu rechnen. Von einer weiteren fiskalischen Massnahme, einer Heraufsetzung der Zölle auf Treibstoffen und Heizöl, wird in anderem Zusammenhang die Rede sein.
Ausgaben
Beide Räte stimmten in der Folge dem Bundesgesetz, das die
Beschränkung der Bundesausgaben auf das unbedingt Notwendige und die Ausrichtung der neuen Verpflichtungen auf die finanziellen Möglichkeiten des Bundes anstrebt, mit klaren Mehrheiten zu. In der Detailberatung vermochte sich gegen den anfänglichen Widerstand des Ständerates schliesslich ein Antrag von Nationalrat Kaufmann (cvp, SG) durchzusetzen, der verlangte, dass der Personalbestand der Bundesverwaltung in den nächsten drei Jahren überhaupt nicht und in den darauffolgenden zwei Jahren höchstens um ½ % erhöht werden darf. Auch die Vorlage über die Änderung der Bundesfinanzordnung fand im wesentlichen die Zustimmung des Parlamentes. Für die direkte Bundessteuer (Wehrsteuer) hiessen National- wie Ständerat zusätzlich eine teilweise Beseitigung der kalten Progression durch Erhöhung der Sozialabzüge gut. Daneben setzten sie auf Betreiben von sozialdemokratischer Seite das Wehrsteuermaximum für juristische Personen auf 10 % fest und erhoben die jährliche Veranlagung, der sich der Ständerat ursprünglich widersetzt hatte, ebenfalls für juristische Personen zum Beschluss. Schliesslich billigten beide Räte auf Antrag der vorberatenden Kommissionen die Einführung einer « Ausgabenbremse ». Diese sollte es dem Parlament erschweren, höhere Ausgaben (oder geringere Einnahmen) zu beschliessen, als der Bundesrat vorschlagen würde, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen in beiden Kammern die Zustimmung der absoluten Mehrheit der Mitglieder verlangte
[11]. Die parlamentarischen Debatten gestalteten sich sehr lebhaft, und es fehlte nicht an zahlreichen persönlichen Vorstössen, welche für eine weitere Einschränkung der Ausgaben sowie die Erschliessung neuer Einnahmequellen eintraten. So überwiesen beide Räte eine Motion der vorberatenden Kommission des Nationalrates, welche den Bundesrat aufforderte, dem Parlament so bald als möglich Bericht über eine umfassende Finanz-, Finanzausgleichs- und Steuerreform zu erstatten. Eine Motion der Kommissionsminderheit, die eine Erhöhung der fiskalischen Belastung der gebrannten Wasser um . 25 % verlangte, wurde dagegen klar abgelehnt
[12]. Eine weitere Motion des Republikaners König (BE), der verbindliche Finanzierungskonzepte für Verfassungsartikel, Bundesgesetze und -beschlüsse vor deren parlamentarischen Beratung verlangte, wurde vom Nationalrat in der Sommersession nur in der Form eines Postulates überwiesen. Eine inhaltlich praktisch identische Motion des Freisinnigen Keller (TG) fand hingegen in der Dezembersession die Zustimmung der Volkskammer
[13]. Ebenfalls durch eine Motion versuchte schliesslich der St. Galler Schmid (sp) den Bundesrat zu verpflichten, inskünftig für Vorhaben von erheblicher finanzieller Bedeutung auf eine vorgängige Kosten-Nutzen-Analyse abzustellen
[14].
Nachdem das
Parlament die Massnahmen zur Sanierung des Bundeshaushaltes gebilligt hatte, galt es für die beschlossenen Steuererhöhungen sowie die Erschwerung von Ausgabenbeschlüssen (Ausgabenbremse) die Sanktion von Volk und Ständen zu erlangen. Der auf den 8. Dezember festgesetzten Volksabstimmung ging eine eher laue Kampagne voraus. Für die Ablehnung beider Vorlagen sprachen sich nur gerade PdA und Progressive Organisationen (POCH) aus. Gegen die Steuermassnahmen allein opponierten der Landesring, die Nationale Aktion sowie die Republikaner. Auf der andern Seite wandten sich die Sozialdemokraten und der Schweizerische Gewerkschaftsbund gegen die Einführung einer Ausgabenbremse, während der Landesring dieser gegenüber Stimmenthaltung empfahl
[15]. In den Abstimmungskampf griff schliesslich, wenn auch nur sehr indirekt, der Bundesrat ein, der im November eine Studie über « Perspektiven des Bundesfinanzhaushaltes » veröffentlichte und dabei auf die schwerwiegenden Konsequenzen eines negativen Volksentscheides hinwies
[16]. In der Abstimmung sprachen sich jedoch Volk und Stände deutlich gegen eine mit Steuererhöhungen verbundene Verbesserung des Bundeshaushaltes aus. Der Bundesbeschluss über die Erschwerung von Ausgabenbeschlüssen (Ausgabenbremse) wurde zwar von der Mehrheit des Volkes und allen Ständen angenommen, doch konnte er nicht in Kraft treten, da er ausdrücklich an eine Annahme der Steuererhöhungen gebunden war
[17].
