Année politique Suisse 1974 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport
Gesundheitspolitik
Anhaltende Aufmerksamkeit schenkte man auch zahlreichen weiteren gesundheitspolitischen Anliegen
[1]. Mit der Wiederholung einer 1969 erstmals durchgeführten gesamtschweizerischen « Aktion gesundes Volk » (A 74) sollte der Bürger über die Zivilisationskrankheiten, speziell über die verschiedenen Suchtarten, informiert und für ein entsprechendes
Präventivverhalten gewonnen werden
[2].
Die Suchtgefahren, vor allem das Drogenproblem, waren vermehrt auch Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen
[3]. Das revidierte Betäubungsmittelgesetz konnte im Parlament zwar noch nicht verabschiedet, aber zumindest bis auf wenige kleine redaktionelle Differenzen bereinigt werden. Nachdem 'die Kleine Kammer die Regierungsvorlage bereits 1973 akzeptiert hatte, setzte der Nationalrat nicht unbedeutende Änderungen durch, welche die Bestrafung der Händler verschärften und diejenige der Konsumenten differenzierten. Zudem wurden die im Entwurf erstmals vorgesehenen Massnahmen sozialmedizinischer und fürsorgerischer Art erweitert
[4]. Ausser dem Drogenkonsum war auch der Missbrauch von Alkohol und Tabak Gegenstand gesundheitspolitischer Bestrebungen ; diese richteten sich namentlich gegen die Werbung
[5]. Ober die Teilrevision des Alkoholgesetzes, welche unter anderem auch eine Beschränkung der Reklame vorsieht, wurde die Vernehmlassung durchgeführt
[6]. Während die Schweizer Guttempler Jugend ein Volksbegehren gegen die Suchtmittelreklame lancierte, schlug im Aargauer Kantonsparlament ein Vorstoss zugunsten einer entsprechenden Standesinitiative fehl. Um der « Anti-Tabak-Werbung » zum Durchbruch zu verhelfen, forderte ferner der Direktor des Eidgenössischen Gesundheitsamtes eine finanzielle Unterstützung durch den Bund
[7]. All diesen als reklamefeindlich empfundenen Anstregungen stellte sich eine der Werbung nahestehende « Aktion Freiheit und Verantwortung » mit einer Inseratenkampagne entgegen
[8]. Als neues Politikum trat im Kanton Zürich das Problem der Euthanasie auf. Mit einem Volksbegehren wurde eine Standesinitiative angestrebt, welche die Straffreiheit für Sterbehilfe auf Wunsch eines unheilbar Kranken erwirken sollte
[9].
[1] Tat, 25, 30.1.74 ; 26, 31.1.74. Zu Ernährungsfragen und Lebensmittelhygiene vgl. oben, Teil I, 4c (pollution alimentaire).
[2] A 74 : Bund, 214, 13.9.74 ; 216, 16.9.74 ; vgl. SPJ, 1969, S. 125. Vgl. auch TG, 14, 18.1.74 (Rauchen) ; Tat, 46, 23.2.74 (Alkohol) ; TA-Magazin, 18, 4.5.74 (Drogen).
[3] Vgl. u.a. Befragungen bei 4000 Rekruten (Bund, 279, 28.11.74) und 830 Zürcher Stellungspflichtigen (NZZ, sda, 277, 18.6.74) ; ferner SZ, 204, 4.9.74 ; NZZ, 454, 2.10.74 ; R. Jenny, Drogenkonsum und Drogenhandel im Blickpunkt des Kriminologen, Zürich 1973.
[4] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1416 ff., 1444 ff., 1910 f. ; Amtl. Bull. StR, 1974, S. 594 ff.; NZZ, 336, 23.7.74 ; 379, 17.8.74 ; Tat, 229, 2.10.74. Vgl. SPJ, 1973, S. 125. Im Frühjahr 1975 wurde das Gesetz in beiden Räten einstimmig gutgeheissen (NZZ, 67, 21.3.75).
[5] Vgl. Motion Reich (rep., ZH) betr. Eidg. Suchtbekämpfungsgesetz und Postulat Renschler (sp, ZH) betr. Alkohol- und Tabakmissbrauch (Verhandl. B. vers., 1974, V, S. 34 f.) sowie überwiesene Postulate Künzi (fdp, ZH) betr. Fachstelle für Raucherwaren und Müller (na, ZH) betr. SBB, Raucherabteile (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 904 f., 1293 f.).
[6] NZZ (sda), 173, 16.4.74 ; (sda), 245, 29.5.74 ; (sda), 276, 18.6.74 ; (sda), 472, 23.10.74. Vgl. SPJ, 1973, S. 125.
[7] NZZ (spk), 461, 10.10.74 (Guttempler) ; (sda), 369, 12.8.74 und 497, 21.11.74 (Aargau) ; (sda), 477, 29.10.74 (Bundesmittel).
[9] TA, 69, 23.3.74; 221, 24.9.74 ; NZZ, 528, 30.12.74. Laut einer Meinungsumfrage sollen sich rund 60 % der Bevölkerung zugunsten einer straffreien Sterbehilfe ausgesprochen haben (Vat., 241, 17.10.74).
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