Année politique Suisse 1974 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
Gewässerschutz
Bei der
Revision der verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Bewirtschaftung und den Schutz des Wassers entfernte sich der Ständerat noch weiter vom Regierungsentwurf als der Nationalrat. Dabei kamen nicht nur föderalistische Gesichtspunkte, sondern auch wirtschaftliche Interessen zur Geltung. So ordnete die Kleine Kammer die Erhaltung des Wassers der « zweckmässigen Nutzung » desselben unter und legte besonderes Gewicht auf die « Einheit der Wasserwirtschaft » ; einen Vorrang der Trinkwasserversorgung lehnte sie ab. Für einen Teil der im Entwurf genannten Aufgaben erkannte sie dem Bund — nach dem Beispiel der bisherigen Fassung des Artikels 24 bis — nur eine Befugnis zur Grundsatz-, nicht zur Detailgesetzgebung zu ; auch verstärkte sie das Mitspracherecht der Kantone bei internationalen und interkantonalen Regelungen. Die energiewirtschaftlichen Bestimmungen des bisherigen Artikels 24 bis schied sie ähnlich wie der Bundesrat als neuen Artikel 24 quater aus und schob eine Stellungnahme zur Motion des Nationalrats, welche die Ausarbeitung eines umfassenden Energiewirtschaftsartikels forderte, noch auf. Die Differenzenbereinigung kam bis zum Jahresende nicht zum Abschluss. Die Volkskammer gab in den meisten Punkten nach, doch beharrte sie darauf, dass die Sorge um die Erhaltung des Wassers dem Nutzungsinteresse gegenüber nicht hintangestellt werde
[7].
Im Gewässerschutz verursachte die ungünstige Finanzlage des Bundes ernsthafte
Vollzugsschwierigkeiten. Durch das 1972 in Kraft getretene neue Gesetz, das die Kantone zur Verwirklichung der geforderten Massnahmen innert zehn Jahren verpflichtet und die Bundessubventionen erhöht hatte, war die Erstellung von Abwasserreinigungsanlagen beschleunigt worden. Die Bestimmung, dass Bauten ohne Kanalisationsanschluss nur in Ausnahmefällen errichtet werden dürfen, drängte manche Gemeinde, die ihre Weiterentwicklung sichern wollte, noch zu besonderer Eile. Nun erklärte man von seiten des Bundes, dass es unmöglich sei, allen eingereichten Beitragsgesuchen fristgerecht zu entsprechen, und dass bis 1982 nur die wichtigen Verunreinigungsquellen behoben werden könnten. In den Kantonen und Gemeinden, denen die Mittel zur Finanzierung der in Angriff genommenen Projekte fehlten, entstand darauf erhebliche Unruhe. Diese kam in verschiedenen Protesten und Eingaben sowie in parlamentarischen Vorstössen zum Ausdruck. Die Einführung einer Sonderabgabe für den Gewässerschutz, die ein Postulat Akeret (svp, ZH) anregte, liess der Bundesrat prüfen ; die Bereitstellung zusätzlicher Mittel aus dem allgemeinen Haushalt lehnte er jedoch ab
[8]. Anderseits kam er den Bedürfnissen der Berg- und Hügelregion nach einer weniger strengen Regelung für Baubewilligungen ausserhalb des Kanalisationsgebiets entgegen, indem er durch eine Änderung der Vollzugsverordnung eine flexiblere Praxis ermöglichte
[9].
Neuere Untersuchungen ermittelten eine konstante
Zunahme des Phosphatgehalts (Überdüngung) und einen Abbau des Sauerstoffs in einem Grossteil der schweizerischen Seen. Die Forscher stellten fest, dass die Phosphate den Gewässern nicht nur zugeführt werden, sondern sich in ihnen gewissermassen noch selbst vermehren, so dass es in Zukunft nicht mehr genügen wird, die Zufuhr von solchen Stoffen durch die Abwasserreinigung zu unterbinden
[10]. Die Fachleute betonten ferner, dass mit den bisherigen Klärmethoden (mechanische und biologische Stufe) die nicht von Lebewesen stammenden Verschmutzungsstoffe nicht ausgeschieden werden können, was die Einführung neuer Verfahren (physikalisch-chemische Methode) erfordere
[11]. Das Eidg. Amt für Umweltschutz unterbreitete den interessierten Kreisen einen Verordungsentwurf zur Vernehmlassung, der Vorschriften darüber enthielt, wieweit Abwässer bereits vor ihrer Zuleitung in eine öffentliche Kläranlage von gewissen Stoffen befreit werden müssten. Zugleich lud das EDI die Kantone ein, bis zum Erlass verbindlicher Bestimmungen alle Oberflächengewässer einer systematischen qualitativen Überwachung zu unterziehen
[12].
