Année politique Suisse 1975 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
Strassenbau
Auch beim
Nationalstrassenbau standen einander entgegengesetzte Anliegen im Vordergrund : Bremsend wirkten Umweltschutz und Finanzknappheit, antreibend strassenverkehrs- und konjunkturpolitische Interessen
[25]. Nicht nur verkehrs-, sondern auch beschäftigungspolitisch begründet waren mithin parlamentarische Vorstösse, in denen die beschleunigte Verwirklichung verschiedener Teilstrecken verlangt wurde
[26]. Auftrieb erhielten derartige Begehren nicht zuletzt aufgrund der bereits an anderer Stelle erwähnten Zustimmung des Volkes zur Erhöhung des Treibstoffzollzuschlages (von 20 auf 30 Rp./1)
[27]. Hinzukam die Freigabe zusätzlicher 60 Mio Fr. für den Ausbau der Autobahnen durch den Bund, was auch als « Belohnung des Referendumsbürgers » für sein weitsichtiges Bekenntnis zur Sicherung des grossen Investitionswerkes gewertet wurde. Damit erhöhte sich der Bundesbeitrag für den Nationalstrassenbau 1975 auf 1046 Mio Fr.
[28]. Die Vorberatung einer Beteiligung des Bundes an Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen wurde dagegen von der Ständeratskommission im Blick auf die ungünstige Finanzlage « einstweilen » ausgesetzt. In ihre Erwägungen gedenkt die Kommission zudem die immer noch hängigen Fragen einer Neuverteilung der Aufgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie der Aufstellung neuer Grundsätze für die Finanzierung des Strassenwesens durch den Bund einzubeziehen
[29]. Zur Erschliessung neuer Finanzquellen wurde sowohl von der Finanzkommission des Nationalrates als auch in einem Postulat Jaeger (na, BS) die Einführung von Autobahngebühren angeregt. Vehemente Opposition erwuchs derartigen Bestrebungen allerdings seitens der Automobil- und Strassenverkehrsverbände
[30].
Der weiterhin schleppende Fortgang der Bauarbeiten äusserte sich in einem noch geringeren
Zuwachs des Nationalstrassennetzes um bloss 41 km (1974: 62 km), worunter einem Teil der Stadttangente Bern-Nord (Felsenauviadukt). Damit standen 952 km oder rund 52 % des geplanten Netzes in Betrieb ; im Bau befanden sich am Jahresende 253 km (1974 : 261 km)
[31]. Ohne weitere Verzögerungen schritten die Arbeiten am Gotthard-Tunnel voran, so dass mit einem baldigen ersten Durchstich gerechnet wurde
[32]. Hinsichtlich umstrittener Teilstrecken kam es zu Entscheiden : Als Erfolg der Umweltschutzkreise taxierte man die Beschlüsse des Bundesrates, die N 13 im Domleschg (GR) nur zweispurig und durch einen Tunnel sowie die N 5 bei der Umfahrung von Neuenburg und Ligerz (BE) unterirdisch zu führen. Im Einverständnis mit den glarnerischen Behörden entschied sich der Bundesrat für eine Eliminierung des « Nadelöhrs » am Walensee (N 3) durch die Realisierung eines vierspurigen Tunnelprojekts, mit der allerdings « bestenfalls in sieben bis acht Jahren » zu rechnen sei
[33].
Weiterhin aktuell blieben die
umweltschutz- und finanzpolitisch bestimmten Widerstände gegen Strassenprojekte. Die zentralistische Regelung der Nationalstrassenplanung bot freilich kantonalen Initiativbewegungen nur beschränkte Chancen. Noch nicht geschlagen gab sich die Zürcher Linke in ihrem Kampf gegen das Expressstrassenkonzept (Y) in Zürich. Die POCH konnte ihre neue Initiative « für ein Zürich ohne Expressstrassen » einreichen, während die SP nun ein Volksbegehren lancierte, mit dem die Überdeckung eines Teilstückes des Y gefordert wird
[34]. Trotz Misserfolgen setzte auch die Bewegung um Franz Weber ihre Aktionen fort. Der Bundesrat empfahl zwar das 1974 eingereichte Volksbegehren « Demokratie im Nationalstrassenbau » zur Verwerfung, und die Luzerner Stimmbürger lehnten die Standesinitiative gegen die Linienführung der N 2 am Sempachersee ab ; dafür reichte F. Weber in der Waadt ein Begehren für eine Standesinitiative gegen die Einführung der N 9 in Lausanne ein
[35]. In Genf erreichte die Opposition gegen die geplante Westumfahrung die Ablehnung des entsprechenden Kredits durch die Referendumsbürger. Bundesrat Hürlimann stellte freilich gegen Jahresende Gerüchte über einen Verzicht auf das rechtlich in den Händen des Bundes liegende Bauvorhaben entschieden in Abrede
[36]. Der Widerstand gegen die geplante N 4.1 als Verbindungsstück zur deutschen Autostrasse E 70 führte im Kanton Schaffhausen zur Einreichung eines Volksbegehrens zum Schutz der Flusslandschaft am Rhein (« Aktion Rhy »). Initiativen gegen den als überdimensioniert empfundenen Strassenbau wurden in den Kantonen Schaffhausen, Solothurn und Waadt als ungültig erklärt
[37].