Budget 1975
Bei der Ausarbeitung des Voranschlages für das Jahr 1975 stellte der Bundesrat die von ihm beantragte Änderung der finanzrechtlichen Grundlagen in Rechnung. Ursprünglich drohten die von den Departementen eingereichten Budgetzahlen einen nicht mehr vertretbaren Ausgabenüberschuss von 2,3 Mia Fr. entstehen zu lassen. Unter Einbezug der vom Parlament genehmigten Neuerschliessung von Einnahmen (Erhöhung der Warenumsatzsteuer, des Zollzuschlages auf Treibstoffen sowie des Heizölzolls) und aufgrund einer ersten Runde von Ausgabenkürzungen reduzierte sich das Defizit des Finanzvoranschlages dann auf 594 Mio Fr. Erstmals seit 1953 sah daneben die Gesamtrechnung einen Reinaufwand vor, der sich auf 843 Mio Fr. belief. Die Budgetbotschaft des Bundesrates hielt abschliessend fest, dass das erzielte Ergebnis angesichts der hohen Inflationsrate nach wie vor unbefriedigend sei
[18].
Die
parlamentarische Beratung des Voranschlages für das Jahr 1975 gestaltete sich in der Folge zu einer eigentlichen Spardemonstration. Beide Kammern waren offensichtlich bemüht, den Souverän, der im Dezember wie erwähnt über die im Budget bereits berücksichtigten Mehreinnahmen zu befinden hatte, möglichst günstig zu stimmen. So folgte der Nationalrat, der sich als erster mit dem Geschäft zu befassen hatte, auf der ganzen Linie den Kürzungsanträgen, die aus Verhandlungen der Finanzkommissionen beider Räte im Kontakt mit dem Chef des EFZD hervorgegangen waren. Er nahm sogar weitere Abstriche vor, so dass das in der Finanzrechnung ausgewiesene Defizit schliesslich auf 306 Mio Fr. herabgesetzt werden konnte. Ein Riickweisungsantrag des Landesrings wurde dagegen deutlich abgelehnt wie auch die gewohnte Attacke der PdA gegen das Militärbudget
[19]. Der Ständerat stimmte in der Folge den Kürzungen der Volkskammer vollumfänglich zu und nahm seinerseits kleinere Beschneidungen vor
[20]. Der Voranschlag wurde schliesslich mit einem Fehlbetrag von 304 Mio Fr. in der Finanzrechnung und einem Reinaufwand von 724 Mio Fr. in der Gesamtrechnung verabschiedet
[21].
Einnahmen
Nachdem sich indessen Volk und Stände im Urnengang vom 8. Dezember gegen die im Voranschlag bereits enthaltenen Steuererhöhungen und Mehreinnahmen ausgesprochen hatten, sah sich der Bundesrat veranlasst, sofort entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Er schlug dem Parlament noch im gleichen Monat vor, das Budget der Eidgenossenschaft für 1975 nur provisorisch in Kraft zu setzen und vorerst die Zahlungskredite bloss in monatlichen Tranchen von 5 % der Jahreskredite freizugeben. Zudem beantragte die Regierung, dass für neue Vorhaben keine Verpflichtungen eingegangen werden dürften. Gleichzeitig ersuchte der Bundesrat die eidgenössischen Räte, zur Ausarbeitung eines neuen Voranschlages im Januar 1975 eine ausserordentliche Session durchzuführen
[22]. Beide Kammern stimmten den vorgeschlagenen Übergangsmassnahmen oppositionslos zu und verschärften diese empfindlich, indem sie für die Bundesverwaltung nunmehr einen absoluten Personalstopp verfügten
[23].
