Année politique Suisse 1975 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
Verkehrspolitik
Die wirtschaftliche Rezession liess die Zusammenhänge zwischen dem Verkehr und der übrigen Wirtschaft noch deutlicher erkennen als die Hochkonjunktur. Dabei stand die verkehrspolitische Grundsatzdiskussion wesentlich im Zeichen der Frage nach dem Verhältnis des öffentlichen zum privaten Verkehr. Eine Belebung erfuhren die entsprechenden Erörterungen nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Verknappung öffentlicher Finanzen, womit sich auch das Problem der Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsmittel in aller Schärfe stellte. Der Vorsteher des EVED, Bundesrat Ritschard, redete hiebei einer « Vernunftehe » zwischen Schiene und Strasse das Wort. Voraussetzung zur Ausschaltung bestehender Wettbewerbsverzerrungen und zur « wesensgerechten » Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern sei, dass der Strassenverkehr auch die von ihm verursachten gesamtwirtschaftlichen Kosten voll trage [1].
Die Kosten-Nutzen-Überlegungen des Magistraten blieben nicht unwidersprochen. Mit verkehrswissenschaftlichen wie mit ordnungspolitischen Argumenten wurden die Fragwürdigkeit einer « staatlichen Kommandowirtschaft » und die Vorteile marktwirtschaftlich gesteuerter Transportsysteme unterstrichen. Aus Kreisen des Strassenverkehrsgewerbes verwies man zudem auf die seit Jahren geforderte und immer noch ausstehende Eisenbahnrechnung [2].
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Gesamtverkehrskonzeption
Das Hauptgewicht des zweiten Zwischenberichtes der Kommission für eine Gesamtverkehrskonzeption (GVK) lag weniger auf Resultaten als auf der Schilderung des Arbeitsstandes. Der 1972 festgelegte Zeitplan sei « grösstenteils » eingehalten worden. Das bisher gewählte Vorgehen habe indes absichtlich vermeiden wollen, dass « stückweise » zu den einzelnen Verkehrsproblemen Stellung genommen werde, was den « Pragmatikern der Verkehrspolitik » wie auch der Öffentlichkeit einige Geduld abverlange. Materiell seien folgende « Randbedingungen » der GVK erarbeitet worden : 1. Trotz Verkehrswachstum darf die Umweltbelastung nicht weiter zunehmen. 2. Der Anteil des Verkehrs am Energieverbrauch darf den heutigen Wert von 25 % nicht übersteigen. 3. Der Komfort der öffentlichen Verkehrsmittel ist erheblich zu steigern. 4. Das Verkehrssystem hat den raumplanerischen Zielsetzungen zu entsprechen [3]. Gegen Jahresende konnte Kommissionspräsident A. Hürlimann die Schlussphase der Arbeiten für eine GVK ankündigen. In einer vorerst kommissionsintern diskutierten Leitstudie würden zwei Konzeptvarianten des Verkehrssystems miteinander verglichen, die auf zwei verschiedenen Siedlungsstrukturen basierten : auf der raumplanerischen Leitvorstellung der « CK-73 » (dezentralisierte Konzentration) einerseits, auf der Fortsetzung des heutigen Trendes anderseits. Für beide Siedlungszustände veranschlagte man eine Gesamtbevölkerung von 7 Mio Einwohnern im Jahre 2000. Im Hinblick auf den Konjunkturabschwung wurden zwei Möglichkeiten wirtschaftlichen Wachstums « durchgespielt » (jährliche Zuwachsraten des Bruttosozialprodukts von 2,85 bzw. 1,35 %). Als eigentliche « Tendenzwende » interpretierte man die Konsequenzen für das Reiseverhalten bei Anwendung der Variante « CK-73 ». Hienach würden erheblich mehr Reisende als bei einer Fortsetzung des heutigen Trendes — nämlich rund ein Drittel — die Bahn und nurmehr zwei Drittel die Strasse benützen [4]. Kritik erwuchs der Kommission, sowohl was die « Machbarkeit » der « Tendenzwende » als auch was die politische und finanzielle Realisierbarkeit betrifft, wird doch mit Infrastrukturaufwendungen zwischen 25 und 40 Mia Fr. gerechnet [5]. — Auf interkantonaler Ebene wurde ein Leitbild « Transportplan Zentralschweiz » erarbeitet. Es ist als Arbeitsinstrument für die Kantone Luzern, Nid- und Obwalden, Uri und Zug sowie Teile des Aargaus und des Kantons Schwyz gedacht und strebt eine Koordination der vorhandenen Einzelplanungen im privaten und öffentlichen Verkehr an [6].
 
[1] Zusammenhänge : LITRA, Jahresbericht 1974/75, S. 5 ff., 48 ff. und 63 ff. ; H.-R. Meyer, « Auswirkungen der energiewirtschaftlichen Situation auf den Verkehr », in Schweiz. Archiv für Verkehrswissenschaft und Verkehrspolitik, 30/1975, S. 120 ff. ; Ders., « Gedanken zur Soziologie des Motorfahrzeugs », in E. Tuchtfeldt (Hrsg.), Schweizerische Wirtschaftspolitik zwischen gestern und morgen, Bern 1976, S. 429 ff.; BR Ritschard : Documenta, 1975, Nr. 1, S. 16 ff. ; Das Konzept, 3, 25.3.75. Vgl. zudem Ww, 12, 26.3.75 ; TA, 254, 1.11.75.
[2] H.-R. Meyer, « Verkehrspolitik — oder : Vom Wahrheitsgehalt wirtschaftspolitischer Aussagen», in Schweizer Monatshefte, 55/1975-76, S. 30 ff. ; BüZ, 74, 14.3.75 ; Bund, 62, 16.3.75 ; Ww, 12, 26.3.75. VgI. auch W. Lüthi, « Versuch einer Schätzung der Zeitersparnis bei Benutzung der privaten Motorfahrzeuge », in Schweiz. Archiv für Verkehrswissenschaft und Verkehrspolitik, 30/1975, S. 97 ff.
[3] Gesamtverkehrskonzeption Schweiz, Zweiter Zwischenbericht, Bern 1975. Vgl. auch die Presse vom 18.2.75.
[4] Presse vom 18.11.75. Zur « CK-73 » vgl. SPJ, 1974, S. 104.
[5] NZZ, 55, 7.3.75 ; 269, 19.11.75 ; Ldb, 267, 18.11.75 ; NZ, 360, 18.11.75 ; TA, 268, 18.11.75. Zur GVK allgemein vgl. auch SPJ, 1972, S. 90 f. ; 1973, S. 87 ; 1974, S. 92 ; LITRA, Jahresbericht 1974/75, S. 51 ff. ; Touring, 10a, 13.3.75 ; LNN, 177, 2.8.75 (Prof. C. Hidber).
[6] Transportplan Zentralschweiz, Schlussbericht, Zürich 1974. Vgl. auch LNN, 7, 10.1.75 ; Vat., 7, 10.1.75.