Année politique Suisse 1975 : Chronique générale / Finances publiques / Steuern
Weniger Konsens als das Modell für eine Mehrwertsteuer, zu welchem im Frühjahr 1976 eine definitive Vorlage erscheinen konnte, fanden Vorschläge für weitere steuerliche Massnahmen. Die Behandlung einer Vorlage zur wirksameren Bekämpfung der Steuerhinterziehung verzögerte sich. Das Traktandum wurde in der Januarsession einer Spezialkommission zugewiesen, die im Herbst — nach Anhörung von Experten — von der Verwaltung weitere Berichte und Anträge verlangte
[44]. In der Frage der Steuerharmonisierung fielen einige Vorentscheide, die einer relativ föderalistischen Lösung zustrebten. So empfahlen der Bundesrat und nach ihm auch beide Kammern das vom Landesring 1974 eingereichte « Volksbegehren für eine gerechtere Besteuerung und die Abschaffung von Steuerprivilegien », das unter anderem eine enge Bindung der kantonalen Einkommens- und Vermögenssteuern an einen Bundestarif verlangte, zur Ablehnung
[45]. Im Kanton Bern drang freilich eine entsprechende Initiative des Landesrings, welche die Besteuerungsfreiheit der Gemeinden in ähnlicher Weise zu beschränken strebte, wie es das eidgenössische Begehren den Kantonen gegenüber tat, in der Volksabstimmung durch. Dieser sensationelle Ausgang schien auf eine verbreitete Unzufriedenheit mit dem geltenden Steuerrecht hinzuweisen und nach Konsequenzen auf gesamtschweizerischer Ebene zu rufen
[46].
Die mit der Frage der
Steuerharmonisierung betraute Nationalratskommission legte dagegen einen formulierten Entwurf zu einem Artikel 42quinquies BV vor, der den Kantonen die materielle Tariffreiheit beliess, und beantragte gleichzeitig, die beiden zentralistischeren Initiativen Stich (sp, SO) und Butty (cvp, FR) abzulehnen
[47].
Sondersteuern
Im Bereich der Sondersteuern erhöhte der Bundesrat die Fiskalbelastung auf in- und ausländischem Branntwein
[48]. Eine Beschränkung der abgabefreien Alkoholeinfuhr im Reiseverkehr auf einen halben Liter Spirituosen pro Person liess sich aus technischen Gründen nur schwer realisieren und wurde bald wieder rückgängig gemacht
[49]. Unter den zahlreichen Vorschlägen für eine zusätzliche Mittelbeschaffung wurde die Frage der Erhebung von Strassengebühren besonders intensiv diskutiert
[50]. Eine Wiedereinführung der Couponsteuer, wie sie Motionen von Bussey (sp, VD) und Aubert (sp, NE) verlangten, wurde von beiden Räten abgelehnt
[51].
[44] Amtl. Bull. NR, 1975, S. 146 f. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 94 f. ; NZZ (sda), 233, 8.10.75. Vgl. oben, Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes.
[45] BBl, 1975, I, Nr. 4, S 273 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1975, S. 183 ff., 1034 ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 460 ff., 473 ; Tat, 31, 6.2.75. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 71 f. ; 1974, S. 78.
[46] Vgl. unten, Teil II, 2b ; NZ, 178, 10.6.75 ; TA, 134, 13.6.75. Ober weitere steuerpolitische Auseinandersetzungen auf kantonaler Ebene orientiert Teil II, 2b.
[47] Vgl. SPJ, 1974, S. 78 ; Presse vom 5.11.75 ; Tat, 262, 7.11.75 ; NZZ, 265, 14.11.75 ; BBI, 1975, II, Nr. 45, S. 1748 ff.
[49] NZZ (sda), 60, 13.3.75 ; TA, 151, 3.7.75.
[50] Vgl. unten, Teil I, 6b (Nationalstrassenbau).
[51] Amtl. Bull. NR, 1975, S. 135 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 91 ff.
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