Neben der Erhöhung der traditionellen Wehr- und Warenumsatzsteuer stand eine ganze Reihe von weiteren steuerlichen Massnahmen zur Diskussion. Im August konnte eine vom Bundesrat 1972 eingesetzte
Expertenkommission ihren Bericht mit Vorschlägen « zur Gestaltung einer schweizerischen Umsatzsteuer nach dem Mehrwertsystem (Mehrwertsteuer) » vorlegen. Das Gremium gelangte zu der Schlussfolgerung, dass das Mehrwertsystem gegenüber dem heute üblichen Grossistensystem bedeutende Vereinfachungen und Vorteile brächte
[24]. Daneben befassten sich zahlreiche parlamentarische Vorstösse mit Problemen der Fiskalpolitik. In einem Postulat wandte sich Nationalrat Eisenring (cvp, ZH) dagegen, dass Ausschüttungen von Aktiengesellschaften steuerlich sowohl bei der Gesellschaft wie anschliessend bei den Aktionären erfasst werden
[25]. Weiter forderte der Berner Oehen (na) den Bundesrat in einem Postulat auf, die Warenumsatzsteuer durch eine Dienstleistungssteuer zu ersetzen
[26]. Ebenfalls mittels Postulat lud schliesslich der Luzerner Birrer (cvp) die Regierung zur Prüfung der Frage ein, ob Vermögenswerte und Grundeigentum von Ausländern in der Schweiz nicht mit einer dem Militärpflichtersatz ähnlichen Abgabe belastet werden könnten
[27].
Um den Bedarf an zusätzlichen Einnahmen zu decken und insbesondere den Bundeshaushalt bei der Nationalstrassenfinanzierung zu entlasten, griff der Bundesrat auch zum Mittel der Zollzuschläge. So erhöhte er Ende August die für den Nationalstrassenbau bestimmten Zuschläge auf dem Treibstoffzoll um 10 Rp. pro l. Daneben setzte er den Zoll auf Heizöl um durchschnittlich 12 Rp. pro 100 kg höher an. Die beiden Massnahmen, welche unverzüglich vorsorglich in Kraft gesetzt wurden, sollen dem Bund 1975 Mehreinnahmen von rund 570 Mio Fr. erbringen
[28]. Trotz Opposition verschiedener Vertreter des Landesrings, der PdA und der Sozialdemokraten stimmte das Parlament in der Folge diesen Massnahmen nach bewegten Debatten zu
[29]. Der schon im Parlament geäusserte Unmut über die verfügten Zollzuschläge begann sich hierauf auch in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Gleich von verschiedener Seite wurden Referendumsbewegungen eingeleitet und teilweise auch verwirklicht. Während der Landesring beiden Zollzuschlägen den Kampf ansagte, wandten sich das Mouvement populaire des familles sowie der welsche Mieterverband ausschliesslich gegen die Erhöhung des Heizölzolls. Ausserdem ergriffen auch nichtorganisierte Automobilistenkreise das Referendum gegen die erhöhten Treibstoffzollzuschläge
[30].
Die vielfältigen Bemühungen um eine Steuerharmonisierung wurden auch 1974 intensiv fortgesetzt. Sie traten jedoch angesichts der äusserst bewegten finanzpolitischen Szene etwas in den Hintergrund. Im Januar beschloss die mit der Steuerharmonisierung betraute Nationalratskommission, den bisher lancierten Vorschlägen (Einzelinitiative Stich, sp, SO, Einzelinitiative Butty, cvp, FR, sowie Vorschlag der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz) einen eigenen gegenüberzustellen. Dieser lehnt sich weitgehend an den Entwurf der kantonalen Finanzdirektoren an und bezieht sich ebenfalls auf die Steuerveranlagung, nicht aber auf die Tarife
[31]. Der Bundesrat eröffnete hierauf ein Vernehmlassungsverfahren für die vier Alternativen und versprach, die Strukturbereinigung im schweizerischen Steuerwesen speditiv voranzutreiben
[32]. Des weiteren wurden beide 1973 lancierten Volksinitiativen zu einer vereinheitlichenden Reform und Umgestaltung des bestehenden Steuersystems eingereicht. Das in Form einer allgemeinen Anregung gehaltene Volksbegehren des Landesrings war von rund 55 600 Stimmbürgern unterzeichnet worden
[33]. Besser schnitt mit rund 80 000 gültigen Unterschriften die als ausgearbeiteter Entwurf formulierte « Reichtumssteuerinitiative » der Sozialdemokraten ab
[34].