[25] Vgl. LITRA, Jahresbericht 1974/75, S. 56 ff.
[26] Amtl. Bull. NR, 1975, S. 618 f. (Postulat Meier, fdp, LU) ; S. 995 ff. (Motion Schmid, sp, SG, als Postulat überwiesen).
[27] Vgl. oben, Teil 1, 5 (Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes) sowie SPJ, 1974, S. 77 f. und 96.
[28] NZZ, 153, 5.7.75 ; 163, 17.7.75 ; 164, 18.7.75 ; 24 Heures, 164, 17.7.75 ; Bund, 165, 18.7.75 ; La Gruyère, 82, 19.7.75.
[29] TA, 187, 15.8.75 ; 24 Heures, 192, 20.8.75 ; NZZ, 191, 20.8.75 ; Ostschw., 205, 3.9.75. Zur Aufgaben-Neuverteilung vgl. SPJ, 1973, S. 22 f.
[30] Postulat : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1491. Finanzkommission und Opposition : Tat, 17, 21.1.75 ; JdG, 19, 24.1.75 ; NZZ (sda), 216, 18.9.75. Vgl. auch SPJ, 1972, S. 95 ; 1973, S. 93 ; 1974, S. 97 sowie J.-J. Baumann, «Finanzierungsbeitrag der im Ausland immatrikulierten Motorfahrzeuge an den schweizerischen Strassenbau », in Schweiz. Archiv für Verkehrswissenschaft und Verkehrspolitik, 30/1975, S. 300 ff.
[31] Gesch.ber., 1975, S. 56 ff. ; vgl. dazu SPJ, 1974, S. 96. Bern-Nord : Bund, 205, 3.9.75.
[32] NZ, 274, 3.9.75 ; TA, 203, 3.9.75 ; vgl. dazu SPJ, 1973, S. 92 sowie Amtl. Bull. StR, 1975, S. 706 f. (Postulat Leu, cvp, LU, vertreten durch Arnold, cvp, UR).
[33] Domleschg : BüZ, 87, 27.3.75 ; NZZ (sda), 72, 27.3.75. Neuenburg : 24 Heures, 246, 23.10.75 ; TLM, 296, 23.10.75. Ligerz : Ldb, 223, 27.9.75 ; NZZ (sda), 257, 5.11.75. Walensee : NZZ, 164, 18.7.75 ; BüZ, 261, 4.10.75 ; TA, 7, 10.1.76.
[34] Widerstände allgemein : NZZ (sda), 2, 4.1.75 ; NZ, 97, 27.3.75 ; 24 Heures, 294, 18.2.75. POCH : TA, 61, 14.3.75. SP : TA, 236, 11.10.75. Zum Y vgl. auch SPJ, 1971, S. 103 f. ; 1972, S. 92 f. ; 1973, S. 89 f.: 1974, S. 94 sowie ein Postulat Nauer (sp, ZH) : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 379 ff.
[35] Eidg. Volksbegehren : NZZ (sda), 226, 30.9.75 ; vgl. auch SPJ, 1973, S. 92 ; 1974, S. 97. Sempachersee : NZZ, 50, 1.3.75 ; Vat., 51, 3.3.75 (Ablehnung der Initiative mit 77 % Nein : 23 % Ja). Lausanne : GdL, 184, 8.8.75 (neben dem Begehren für die Standesinitiative wurde gleichzeitig eine kantonale Verfassungsinitiative eingereicht, welche die Rechtsgrundlage für die Auslösung einer Standesinitiative durch Volksbegehren schaffen soll) ; vgl. SPJ, 1974, S. 94.
[36] Vgl. unten, Teil II, 4b sowie SPJ, 1973, S. 92 ; 1974, S. 94.
[37] « Aktion Rhy » : Vgl. unten, Teil II, 4f sowie SPJ, 1973, S. 92 ; 1974, S. 97. Initiativen : Vgl. unten, Teil II, 4b.
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