Année politique Suisse 1974 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
Umweltpolitik
Obwohl die Erhaltung der Umwelt in weitesten Kreisen als eine dringliche Aufgabe anerkannt wird, scheinen sich ihrer Verwirklichung wachsende Hindernisse entgegenzustellen. Die ,Vorarbeiten zum Umweltschutzgesetz und die Schwierigkeiten beim Vollzug der Gewässerschutzbestimmungen machten deutlich, dass unter dem Druck der gewandelten Wirtschaftslage weite Kreise nicht mehr bereit oder gar nicht mehr in der Lage sind, die weitgehenden Konsequenzen eines umfassenden Umweltschutzes zu tragen. Die Einmütigkeit in Grundsätzlichen, die 1971 in einem überwältigenden Mehr für die Aufnahme des Umweltschutzartikels 24 septies in die Verfassung zum Ausdruck gekommen war
[1], hat angesichts der tiefgreifenden Einschränkungen, welche eine wirkungsvolle Umsetzung der Verfassungsbestimmungen in die Praxis mit sich bringt, einem mühsamen Ringen um Einzelheiten Platz gemacht.
Das EDI eröffnete im Juni das Vernehmlassungsverfahren zu einem Vorentwurf für ein
Bundesgesetz über den Umweltschutz. Der Entwurf trug im wesentlichen den Charakter eines Rahmenerlasses und entsprach nach den Worten eines seiner Schöpfer, Prof. L. Schürmanns, der Konzeption einer weitausholenden, den Inhalt des Verfassungsartikels voll ausschöpfenden Gesetzgebung
[2]. Er stiess mehrheitlich auf Skepsis und Kritik. Die lange Liste von Einwänden resümierte ein Kommentator wie folgt : « Zu ambitiöse Zielsetzung und gesetzgeberischer Perfektionismus, zu viele Details bei mangelnder Klarheit über manche Grundsätze, Ungewissheit über die Tragweite, unerwünschte Kompetenzdelegation an die Bundesexekutive und damit Missachtung des föderalistischen Staatsaufbaus, Überforderung der öffentlichen Hand und der Wirtschaft in finanzieller und personeller Hinsicht, Vollzugsschwierigkeiten, ungenügende Abstimmung auf bestehende eidgenössische und kantonale Gesetze, Unklarheiten bezüglich der Verfassungsmässigkeit einzelner Bestimmungen » ; der Kommentar bezweifelte jedoch, dass die tieferen Gründe für die Opposition allein in den Mängeln des Entwurfs lägen
[3]. Lediglich die meisten Umweltschutzorganisationen begrüssten den Text eindeutig. Sie brachten allerdings weitere Postulate zur wirksameren und zwingenderen Gestaltung des Gesetzes vor. Für den Fall, dass das Verfahren zum Stillstand käme oder der Bundesrat dem Parlament nur einen verwässerten Gesetzesentwurf überwiese, behielt sich der WWF Schweiz (World Wildlife Fund) eine neue Verfassungsinitiative mit präziserer Aufgabenstellung vor
[4].
Die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Umweltschutzes verstärkte sich. Der Ministerrat der OECD legte eine Grundsatzerklärung über die Umweltpolitik und ein eingehendes Aktionsprogramm vor. Die Erklärung bestätigte insbesondere den von der Organisation bereits vorher anerkannten Verursachergrundsatz, der den Urheber von Verunreinigungen verpflichtet, die mit deren Beseitigung verbundenen Kosten zu tragen. Die Schweiz war bei den Beratungen durch Bundesrat Hürlimann vertreten
[5]. Zahlreiche europäische Umweltschutzverbände vereinigten sich in Strassburg zu einer « Aktion Umweltschutz Europa » und veröffentlichten eine europäische Umweltschutzcharta
[6].
[1] Vgl. SPJ, 1971, S. 119 f.
[2] Vgl. SPJ, 1973, S. 104 ; Presse vom 11.6.74 ; NZZ, 308, 6.7.74 ; 36, 13.2.75 (L. Schürmann, B. Wehrli, H. Rausch) ; Ldb, 155, 9.7.74; 157, 11.7.74; 158, 12.7.74; 161, 16.7.74 ; 164, 19.7.74 ; 168, 24.7.74 ; NZ, 231, 27.7.74.
[3] NZZ, 67, 21.3.75; 68, 22.23.3.75 (Zitat) ; 72, 23.3.75. Zur Diskussion vgl. auch S. P. Mauch / H.-U. Müller-Stahel, «Umweltschutz: Ziele — wirtschaftliche und regulatorische Massnahmen — Vollzug », in Wirtschaft und Recht, 26/1974, S. 27 ff.
[4] Panda, 7/1974, Nrn. 2-4 ; TA, 15. 20.1.75.
[5] NZZ, 485, 7.11.74; 492, 15.11.74 ; vgl. auch Mitteilungsblatt des Delegierten für Konjunkturfragen, 30/1974, S. 53 ff., und Rede BR Hürlimanns in Documenta, 1974, Nr. 11, S. 2 ff.
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