Auf kantonaler Ebene wurde ebenfalls für eine Reform des Steuerwesens gekämpft, wobei auch hier die Sozialdemokraten und der Landesring in vorderster Front standen, mit ihren Vorschlägen jedoch erfolglos blieben. In den Kantonen Baselland, St. Gallen, Zürich und Aargau wurden sozialdemokratische « Reichtumssteuerinitiativen » in der Volksabstimmung abgelehnt und in Schaffhausen, Solothurn sowie im Tessin noch weitere eingereicht. In den Kantonen Bern und Thurgau entschloss sich dagegen die SP, ihre zustandegekommenen Initiativen wieder zurückzuziehen. In verschiedenen Kantonen drangen anstelle der erwähnten Initiativen behördliche Gegenvorschläge durch, welche die geforderte Verschärfung der Steuerprogression teilweise realisierten
[35].
Auf dem Gebiete der Sondersteuern erhöhte der Bundesrat die Fiskalbelastung auf Zigaretten um durchschnittlich 27 %. Damit hatte die Landesregierung die ihr gemäss Tabaksteuergesetz zustehende Befugnis zur Steuererhöhung voll ausgenützt
[36]. Im Dezember erfuhr ausserdem der Steuertarif für Schnittabak eine Erhöhung um 10 %
[37]. Über die im Rahmen des grenzüberschreitenden Steuerwesens abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen haben wir bereits an anderer Stelle orientiert
[38].
[1] Vgl. Referate von BR Chevallaz im Rahmen der schweizerisch-österreichischen Wirtschaftsgespräche (NZZ, 92, 25.2.74) und von Bundeskanzler Huber vor dem Schweiz. Aufklärungsdienst (Documenta, 1974, Nr. 6, S. 8 ff.). Die Experten der OECD plädierten vor allem für eine Revision des Steuersystems, vgl. OCDE, Suisse, Paris 1974 (Etudes économiques de l'OCDE), S. 53 ff. Vgl. ferner H. G. Giger, « Zur staatlichen Ausgabenpolitik », in Wirtschaftspolitische Mitteilungen, 30/1974, Heft 10 und J. Weilenmann, Der Einfluss des Bundeshaushalts auf den schweizerischen Konjunkturverlauf, Bern/Frankfurt a.M. 1974.
[2] Die Volkswirtschaft, 47/1974, S. 776 ff. ; wf, Dokumentations- und Pressedienst, 6, 10.2.75 sowie gemäss Angaben der Eidg. Finanzverwaltung. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 69. Die in den bisherigen Bänden der SPJ publizierten Zahlen entsprechen den Angaben der einzelnen Kantone, während wir für 1974 auf eine durch die Eidg. Finanzverwaltung aufbereitete Gesamtrechnung abstellen.
[3] NZZ (sda), 340, 25.7.74 ; TG, 171, 25.7.74 ; VO, 169, 25.7.74. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 69. Die Vereinbarung lehnte sich weitgehend an die Budgetrichtlinien von 1973 an, berücksichtigte aber die veränderten konjunkturellen Aussichten.
[4] Gemäss Angaben der Eidg. Finanzverwaltung.
[5] Botschaft des Bundesrates... zur Staatsrechnung... für das Jahr 1973. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 69 f.
[6] BBI, 1974, I, Nr. 21, S. 1309 ff. Vgl. auch unten, Bundesfinanzordnung.
[7] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 742 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1974, S. 282 ff., 301 ff. Ein Votum Oehen (na, BE), der im NR namens der republikanischen und nationalen Fraktion für Stimmenthaltung eintrat, blieb ohne Echo.
[8] NZZ, 58, 11.3.75 ; 59, 12.3.75 ; NZ, 79, 11.3.75.
[9] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 860 ff., 1803 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1974, S. 144 ff., 311 und 578 f. ; BBI, 1974, II, Nr. 27, S. 177 f. ; Nr. 51, S. 1529.
[10] BBl, 1974, I, Nr. 21, S. 1309 ff. ; NZZ, 158, 4.4.74 ; BN, 80, 4.4.74 ; VO, 80, 5.4.74.