Ende 1974 standen
583 (Ende 1973 : 540) Abwasserreinigungsanlagen im Betrieb ; 66 % (58,5 %) der Bevölkerung können an diese angeschlossen werden. Der tatsächlich angeschlossene Bevölkerungsanteil wurde auf 50 % (45 %) geschätzt. Das Eidg. Amt für Umweltschutz gab bekannt, dass die Kantone ihm vom 1. Januar 1970 bis zum 15. März 1973 insgesamt 2080 Strafurteile gemeldet hatten, die aufgrund des Gewässerschutzgesetzes ergangen waren. Die höchste Busse (8000 Fr.) hatte der Direktor eines chemischen Unternehmens wegen vorsätzlicher Ableitung giftiger Abwasser erhalten, die niedrigste (5 Fr.) ein Werkmeister, der ein mit Taubenkot beschmutztes Brett in die Aare geworfen hatte
[13].
Basels grenzüberschreitende Kläranlagenprojekte scheiterten endgültig. Nachdem sich 1973 die Verhandlungen um ein Reinigungswerk auf deutschem Gebiet zerschlagen hatten, musste im Frühjahr 1974 auch das Vorhaben einer linksrheinischen Anlage im Elsass aufgegeben werden. Wenige Monate später wurde ein Projekt für eine Kläranlage auf städtischem Boden vorgestellt, das bis zum Stichjahr 1982 verwirklicht werden soll
[14]. Die jahrelangen Auseinandersetzungen um den Bau eines Stollens, der Bodenseewasser zur « Auffrischung » des Neckars hätte ableiten sollen, führten zu einem negativen Entscheid : die internationale Bodenseekonferenz als Konsultativorgan der an den See angrenzenden deutschen, schweizerischen und österreichischen Gliedstaaten lehnte eine solche Wasserentnahme einstimmig ab
[15].
[7] Vgl. SPJ, 1972, S. 109 ; 1973, S. 105 ; Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1538 ff. u. 1720 ff.; Amtl. Bull. StR, 1974, S. 318 ff. u. 552 ff.
[8] Vgl. Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1082 ff. (Interpellation Stadler, cvp, SG) u. 1770 ff. (Postulat Akeret, svp, ZH) ; Amtl. Bull. StR, 1974, S. 294 ff. (Interpellation Weber, sp, SO) ; ferner Lib.. 105, 6.2.74 ; Ldb, 51, 2.3.74 ; 107, 11.5.74 ; 141, 22.6.74 ; Bund, 85, 11.4.74; 109, 12.5.74 ; TLM, 108, 18.4.74 ; NZZ (sda), 179, 19.4.74 ; NZZ, 210, 8.5.74 ; 231, 20.5.74; NZ; 181, 13.6.74. Zum Gesetz vgl. SPJ, 1971, S. 120 f. ; 1972, S. 109.
[9] AS, 1974, S. 1810 ff. ; Gesch.ber., 1974, S. 89. Vgl. SPJ, 1973, S. 106, sowie die Stellungnahme eines Vertreters der Schweiz. Stiftung für Landschaftsschutz in NZZ, 328, 18.7.74.
[10] H. Ambühl, «Heutiger Zustand und zukünftige Entwicklung der Alpenrandseen », in Jahrbuch für Umweltschutz, 1/1973, S. 63 ff.; TG, 77, 2.4.74; LNN, 195, 24.8.74; 207, 7.9.74; JdG, 263, 11.11.74. Vgl. auch Kleine Anfrage Hofer (fdp, SG) (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 195).
[11] TA, 159, 12.7.74 ; Ldb, 239, 16.10.74 ; Verwaltungs-Praxis, 29/1975, Nr. 2, S. 4 ff.
[12] Gesch. ber., 1974, S. 88 f. ; NZZ (spk), 356, 4.8.74 ; NZZ, 362, 7.8.74.
[13] Entwicklungsstand : Information des Eidg. Amtes für Umweltschutz. Strafen : Bund, 72, 27.3.74.
[14] Vgl. SPJ, 1973, S. 106 ; NZ, 113, 10.4.74 ; 294, 21.9.74 ; TG, 94, 23.4.74.
[15] Vgl. SPJ, 1973, S. 106 ; TA, 107, 10.5.74 ; 266, 15.11.74 ; 273, 23.11.74 ; Ldb, 276, 28.11.74.
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