[11] Der NR wollte die Ausgabenbremse ursprünglich ohne Ausnahmen einführen. Nach dem zustandegekommenen Kompromiss sollte sie nur wirksam sein, wenn es von der vorberatenden Kommission, der Finanzkommission oder einem Viertel der Ratsmitglieder verlangt würde. Amtl. Bull. NR, 1974, S. 927 ff., 1024 ff., 1055 ff., 1316 ff., 1440 und 1552. Amtl. Bull. StR, 1974, S. 400 ff., 493 ff. und 543.
[12] Verhandl. B. vers., 1974, IV, S. 16.
[13] Motion König (rep, BE) : Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1064 f. Motion Keller (fdp, TG) : Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1605 ff.
[14] Die Motion wurde von 130 Parlamentariern mitunterzeichnet. Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1810 ff.
[15] Sämtliche übrigen grösseren Landesparteien und -verbände traten für die Annahme der Vorlagen ein. Vgl. dazu : NZZ, 491, 14.11.74 ; Ww, 49, 4.12.74 ; Bund, 286, 6.12.74.
[16] Perspektiven des Bundesfinanzhaushaltes für die Jahre 1976 bis 1979, (Bern 1974). Ferner : NZZ, 508, 4.12.74.
[17] Bundesbeschluss zur Verbesserung des Bundeshaushaltes : Verwerfung mit 625 780: 783 894 Stimmen und 4:18 Ständen bei einer Stimmbeteiligung von 40,8 %. Bundesbeschluss über die Erschwerung von Ausgabenbeschlüssen : Annahme mit 934 633 :460 236 Stimmen und 22:0 Ständen bei einer Stimmbeteiligung von 40,8 %. Vgl. dazu BBl, 1975, I, Nr. 6, S. 480 ff.
[18] Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1975.
[19] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1578 ff. Von sozialdemokratischer Seite wurde zudem kritisiert, dass das Budget mit den bereits berücksichtigten Mehreinnahmen den erhofften Volkswillen antizipiere.
[20] Amtl. Bull. StR, 1974, S. 600 ff. Die Budgetdebatte wurde ausserdem zu einer aussen-politischen Demonstration benutzt. Der StR beschloss auf Antrag von Aubert (sp, NE), die schweizerischen Beiträge an die UNESCO um 10 % zu kürzen. Der NR, der einen analogen Antrag zunächst abgelehnt hatte, stimmte in der Folge zu. Vgl. auch oben, Teil I, 2.
[21] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1735 ff.
[22] BBI, 1974, II, Nr. 50, S. 1429 ff.
[23] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1805 ff. Amtl. Bull. StR, 1974, S. 651 ff.
[24] Vorschläge zur Gestaltung einer schweizerischen Umsatzsteuer nach dem Mehrwertsystem (Mehrwertsteuer), Bericht der Fachkommission Mehrwertsteuer an das EFZD, Bern 1974.
[25] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1764.
[26] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1762.
[27] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1763 f.
[28] BBI, 1974, II, Nr. 38, S. 493 ff.
[29] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1188 ff., 1190 ff. und 1553. Amtl. Bull. StR, 1974, S. 484 ff. und 543.
[30] Die Lancierung der beiden Referenden des Landesrings geschah vor allem auf Initiative des Standesrings St. Gallen. Vgl. dazu : Tat, 228, 1.10.74 ; 236, 10.10.74. Zum Referendum der Westschweizer Organisationen vgl. NZZ (sda), 458, 7.10.74. Bei der Kampfansage nichtorganisierter Automobilistenkreise handelt es sich um die Referendumskampagne des Herausgebers der Zeitung Motor-Report, B. Böhi. Eine Zusammenarbeit mit dem Landesring kam nicht zustande (NZZ, sda, 462, 11.10.74). Der TCS sprach sich dagegen deutlich gegen ein Benzinzollreferendum aus (NZZ, 488, 11.11.74). Vgl. auch unten, Teil I, 6 b.
[31] NZZ, 13, 9.1.74 ; TA, 6, 9.1.74 ; 29, 5.2.74. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 71 f.
[32] NZ, 64, 26.2.74 ; NZZ, 463, 12./13.10.74.
[33] BBI, 1974, I, Nr. 18, S. 1245 ff. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 72.
[34] BBI, 1974, II, Nr. 31, S. 258 ff. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 72.
[35] Vgl. unten, Teil II, 2 a. Ferner : R. Rohr, « Gedanken zur Reichtumssteuer », in Schweizerische Kreditanstalt, Bulletin, 80/1974, Juni, S. 8 ff.
[38] Vgl. oben, Teil I, 2.
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